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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Monatliche Liedpredigten zur Lutherdekade, 2012

Dezember 2012, verfasst von Mira Stare

 

Predigt über das Lied „Die Nacht ist vorgedrungen" EG 16/GL 111

Liebe Glaubende,

der Monat Dezember ist wieder da und mit ihm die Adventzeit und das Weihnachtsfest. Die Nächte im Dezember sind die längsten im Jahr, die Tage die kürzesten. Die Symbolik von Dunkelheit und Licht spielt in der Liturgie der Advent- und Weihnachtszeit eine wichtige Rolle. Die Bilder von Dunkel und Licht prägen auch das Lied „Die Nacht ist vorgedrungen", das wir in dieser Zeit immer wieder singen. Heute werden wir uns von seiner Botschaft inspirieren lassen.

Nun wird die erste Strophe zuerst vorgelesen und dann werden wir sie miteinander singen.

 

„Die Nacht ist vorgedrungen, 
der Tag ist nicht mehr fern.
so sei nun Lob gesungen dem hellen Morgenstern.
Auch wer zur Nacht geweinet,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
auch deine Angst und Pein."
(EG 16/GL 111,1)

 

Das Lied stellt uns an seinem Beginn in eine Nachtsituation hinein. Dabei ist die Nacht bereits vorgedrungen, denn der Tag scheint nicht mehr fern zu sein. Das Zeichen für den aufbrechenden Tag ist der Morgenstern. Er ist der hellste Stern vor dem Sonnenaufgang und wurde in der Antike auch phosphoros „Lichtträger" genannt. Unser Lied lädt uns ein, diesem Morgenstern ein Lob zu singen. Bereits hier wird klar, dass er persönliche Züge trägt. Er erleuchtet nicht nur die Nacht, sondern auch „deine Angst und Pein" - unsere persönliche Nacht. Personifiziert wird der Morgenstern auch in der biblischen Tradition. In den letzten Versen der Offenbarung des Johannes bezeichnet Jesus, der auferstandene und erhöhter Herr, sich selber als „Morgenstern". Er sagt:

 

„Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids,
der strahlende Morgenstern."
(Offb 22,16)

 

Mit diesem „Ich-bin"-Wort lenkt Jesus den Blick auf seine Herkunft. Er ist „die Wurzel und das Geschlecht Davids". Er ist der Messias, der den Menschen Heil von Gott bringt. Wie der Morgenstern, der den kommenden „Tag" ankündet, so können Menschen in Jesus das Licht und die Hoffnung für die Zukunft noch mitten in der gegenwärtigen Nacht erfahren.

 

Hören und singen wir nun die zweite Strophe:

 

„Dem alle Engel dienen,
wird nun ein Kind und Knecht.
Gott selber ist erschienen
zur Sühne für sein Recht.
Wer schuldig ist auf Erden,
verhüll nicht mehr sein Haupt.
Er soll errettet werden,
wenn er dem Kinde glaubt."
(EG 16/GL 111,2)

 

Die zweite Strophe zeigt weiter, wie Jesus der Morgenstern für uns Menschen ist. Sie führt uns in die Tiefe des Weihnachtsgeheimnisses hinein. Jesus, dem alle Engel dienen, bleibt nicht von uns und unserer menschlichen Welt fern. Er ist bereit, zu uns abzusteigen. Er wird einer von uns. Noch mehr, er wird ein Kind und Knecht - ein machtloser, schwacher und von anderen abhängiger Mensch. Ein Anklang an den Christushymnus aus dem Philipperbrief ist nicht zu überhören. Dort wird die Entäußerung und die Erniedrigung Jesu auf folgende Weise dargestellt:

 

„Er war Gott gleich,
hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein,
sondern er entäußerte sich
und wurde wie ein Sklave
und den Menschen gleich.
Sein Leben war das eines Menschen;
er erniedrigte sich
und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz."
(Phil 2,6-8)

 

Wozu diese Entäußerung und Erniedrigung Jesu Christi, wozu wird er Kind und Knecht? Unser Lied gibt uns eine Antwort auf diese Frage. Dies alles geschieht für uns Menschen, damit wir einen Weg aus unserer Nacht und unserer Schuld und unseren Verstrickungen finden:

 

„Wer schuldig ist auf Erden,
verhüll nicht mehr sein Haupt.
Er soll errettet werden,
wenn er dem Kinde glaubt."

