Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Reformationstag, 2012

Erzählpredigt zum Lied „Nun freut euch lieben Christen g‘mein“ von Martin Luther (1523), verfasst von Peter Huschke

 

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn, Jesus Christus!

Was ich getan hab und gelehrt, dass sollst du tun und lehren, damit das Reich Gottes wird gemehrt zu Lob und seinen Ehren."

Der Anfang dieser letzten Strophe klang der Runde im „Goldenen Ochsen" noch in den Ohren, in die ich Sie, liebe Gemeinde, am heutigen Reformationstag wieder einladen möchte.

Meine Erzählpredigt ist abermals entstanden auf dem Hintergrund der Erlanger Stadtgeschichte in der Reformationszeit. Zugrunde liegt ihr Martin Luthers Lied „Nun freut euch lieben Christen g'mein, und lasst uns fröhlich springen" (EG 341) aus dem Jahr 1523. Geschrieben habe ich die Erzählung aber natürlich im Oktober 2012 mit all seinen Themen und Herausforderungen. Anklänge und Ähnlichkeiten zum Tagesgeschehen sind also durchaus beabsichtigt. Anachronismen mögen sie dem Erzähler deswegen großzügig verzeihen.

 

Was ich getan hab und gelehrt, dass sollst du tun und lehren, damit das Reich Gottes wird gemehrt zu Lob und seinen Ehren."

So haben sie noch vor einer halben Stunde bei der Abendandacht an diesem nebligen, kühlen Oktoberabend des Jahres 1528 in der Martinskapelle fröhlich gesungen: Kaufmann Konrad, seine Frau Katharina und ihr Hausmädchen Anna. Zusammen mit dem Schreiner Lorenz und dessen Gesellen Georg, sowie Witwe Klara sitzen sie in der Wirtschaft zum „Goldenen Ochsen" und blicken hinüber zur von Herbstlaub umgebenen Martinskapelle auf dem Martinsbühl.

 

„Das ist richtig: Diese Strophen Luthers deuten unser Glaubensbekenntnis. Es wird erzählt, was an uns gewendet hat." Stellt Katharina, die Ehefrau von Kaufmann Konrad fest.

„Und ab Strophe 7 werden wir direkt von Jesus angeredet, damit offenkundig ist, dass wir gemeint sind - Gottes Geschenk des Glaubens für uns. Ein Glaubensbekenntnis aus unserem Mund ist nur möglich, weil Gott uns durch Jesus angesprochen hat. Martin Luther hat das in einfachen Worten ganz deutlich ausgesprochen. Dazu hat er noch eine bekannte Melodie ausgesucht, damit jeder mitsingen kann."

Kaufmann Konrad schaut stolz ins „Achtliederbuch", nur Lieder Luthers. In Nürnberg hat Jobst Gutknecht es 1524 gedruckt. Konrad hat sich das Buch gekauft. Die Menschen in Erlangen sollten Luthers Lieder lernen und fröhlich singen können.

Hausmädchen Anna ergänzt: „ Und man braucht nur den Text zu lernen. Die Melodie kennt ja jeder. Die kennt man von einem Liebeslied, das auf vielen Jahrmärkten gesungen wird: ‚Ich gleich sie einem Rosenstock.‘ Übrigens ist das Lied auch auf die Melodie eines andern Liebesliedes zu singen: ‚Wach auf, meins Herzen eine Schöne.‘ Luther will wirklich, dass alle vom Glauben singen und sagen können. Habt Ihr gemerkt? Heute Abend haben sich ein paar durchreisende Handwerksgesellen zu uns gestellt. Die haben mehr die Melodie mitgebrummt. Den Text haben sie aber auf diese Weise auch kennen gelernt. Toll, dass Luther da keine Berührungsängste zu einfacher Jahrmarktsmusik hat. Glauben soll für alle möglich sein. Vom Glauben soll mitten im Leben erzählt und gesungen werden"

