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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Fußball-Weltmeisterschaft, 2014

Zur Fußball-Weltmeisterschaft 2014, verfasst von Andreas Pawlas

Predigttext:
„Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus!" (1. Kor. 15,57)

 

Liebe Gemeinde!

 

Ist das nicht großartig, dass sich so viele Volker und Nationen zu einem friedlichen Fußball-Wettkampf in Brasilien versammeln!? Gott sei Dank, es geht jetzt nicht mehr wie vielleicht vor 100 Jahren darum, in gewaltigen Schlachten zu beweisen, dass das eigene Volk das Stärkste und Beste und Angesehenste ist. Gott sei Dank, muss jetzt nicht mehr Blut vergossen und müssen nicht mehr Menschleben vernichtet werden, um die Kräfte und Fähigkeiten der Völker einander vor Augen zu führen. Gott sei Dank, kommen eben jetzt friedlich viele, viele Menschen aus aller Herren Länder zusammen, um sich diesen Wettkampf in Brasilien anzusehen, wobei es natürlich letztlich um den Sieg geht, dem Thema dieser Predigt.

 

Muss man nicht - noch ehe überhaupt die Spiele beginnen - darüber staunen, wie viel Geld dabei für Eintrittskarten, Hotels, Verpflegung, aber auch Besichtigungen alle diese Menschen ausgeben? Vielleicht darf man sich als Christenmensch durchaus fragen, ob nicht vieles unsere Welt ganz anders aussehen müsste, wenn alle Christenmenschen, die es könnten, so viel Geld für gemeinsame Treffen ausgäben!

 

Und wenn wir jetzt weiter einen Blick in die prall gefüllten Stadien werfen, da hätten wir doch darüber hinaus Grund zu staunen, wie sehr sich wildfremde Menschen aus einer Nation in der Spannung des Spiels verbrüdern und miteinander jubeln, wenn ein Tor gefallen ist und die eigene Mannschaft siegt, oder auch miteinander trauern, wenn das Spiel verloren ist. Was würde das wohl mit unseren christlichen Gemeinden machen, wenn man sich derart um des Sieges Jesu Christi verbrüdern könnte?

 

Und was ferner in den Stadien auffällt, ist, wie da alle da singen können! Aber wie kann das denn sein, wo man doch im Gemeindalltag immer wieder erlebt, wie etwa Jungen im Konfirmandenalter kaum dazu bringen kann, einmal die Zähne auch nur etwas auseinanderzunehmen, um in Konfirmandenunterricht und Gottesdienst einen Choral mitzusingen? - Herr Pastor, das ist doch peinlich!! - Jedoch begeistert von dem Spielgeschehen, den nahen Sieg vor Augen, da ist das gar nicht mehr peinlich und da scheint das Singen ganz von selbst zu gehen. Was ist es denn da eigentlich, was da christliche Gemeinden von den Fußballfans lernen können?

 

Auf jeden Fall aber kann man als mitteleuropäischer Durchschnittschrist von den Fußballfans etwas anderes lernen, nämlich sich zu zeigen, und damit ganz deutlich zu machen, an wessen Sieg man glaubt! Die Fan-Shops sind voll von Stickern, Kugelschreibern, Einkaufstüten, Schals, Mützen, usw. mit den Zeichen des eigenen Vereins!

 

Aber gibt es das etwa bei uns, dass auch nur irgendjemand einen Schal seiner Heimat-Kirchengemeinde trägt? Oder wer trägt ein christliches Symbol am Revers oder trägt Mützen mit den Zeichen der Gemeinde genau so wie unsere hochbegeisterten Fußballfans? Ja, wenn das so jeder sehen kann, wie ein Fußballfan sich zu seiner Leidenschaft bekennt und zu seiner Hoffnung auf den Sieg seiner Mannschaft, wo geben wir uns da als Christenmenschen entsprechend leicht zu erkennen, wo es doch immerhin in der christlichen Überzeugung nicht nur um Sieg im Sport, sondern um den Sieg für das ganze Leben geht?