 

Die Rettung wird jedem geschenkt, der „dem Kinde", Jesus Christus, glaubt. Dieser bringt das neue Leben und die Zukunft auch demjenigen, der nicht mehr weiter weiß und verzweifelt ist.

 

Wir hören und singen die dritte Strophe:

 

„Die Nacht ist schon im Schwinden,
macht euch zum Stalle auf!
Ihr sollt das Heil dort finden,
das aller Zeiten Lauf
von Anfang an verkündet,
seit eure Schuld geschah.
Nun hat sich euch verbündet,
den Gott selbst ausersah."
(EG 16/GL 111,3)

 

Nachdem in der zweiten Strophe weder die „Nacht" noch das „Dunkel" zur Sprache gekommen sind, macht uns die dritte Strophe wieder auf die noch gegenwärtige Nacht aufmerksam. Diese ist jedoch „schon im Schwinden". Es ist die Zeit um aufzustehen und sich zum „Stall" zu Jesus Christus, unserem Retter, aufzumachen. Bei ihm werden wir das Heil finden. Das ist das Heil, das uns von Anfang an verkündet wird. In Jesus Christus erfüllt sich die Schrift. In ihm gehen die alttestamentlichen Verheißungen in Erfüllung. In ihm schließt Gott mit uns Menschen einen neuen ewigen Bund.

 

Wir sind zur vierten Strophen gekommen:

 

Noch manche Nacht wird fallen
auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen
der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte,
hält euch kein Dunkel mehr.
Von Gottes Angesichte
kam euch die Rettung her.
(EG 16/GL 111,4)

 

Das Lied bleibt nüchtern. Es drückt deutlich aus, dass wir Menschen auch nach dem Weihnachtsereignis noch mit manchen Nächten, mit Leid und Schuld, konfrontiert werden. Angesicht dessen macht es uns wieder auf den Stern und seine Gegenwart aufmerksam. Dieser Stern hat eine schützende und rettende Funktion: Wenn man mit ihm wandert und sich von ihm beglänzen lässt, dann können wir vom Dunkel nicht mehr gehalten werden. Sein Licht ist stärker als die auf uns noch fallende Dunkelheit. Durch unseren Morgenstern, Jesus Christus, schenkt uns Gott bereits jetzt seine Rettung und sein Heil.

 

Hören und singen wir nun die Abschlussstrophe:

 

„Gott will im Dunkel wohnen
und hat es doch erhellt.
Als wollte er belohnen,
so richtet er die Welt.
Der sich den Erdkreis baute,
der lässt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute,
kommt dort aus dem Gericht."
(EG 16/GL 111,5)

 

Die abschließende Strophe offenbart uns Gott als denjenigen, der im Dunkel wohnen will. Noch bevor der von Dunkelheit belastete Mensch zu ihm kommt, geht er ihm entgegen. Mit der Anwesenheit Gottes bleibt dieses Dunkel nicht mehr dunkel, sondern wird es erhellt. Gott bleibt seiner Schöpfung treu und befreit den Menschen von Sünden und Gericht. Das wichtigste für den Menschen ist, dem Sohn Gottes, Jesus Christus, dem Morgenstern, zu vertrauen.

 

Liebe Glaubenden, dieses Lied wurde von Jochen Klepper im Jahr 1937 geschrieben und ist im Jahr 1938 erschienen. Seine Zeit war nicht nur für unzählige einzelne Menschen, sondern für die damalige Menschheit insgesamt eine Zeit der tiefen Nacht. Trotzdem hat Jesus Christus, das Kind und der Knecht, der Morgenstern, nicht aufgehört, auf die Menschheit zu leuchten und ihre Nacht zu erhellen. Diesem Stern sollen auch wir folgen und in seiner Gemeinschaft bleiben. Gott bleibt seiner Schöpfung und uns Menschen treu. Er kommt zu uns. So können wir im Glauben an Jesus Christus und im Vertrauen auf ihn noch in jeder Nacht und an jedem neuen Tag singen:

 

„Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern.
So sei nun Lob gesungen
dem hellen Morgenstern."

 



Senior Scientist Dr. Mira Stare
A-6020 Innsbruck
E-Mail: mira.stare@uibk.ac.at

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