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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Fußball-Weltmeisterschaft, 2014

Zur Fußball-Weltmeisterschaft 2014, verfasst von Paul Kluge

Predigtext:
„Mein Glück aber ist es, Gott nahe zu sein; bei Gott dem Herrn habe ich meine Zuflucht. Alle deine Werke will ich verkünden." (Ps 73, 28, Zürcher Übersetzung)

Dies Psalmwort, liebe Geschwister, mag Ihnen bekannt sein, wenn auch etwas anders formuliert: „Gott nahe zu sein, ist mein Glück." Es begleitet uns als Losung durch das Jahr 2014, durch dieses Jahr der Kriege, der Natur- und anderer Katastrophen in vielen Ländern der Welt, durch dieses Jahr der Europawahlen in einer friedlich vereinten Union von Ländern, die sich einst als Feinde sahen, durch dieses Jahr der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien.

In den Stadien wie die vor den Fernsehern rund um den Globus verfolgen Menschen die Spiele. Dabei geht es auch um Geld, um viel Geld. Den Zuschauerinnen und Zuschauern geht es um etwas anderes: Sie wollen sich für „ihre" Mannschaft begeistern, wollen jubeln, wenn „ihre" Mannschaft ein Tor schießt oder gar ein Spiel gewinnt.

Das sind Momente des Glücks. Oft wechseln sie mit Augenblicken tiefer Enttäuschung ab. Das Tal ist immer so tief, wie der Berg hoch ist. Wir kennen das. Wir wissen auch, wie schnell beides verraucht, Glück und Enttäuschung während eines Fußballspiels.

„Mein Glück aber ist es, Gott nahe zu sein", singt der Psalmdichter und begründet das: „Bei Gott dem Herrn habe ich meine Zuflucht." Das hat für den Dichter Konsequenzen: „Alle deine Werke will ich verkünden."

Mit dieser Feststellung schließt der Dichter den Psalm. Der liest sich wie eine Lebensbilanz: Oft hat das Leben dem Dichter übel mitgespielt. Manchen Tritt, manchen Knuff hat er eingesteckt, etliche Male wurde er ausgetrickst. Gestolpert ist er und gefallen, hat sich manche Verletzung zugezogen. Wurde gelegentlich böse gefoult, ohne dass der Gegner die rote Karte sah. Demütigende Arroganz hat er erlebt und manche Unverschämtheit über sich ergehen lassen müssen.

Manche Wunde hat er bekommen an Leib und Seele, manche Narbe ist geblieben und schmerzt noch immer. Oft war er versucht, ihm zugefügtes Unrecht auf der Stelle zu vergelten. Doch er konnte sich beherrschen. Das war für ihn jedes Mal ein kleiner Sieg über die anderen. Solche kleinen Siege taten ihm gut und stärkten seinen Vorsatz, fair zu bleiben.

Und das war oft schwer. Besonders dann, wenn andere mit ihren Tricksereien, mit ihrer bisweilen brutalen Rücksichtslosigkeit Erfolge feierten. Wenn sie dafür auch noch bejubelt wurden. Denn nach Erfolg und Beifall sehnte sich der Dichter wie jeder Mensch. Erfolg und Beifall, die seinem Leben, seinem Wirken Wert geben konnten. Die ihn in seinem Denken und Tun bestätigten. Doch nur selten erlebte er sie. Musste vielmehr erleben, dass die anderen einheimsten, was ihm so oft verwehrt blieb.

Mit der Zeit wuchsen Zweifel in ihm. Zweifel an seinen Werten und Idealen zunächst. Waren sie das wert, was er für sie in Kauf nahm? Was er ihretwegen einstecken, was er für sie zahlen musste? Dann zweifelte er an sich, an seinen Fähigkeiten und Begabungen, zweifelte daran, ob er überhaupt zu etwas tauge. Schließlich zweifelte er sogar an Gott. Sah es nicht ganz so aus, als stünde der auf der Seite der anderen? Als gäbe er den anderen recht und ihm, dem Rechtschaffenen, unrecht?

Erschrocken hatte er dann festgestellt, dass er in eine gefährliche Abwärtsspirale geraten war. Immer weiter und immer schneller würde sie ihn herunterziehen, bis er sich für eine Null hielt. War angefangen sich umzuhören, was aus dem einen und anderen seiner Übeltäter und Peiniger geworden war. Ob sie noch immer oben schwammen oder gesunken waren. Nun, einige schwammen noch, andere waren abgesunken, einige bis ganz nach unten. Manche in Sucht oder finanziellen Ruin, andere sogar ins Gefängnis.

Diese Erkenntnis half ihm, seine Abwärtsbewegung ins Gegenteil zu wenden. Langsam, aber stetig. Zuerst gingen seine Zweifel an Gott zurück und dass der womöglich auf der falschen Seite stünde. Eigentlich, konnte er feststellen, hatte er das auch nie geglaubt. An Geduld hatte es ihm gefehlt, an langem Atem, die Zeit abzuwarten.

Weil er sich nun nicht mehr gottverlassen und allein fühlte, gingen auch seine Selbstzweifel zurück. Er fand zu seinem Glauben zurück, von Gott geliebt zu sein. Das gab ihm Halt. Und dann Kraft, seine Fähigkeiten, seine Begabungen neu einzuschätzen, sich selbst neu zu schätzen. Besonders dafür, dass er seinen Werten, seinen Idealen treu geblieben war. Das hatte sich gelohnt. Zwar nicht für seine Karriere und auch nicht finanziell. Aber dafür, dass er allen Menschen gerade in die Augen blicken konnte, auch sich selber. Ein schneller Erfolg, der Beifall anderer - und seien es Massen - waren nur Momente des Glücks. Schnell gingen sie vorüber, weckten nur Hunger nach mehr davon. Ein Hunger, der unersättlich werden konnte. Und irgendwann nicht mehr zu stillen war. Dann war das Tal so tief wie der Berg hoch gewesen war.

Sicher, manche Höhe an Glücksgefühlen war ihm nicht vergönnt gewesen. Doch dadurch waren ihm Tiefen der Enttäuschung erspart geblieben. Er konnte zufrieden sein, und er war es nach seiner Bilanz. Zufrieden mit seinem Leben und im Frieden mit sich. Er fühlte sich im Frieden Gottes.

Der Dichter setze sich und griff nach seinem Schreibzeug. Gleich im ersten Vers sagte er, worum es ihm ging: „Lauter Güte ist Gott gegen Israel, gegen die, die reinen Herzens sind." Dann beschrieb und bewertete er seine Erfahrungen. Zum Schluss schrieb er: „Mein Glück aber ist es, Gott nahe zu sein; bei Gott dem Herrn habe ich meine Zuflucht. Alle deine Werke will ich verkünden." Und das tat er mit seinem Gedicht. Amen



Paul Kluge
Leer (Ostfriesland)
E-Mail: paul-kluge@live.de

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