 

Aber noch eine weitere Anfrage aus der Fan-Ecke an die christliche Tradition: Was bedeutet das eigentlich, wenn sich so viele Fußballbegeisterte die Fußballshirts mit den Namen und Nummern ihrer Stars kaufen und anziehen? Heißt das etwa, genauso sein zu wollen wie die Stars? Genauso geschickt sein und siegen zu wollen wie die Stars? Aber welche der Frauen etwa der St. Katharinen-Gemeinden ziehen sich heutzutage an wie St. Katharina? Oder welche der Männer etwa der Luther- oder Melanchthon-Gemeinden, der Paulus- oder Johannes-Gemeinden ziehen sich an wie Luther oder Melanchthon, Paulus oder Johannes? Heißt das denn, dass man Luther oder Melanchthon, oder auch Paulus oder Johannes in ihren Glaubens-Siegen vielleicht doch nicht so sehr verehrt wie so viele Fußballbegeisterte ihre Stars? Und wenn es manchmal für Fans zu dem größten Glück gehört, einmal dem siegreichen Star begegnet zu sein, ihn berührt zu haben oder mindestens eine Unterschrift oder anderes Schriftliches von ihm ergattert zu haben, warum können Christen nicht genauso begeistert darüber sein, dass man die Paulusbriefe in der eigenen Bibel zu Hause hat, oder im Gesangbuch nicht nur Luther-Lieder sondern sogar den Kleinen Kathechismus?

 

Und wenn wir weiter in die Stadien schauen, was erzählen sich denn Fußballfans begeistert in ihrer Stadionkurve oder dann später in der Stammkneipe oder dem Vereinslokal beim Bier? Doch wie ihre Mannschaft gesiegt hat. Und alle Einzelheiten werden genauestens bewertet und etwa in der Jugendmannschaft werden die Torszenen nachgespielt. Gar nicht selten ergeben sich daraus für die jungen Menschen nicht nur Beispiele für Siegesstrategien sondern auch für faires Verhalten. Manche können so auch lernen abzugeben, damit der Andere das Tor schießt! Also im Erzählen und Üben ein Lernen fürs Leben. Wenn das nichts ist!

 

Allerdings, wo ist nun in unseren christlichen Gemeinden der Ort, wo Jung und Alt begeistert von den Siegen des Glaubens erzählen? Reicht da der spärlich besuchte Kirchenkaffee nach dem Gottesdienst? Oder kann da etwa der Seniorenclub, die Handarbeits- oder Töpfergruppe oder der abendliche Gesprächskreis etwas Vergleichbares sein, wo man staunend und fasziniert etwas von den Siegen im Glauben unserer Mütter und Väter im Glauben hören und weitergeben kann? Allerdings, wo sind dabei die Männer in unseren Gemeinden? Also wirklich, gibt es deshalb nicht tatsächlich für unsere Gemeinden und für uns als Christenmenschen eine ganze Menge von den Fußballfans zu lernen, was Siege für Menschen zu bedeuten haben?

 

Weiter darf nicht übersehen werden, dass es ja in unserer Gesellschaft nicht nur um Siege auf dem Fußballplatz geht, sondern von der Schule beginnend bis zur beruflichen Praxis werden wir erzogen, geschult, trainiert, uns anzustrengen, um die Besten zu sein. Denn es sind doch die Guten, die belobigt werden gute Zensuren bekommen oder Gehaltserhöhungen oder Ehrenzeichen! Es geht eben immer und überall um das Siegen, um das Vorne-Sein, um das Gewinnen! Und wenn wir unsere Wirtschaftsordnung richtig verstehen, muss das auch so sein, damit es letztlich allen gut geht.

 

Und wo bleiben da nun unsere christlichen Gemeinden? Müssen wir sie etwa als Gemeinschaften von verhuschten Verlierern verstehen? Sind sie etwa Auffangbecken für alle Zurückgebliebenen, Schwachen und Kranken?

 

Aber halt! Wenn das so wäre, was sollte denn daran falsch sein?! Denn die Kirche würde damit nur ihre „Option für die Armen" ernst nehmen, und sich damit nach dem Wort Christi richten, das ja heißt: „Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. Ich bin gekommen, die Sünder zur Buße zu rufen und nicht die Gerechten." (Lk 5,31f.) und „Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer. Selig seid ihr, die ihr jetzt hungert; denn ihr sollt satt werden." (Lk 6,20f.)