„Ja, Euer Luther. Selbst bei uns Katholiken sind seine Lieder beliebt. Eines Tages kommen sie womöglich auch in die päpstlichen Gesangbücher. Unsere Oberen wundern sich: ‚Es ist äußerst zu verwundern, wie sehr diejenigen Lieder das Luthertum fortgepflanzt haben, die in deutscher Sprache haufenweise aus Luthers Werkstatt geflogen sind, und in Häusern und Werkstätte, auf Märkten, Gassen und Feldern gesungen werden.‘ (zitiert nach Christiane Reich, S. 114)"

Ambrosia, die im „Goldenen Ochsen" bedient und weiter fest zu ihrem alten, katholischen Glauben steht, bringt zwei große Krüge Bier. Die Runde prostet sich zu

Schreiner Lorenz schnauft tief durch: „Ach ja das Singen und das Bier haben mir jetzt gut getan. Irgendwie ist zurzeit alles so schwierig: Wir haben so viel zu tun. Fast alle Arbeit bleibt an mir hängen. Na ja, Georg, Du packst schon auch gut mit an. Aber die jungen Leute arbeiten einfach nicht so wie wir früher und sind nicht so fleißig. Dauernd sind sie mit diesen verrückten neuen Medien beschäftigt, diesen Flugblättern und Büchern."

Sein Geselle Georg gibt zu bedenken: „Na ja, dafür zahlen von Euch Meistern viele auch schlechten Lohn. Sie behandeln ihr Personal schlecht. Selbst die Meisterversammlung hat das schon gemerkt, dass das Handwerk so Schwierigkeiten hat, weil sie mit der Jugend einfach nicht gut umgeht und ihr keinen anständigen Lohn zahlt. Mit den Zünften gibt es einfach keine Aufstiegschancen. Ich kann nie Meister werden."

In dieses Stöhnen stimmt Kaufmann Konrad gleich ein: „Und im Handel spürt man jetzt die Krise, die durch das europaweite Geschäft geht, auch in Deutschland. Selbst das Bankhaus der Fugger ruiniert sich mit diesem europaweiten Markt ... ganz zu schweigen von dem Markt in Übersee und seinem Gold. Wenn wir uns nur auf Deutschland beschränken könnten, dann ginge es uns besser."

„Und wenn wir dem Bankhaus Fugger nicht so viel Geld in den Rachen stecken würden, nur damit die so reich bleiben, wie sie sind. Da könnte viel Geld anders eingesetzt werden. Luther schimpft nicht ohne Grund über das Zinsnehmen unserer Banken. Da bleibt kaum was für den gemeinen Kasten der Armen. Dass Eigentum verpflichtet, merkt man da nicht." Fügt Geselle Georg noch hinzu.

Anna passt sich der gemeinsamen Klage an: „Und überhaupt! Wie wenig die Menschen aufeinander Rücksicht nehmen! Jeder denkt nur an sich und will möglichst viel haben. Und dann gibt es immer mehr Streit - selbst wegen Martin Luther. Die Bauern, die Fürsten, der Kaiser, die Landesherren, die Türken. Fast immer geht es angeblich um Religion. In Wirklichkeit geht es um Macht und Geld und die Religion lässt sich missbrauchen. Und Kirche spielt auch noch gerne mit. Die einen Fürsten wollen katholisch bleiben und ihre Macht erhalten und sich beim Kaiser beliebt machen. Die anderen wollen evangelisch werden, damit sie sich das Kircheneigentum unter den Nagel reißen können. Alle zusammen brauchen sie Geld, um angeblich den christlichen Glauben gegen die Türken zu verteidigen. Manchmal merkt man schon kaum was davon, dass Gottes Reich gemehrt werd - wie Luther uns singen lässt."

Während des gemeinsamen Biertrinkens wird noch viel gefunden, was im Erlangen, im Deutschland und im Europa des Jahres 1528 bejammernswert ist. Im gemeinsamen Jammern fühlt sich die Runde wohl, alle stimmen überein ....

... bis es Witwe Klara zu viel wird. Fast zornig ergreift sie das Wort: „Ihr seid mir vielleicht ein Jammerhaufen: Eben noch habt Ihr oben an der Martinskapelle mit Begeisterung, Lust und Lieb mit Luthers Worten davon gesungen, was Gott an uns gewendet hat. Und jetzt jammert Ihr vor Euch hin."

