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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Passionsandachten, 2013

Römer 8.35,38f., verfasst von Wolfgang Schillak

 

Bis dass der TÜV uns scheidet!

Mein Auto und ich, das ist eine Zweck-Bindung. Nach jeder schweren Panne zeigt die Funktionsprüfung: Das Auto taugt, solange dessen Zweck erfüllt ist.
Bis dass der Tod uns scheidet - oder der Scheidungsrichter!
Mein Partner und ich, das ist eine Interessen-Bindung. Nach jedem schweren Konflikt zeigt eine Verantwortungsprüfung: Die Beziehung taugt, solange beiderseitige Interessen gewahrt sind; so auch das Unwort ‚Bedarfsgemeinschaft‘.
Im Glauben allerdings, da scheidet uns nichts!

Mein Christus und ich, das ist eine Lebens-Bindung, die alle Teilziele und -interessen umgreift und übersteigt: In jedem Unheil, jeder Angst steht diese Liebesbindung auf dem Spiel, bewährt sich, zerrinnt, wird geprüft, erneut ertastet, sich ihrer vergewissert.

Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Krankheit, Angst, Armut, Depression, Gewalt?
Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat.
Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden können von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn."

Ich höre daraus zunächst die ermutigende Stimme des Evangeliums: Lasst Euch das Gefühl nicht zerstören, in guter Obhut zu sein! Lasst Euch den Blick nicht verstellen auf die Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist.

Die Liebe IST. Was? Diese Liebe Christi ist - offenbar.

im Zeugnis der Schrift - in der Erfahrung von Menschen um Jesus herum; in seinem kritischen Reden von Frieden und Gerechtigkeit, in seiner gelebten Gnade, die Menschen durch einen ermutigenden Blick, eine anwärmende Geste erneut lebensmutig machte, in seinem heilenden Handeln war das Reich Gottes offenbar, war das Heil mit Händen zu greifen. Und seinem Leiden und Sterben folgte die Auferweckung in ein erneuertes Leben hinein - als Vorabbildung dessen, was Gottes Liebe auch für uns voraus sieht.

Das ist die dogmatische Seite: So ist es von Gott her gemeint und gewollt. Daneben gilt die empirische Seite: Wie erleben wir das - Du und ich? Wie kriegen wir das Sinn-voll zusammen, das verkündigte Heil und die erlebte Angst?
Diese Liebe Christi ist - gegenwärtig!
Im Mensch Gewordenen, heute, an Deiner Seite wahrnehmbar!
Wenn Du Dir dafür selbst Gelegenheit lässt ...

Also: Trennt Angst mich von der Liebe Christi - oder bleibt es eine Lebens-Bindung?

Die Angst, keinen Job mehr zu bekommen - hat doch alles keinen Zweck mehr; ich gehe kaputt daran. Nein, im Glauben gibt's keinen TÜV-Stempel, nur die Zusage: Wertvoll bist Du, weil Christus Dir lächelnd entgegen kommt.
Die Angst vor der Zukunft - ich fühle mich verloren, meine Interessen gelähmt. Nein, im Glauben gibt's kein Scheidungsurteil, nur die Verheißung des Neuanfangs.

Die Angst vor akuter Krankheit - mein Leben zerbricht mir. Mit jedem Unheil stürze ich in einen Abgrund, in dessen tiefster Tiefe ausgebreitete Arme mich erwarten, mich halten.
Manchmal kann ich also tatsächlich spüren, dass diese Liebe von Christus her hält, mich hält in Krisen - nicht nur als etwas Gesagtes, sondern als etwas Erlebtes, Gelebtes, das bewältigt, die Enge aufbricht, meine Füße auf weiten Raum stellt...

Aber nicht immer, sagt die Lebenserfahrung, oder?
...in dem allen - sagt Paulus - überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat.

Ist das ein stolzes, vielleicht gar zu vollmundiges Bekenntnis zu gemachter Erfahrung?
Oder suggestive, vielleicht zu viel versprechende Aufforderung zu furchtlosem Zeugnis?
„Überwinden" - die Krise, die Gewalt, die Depression. Das geht nicht ein für alle mal. Das ist immer wieder nötig. Immer wieder geraten wir auf den Weg der Jünger nach Emmaus.
Zerbrochene Beziehungen, Zukunftsängste, Ratlosigkeit und Trauer lassen uns orientierungsschwach den Weg trotten auf der Suche nach Halt und Trost.

Dann tritt uns ein unbekannter Christus (!) in den Weg und öffnet uns das Verständnis der biblischen Tradition, der Wahrheit FÜR MICH. Da wird der dogmatische zum empirischen Christus. Da bringe ich die Geschehnisse um Christus in deutende Verbindung mit meiner jetzigen Situation und erfasse in der Freude der Jünger an gemeinsamem Mahl und Aufbruch in ein anderes Leben die Verheißung, die Christus auch in mein Leben gelegt hat.

So kann ich ‚überlegener Sieger‘ (so wörtlich: ‚überwinden‘) sein gegenüber jemandem, der diese Rück- und Voraus-Vergewisserung nicht hat. Und ich darf der Erfüllung entgegenwarten: wie den Jüngern, so auch mir!

Und doch wissen wir: Die Angst kann wiederkommen.
Und doch sagt Paulus: Ich bin ‚gewiss‘.

Das heißt nicht: Ich kann beweisen. Es geht hier nicht um rational-dogmatische Deduktion. Gewiss-Sein ist auch keine Sturheit, kein angestrengter Abwehrmechanismus. Gewiss-Sein ist kein fertiges Haben, eher ein stetem Schwanken unterworfenes Werden.

Gewiss werde ich nur in einem stetigen Balancieren, um Verheißung und Enttäuschung, Sinnleere und Erfüllung auf dem Niveau ängstlicher Gewissheit zu stabilisieren.

Christi Kraft ist so in meiner Schwachheit mächtig.
In meiner Angst werde ich dessen gewiss.
ein bisschen wenigstens
immer wieder
Christus sei Dank!

Amen



Pastor Wolfgang Schillak
37176 Nörten-Hardenberg
E-Mail: wolfgang.schillak@evlka.de

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