 

Aber so sehr das auch stimmt, wo bleibt da ein „Danken für den Sieg durch unsern Herrn Jesus Christus", wie es in unserem Bibelwort heißt? Denn offenbar geht es hier bisher christlich nur um das Verlieren und die Verlorenen, und nicht um das Siegen.

 

Moment, wäre hier nicht gerade bezüglich unserer Fußballfans einzuhaken? Denn jeder kann doch auch jetzt in Brasilien sehen, wie viele nationale Mannschaften angereist sind, dass aber nur ein Team Sieger sein wird. Ja, alle anderen sind die Verlierer! Sie werden als Verlierer wieder abreisen. Und sollte es etwa deshalb hier Aufgabe der Christenheit sein, die Verlierer zu trösten? Und wenn das so wäre, so wäre es keine schlechte Aufgabe. Allerdings würde das nichts daran ändern, dass letztlich alle Mannschaften sich auf Siege in künftigen Spielen richten - in denen es wieder nur einen Sieger geben wird.

 

Deshalb muss es also, wenn christlich hier und immer wieder von dem Sieg durch unsern Herrn Jesus Christus gesprochen wird, um etwas vollkommen Anderes gehen. Es muss um etwas gehen, was eben mit dieser irdischen Sieger-Struktur nichts zu tun hat, oder besser, was sie überwunden hat. Und nichts macht das deutlicher als das Kreuz, weshalb es ja auch von vielen Menschen nicht gerade als „Fanartikel", aber doch als Zeichen am Kettchen um den Hals oder als Anstecker am Revers getragen wird: Denn am Kreuz schien doch die weltliche Macht durch die brutale Kreuzigung Jesu endgültig über ihn gesiegt zu haben. Er schien nun alles verloren zu haben, Eigentum, Freunde, Heimat, Ehre und sogar das Leben. Und weiter nicht nur das Leben, sondern seine ganze Verkündigung, seinen Auftrag, den Glauben seiner Jünger!

 

Aber weil ihn Gottes Liebe und Güte aus dem Tod hat auferstehen lassen, deshalb durften die ersten Christen bezeugen, dass Gottes Liebe und Güte stärker ist, als alle weltlichen Siege, und dass es allein Gottes Liebe und Güte ist, die alle Begrenzungen des Lebens aufbricht und einem jeden Menschen Ewigkeit im Reich Gottes eröffnet, seien sie Sieger oder Verlierer. Und damit darf in der Nachfolge Christi die Christenheit in aller Welt bezeugen, dass eben Gottes Liebe und Güte die stärkste und eigentlich siegreiche Macht auf dieser Welt ist - und bestimmt nicht alles das, was im Beruf, in der Familie oder auf dem Fußballplatz an Siegen erfochten wurden, was uns aber dennoch so sehr in unserem Denken und Fühlen beschäftigt.

 

Darum: Wie wäre es denn eigentlich, wenn die christlichen Gemeinden tatsächlich von unseren Fußballfans lernen könnten, diesen „Sieg von Golgatha" mit Begeisterung zu feiern, sich öffentlich dazu zu bekennen, sich mit ihm zu „schmücken", von ihm weiterzuerzählen. Und auch den Jungen und Alten in vertrauter Runde froh und dankbar zu berichten, wie man diese Überwindung der Welt durch Christus in seinem eigenen Leben hat verstehen und sich darauf einlassen können. Und wie man hat erfahren dürfen, wie der Glaube an Christus hat beleben und froh machen können und alle Niederlagen hat überwinden können. Damit wäre man angekommen in dem Kreis der christlichen Zeugen, damals und heute, und könnte dann auch mit vollem Herzen einstimmen in diesen Satz des Hl. Apostels Paulus: „Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus!" (1. Kor. 15,57)

Amen.



Dr. Andreas Pawlas
Klein Offenseth-Sparrieshoop
E-Mail: Andreas.Pawlas@web.de

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