Ambrosia bringt zwei neue Bierkrüge und ergänzt Klaras Worte: „Wenn man Euch über Gott und die Welt reden hört, vermutet man: Luther hat das Lied mit den Worten begonnen: ‚Nun jammert, liebe Christen g'mein, und lasst uns feste schwarzsehn‘. Davon dass Jesus Euer Meister sein will und Euch seinen Geist geben will, ist bei Eurem Gejammer nichts zu spüren. Ihr habt scheinbar doch nur die Melodie mitgesungen und den Text für Euch und Euer Leben nicht ernst genommen. Euer Dr. Martinus hat mit Euch schon eine schöne Vereinigung von Jammerlappen."

 

Und das aus dem Munde einer katholischen Mitchristin. Und sie hatte ja auch noch recht. Davon dass Jesus zu ihnen gesagt hat: Halt dich an mich, es soll dir jetzt gelingen, ich gab mich selber ganz für dich, nein davon war in ihren üblichen Alltagsgesprächen so gar nichts zu spüren.

 

„Mist!" Georg findet als Erstes wieder Worte. „Ambrosia hat Recht. Wie toll beschreibt Luther die Nähe Gottes zu uns Menschen. Luther verwendet die uns vertraute Verlobungsformel, die Verlobungsformel zwischen zwei Menschen, um unsere Nähe zu Gott deutlich zu machen: Denn ich bin dein und du bist mein, und wo du bleibst, da will ich bleiben, uns soll kein Feind nicht scheiden."

Sein Meister, der Schreiner Lorenz, schaut Georg an. „Du hast Recht. Irgendwie sind wir manchmal schon ganz schön blöd: Da hab ich so einen prima Gesellen. Statt mich zu freuen, schaue ich auf das, was noch besser sein könnte."

Katharina schaut ihren Mann an: „Na und wir beide sind ja nun auch weit davon entfernt, dass wir uns vom gemeinen Kasten was holen müssten. Im Schatten von Nürnberg lässt es sich hier in Erlangen doch gut Handel treiben. Und wenn Du und Deine Nürnberger Geschäftskollegen nicht so viele Verbindungen quer durch Europa und nach Übersee hätten, ging nicht so viel Nürnberger Tand in alle Land. Es liefen Eure Geschäfte nicht annähernd so gut. Da ist Euer Gejammer über Europa und die Welt eigentlich lächerlich. Gottes Barmherzigkeit haben wir auch in diesem Handel und dem damit gerade für uns verbundenen Wohlstand gespürt. Den Menschen in den Ländern, mit denen wir Handel treiben, geht es da viel schlechter. Die müssen Euere teueren Waren bezahlen. Denke einmal an das, was unser Sohn uns von der letzten Reise nach Spanien erzählt hat. Da geht es uns vergleichsweise hervorragend."

Ihr Mann Konrad und ihr Hausmädchen Anna nicken. Sie denkt an die warme Stube, die gut bezahlten Arbeitsplätze, das selbstverständliche Essen, das gute fränkische Bier, der gefüllte gemeine Kasten.

Und Anna fügt hinzu: „Wenn wir von Jesu Leiden und Tod für uns singen und da sogar sagen, dass Jesus das alles uns zugut gelitten hat, damit wir selig werden, dann müsste von dieser Seligkeit mehr in unserem Reden und Handeln zu spüren sein."

Witwe Klara meint: „Wenn ich Euch so reden höre, habe ich ja fast den Eindruck, dass es mir Gott noch am einfachsten gemacht hat, nicht dauernd zu jammern und schwarz zu sehen: Wenn mich wieder die Trauer über meinen toten Mann überfällt, bleibt mir gar nichts anderes übrig, als das ernst zu nehmen, was Jesus da im Lied Martin Luthers zu uns sagt: Jesus erwürgt für meinen Mann den bittern Tod und lässt meinen Mann mit sich leben. Daran halte ich mich fest, wenn mich wieder der Katzenjammer überkommt, wenn mein Mann mir einfach unendlich fehlt und ich nicht weiß, wie ich mich trösten soll, weil für mich einfach kein Guts am Leben mein ist."

 

Kaufmann Konrad sieht Ambrosia und Klara an: „Ihr habt uns zu Recht den Kopf gewaschen. Wenn ich auf Gottes Tun schaue relativiert sich, was bei mir im Mittelpunkt steht, mein Erfolg, mein Reichtum, mein Ansehen. Nicht das, was ich tue und meine, zählt. Wenn ich immer nur auf das baue, was ich leiste, dann endet das einfach immer mit einem Gejammere. Es könnte immer noch mehr sein. Wir sind einfach nicht perfekt. Wir liegen dem Teufel gefangen - wie Luther drastisch sagt. Das Heil der Welt liegt nicht in unserer Hand, nicht einmal das Heil meiner Familie oder mein eigenes. Uns sind einfach Grenzen gesetzt, auch wenn wir es nicht wahr haben wollen und ja auch in der Tat ganz viel leisten und schaffen können. Unsere Werke zählen da im Letzten nicht, wie Luther uns singen lässt. Wir sind zum Gut‘n erstorben. Gott muss für uns das wenden. Sonst werden wir uns immer wieder gegenseitig mit unserem Gejammer, unserem Neid und unserem Egoismus zur Hölle. Wir brauchen Gottes Barmherzigkeit, seine Liebe zu uns Menschen, die wir nun einmal so sind, wie wir sind - nämlich Sünder, eben nicht perfekt."

 

Witwe Klara nickt zustimmend zu dem von Kaufmann Karl Gesagten und sagt zur Tischrunde: „Deswegen ist für mich die vierte Strophe auch die wichtigste Strophe in diesem Lied. Sie markiert für mich den Wendepunkt weg von uns Menschen hin zu Gott - weg von der Hölle, die wir Menschen füreinander wie Teufel sein können, hin zu Gottes Liebe zu uns Menschen und zu seiner Gegenwart und Zukunft für uns. Luther lenkt da unseren Blick hin auf Gottes Barmherzigkeit, die uns seine geliebten Geschöpfe und unsere Welt seine geliebte Schöpfung sein lässt." Anna liest den Text der Strophe und die anderen brummen mit.

(Wir, liebe Gemeinde singen die Strophe laut: EG 341, 4)

 

Anna fährt fort: „Wenn ich das in dieser Strophe von Martin Luther Geschriebene für mich annehme; dass es Gott meiner in Ewigkeit jammert, dass er meinetwegen an seine Barmherzigkeit denkt, dann kann ich mich selber in den Hintern treten, wenn ich mal wieder unaufhörlich jammere und für die Zukunft nur schwarz sehe."

 

Ambrosia sammelt die die Krüge ein und freut sich über das heute besonders hohe Trinkgeld aus der Runde. Sie könnte dank der Runde vor Freude springen

Und Ambrosia fügt zu dem von ihr gehörten dazu: „Jetzt könnt Ihr auf dem Heimweg singen „Nun freut euch liebe Christen g‘mein". G'mein, gemeinsam, alle zusammen können wir das singen, alle Christen, Ihr Lutherischen genauso wie wir Katholischen und alle anderen auch. Dann unser aller hat es Gott gejammert. Er hat es sich sein Bestes kosten lassen. Für uns alle hat er uns mit Jesus Christus seine Barmherzigkeit geschickt."

Auf dem Heimweg folgt die Runde aus dem „Goldenen Ochsen" dem Rat von Ambrosia. Sie singen die drei Anfangsstrophen Luthers und dazu noch einmal die vierte Strophe. Denn da wird die Wende Gottes zu seinen Menschen besonders deutlich besungen und damit wird das Reich Gottes gemehrt zu Lob und seinen Ehren.

Und diesem Beispiele wollen wir folgen und die Strophen 1 bis 4 gemeinsam singen.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

 



Dekan Peter Huschke
91054 Erlangen
E-Mail: peter.huschke@elkb.de

Zusätzliche Medien:
Benutzte Literatur:
Konrad Klek, „Singen und Sagen“ – Reformatorisches Singen als öffentlicher Protest, in: Davon ich singen und sagen will, hrsg. von P. Bubmann und K. Klek, Leipzig, 2012, S. 11 – 26
Christa Reich, Nun freut euch, lieben Christen g’mein, in: Geistliches Wunderhorn, München, 2001, S. 111 - 123


(zurück zum Seitenanfang)