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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Paul Gerhardt, 2007

EG 133 als geistlicher Weg in Gottesdienst und Predigt, verfasst von Thomas Ehlert

I Religiöse Erfahrung

Liebe Gemeinde!

Pfingsten steht zwar auf dem Kalender, aber der Geist weht, wann und wo er will. Ob im Sommer oder im Winter. Immer sind es gott- gefüllte Augenblicke. Sie können nicht erzeugt werden, so wie man Stimmungen erzeugen kann. Es geht in diesen kostbaren Augenblicken darum, dass sich persönlich-innerliche, durchaus auch gefühlsbetonte Klarheit einstellt, Erfahrungen eine einleuchtende Deutung finden. Es geht darum, dass  etwas innerlich gereinigt und heil wird, die Gestimmtheit des Vertrauens, von Geborgenheit und Zugehörigkeit geweckt, Tröstliches geschaut und Ermutigendes gehört wird. Es gibt Ereignisse, die mein persönliches Leben verwandeln und für die Kirche befruchtend sind. Ereignisse, wo Gottes Geist zu Gast ist in meinem Herzen. Pfingstliche Ereignisse.

Paul Gerhardt kommt in seiner Liedandacht zu dem Punkt, wo er jubelt: "Du bist ein Geist, der lehret, wie man recht beten soll; dein Beten wird erhört". Oder:

 "Du bist ein Geist der Freuden, von Trauern hältst du nichts, erleuchtest uns im Leiden  mit deines Trostes Licht". Oder: "Du bist ein Geist der Liebe". Jubel bricht sich in diesen Liedversen eine Bahn. "Hurra Schreie"- lyrisch geformt in schönen Tönen  und Takten. Solch Pfingstlicher Jubel  setzt ein, wenn wir pfingstliche Erfahrungen gemacht haben! Diesen Erfahrungen laßt uns auf die Spur kommen.

II Erfahrungen des Betens

Warum überhaupt beten, für andere und für mich selber? Warum Gott die Welt ans Herz legen? So mag man fragen. Das Gotteslob des Dichterpfarrers gibt die Antwort: "Du, Herr, hast selbst in Händen die ganze weite Welt, kannst Menschenherzen wenden, wie dir es wohlgefällt" ( EG 133,8) Diese Gewißheit auszusprechen und das zu glauben, ist schon ein Werk des Geistes in uns.

Beten. Es ist so einfach und zugleich so schwer. Manchmal fehlt mir die Zeit, das regelmäßig unterzubringen. Zuweilen kommt ein Stoßgebet über die Lippen. Es gibnt Zeiten, da bin  ich "gebetsmüde", fühle ich mich so schlapp wie ein Ball, dem man die Luft abgelassen hat. Manchmal fehlt mir Sammlung und Ruhe. Nervosität und Zerstreutheit breitet sich aus wie ein geistliches Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom. Manches gelingt mir nur halb.Den tröstlichsten Satz bei aller Halbheit unserer Gebete finde ich im Römerbrief (8,26). Dort heißt es: "Wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie es sich gehört. Der Geist selbst tritt für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern."  (Fulbert Steffensky) Also: Nicht unsere eigene Meisterschaft macht das Gebet wirksam aus, sondern: „In unserem Stammeln spricht der hl Geist, und wir haben mehr Sprache, als wir haben, weil die Gebete getragen sind vom Seufzen des Gottes- Geistes in uns." (Fulbert Steffensky) Aber noch in anderer Hinsicht sind wir davon befreit, die Manager  der eigenen Innerlichkeit sein zu müssen: Wir haben die Sprache von Generationen von Christenmenschen, in die wir uns flüchten, wenn unsere eigene Zunge schwer ist. Wir haben das Vaterunser, die Psalmen, die Gebete der Liturgie. Ich schlage Bibel und Gesangbuch auf und tauche ein. In diesem Kirchenjahr tauchen wir ein in den Sprachschatz des Gesangbuchdichters Paul Gerhardt. Ich denke:  Ein evangelischer Christenmensch kommt gut klar mit Gesangbuch und Bibel.

Es gibt Zeiten, da findet unser schwaches Herz zum Vertrauen, so daß ich sagen kann:  "Auch wenn ich den Weg nicht weiß, Vater, Du weißt den Weg für mich!" Ein pfingstlicher Moment ist das. Wenn ich sagen kann:  "Auch wenn ich vieles nicht verstehe, Vater, aber du meinst es doch am Ende gut mit mir, bist doch kein Krokodilsgott, der nur darauf wartet, micht zu fressen." Oder: "Wenn man "Abba, lieber Vater" sagen kann, und den Mund aufmacht und sagt: „Auch wenn ich Mist gebaut habe,so machst du Gott, wie der liebende Vater, wieder einen Neuanfang mit mir!"

Jesus sagte einmal: "Bittet, so wird euch gegeben... Wo gäbe es einen Vater, der nur einen Stein herausrückt, wenn ihn sein Sohn um ein Brot bittet?" (Mt 7,7.9)  Diese Verheißung  macht Mut !  Rede so, wie dir der Schnabel gewachsen ist. Du bekommt das, was Gott Dir zu einer bestimmten Zeit als Lebenshilfe zukommen lassen will, und sei es ein Apfel. Gott antwortet manchmal anders, als wir uns das gedacht haben, aber er antwortet, und das wird einem oft erst sehr viel später klar.

Wir kommen unseren eigenen Gebetserfahrungen auf die Spur.

Es gibt Stunden, da stellt sich die Gewißheit ein: "Danke, Herr dass Du mich erhört hast!" Dann ist einem zum Jubeln zumute.. Lassen Sie uns  Strophe 5 singen

Du bist ein Geist, der lehret,
wie man recht beten soll;
dein Beten wird erhöret,
dein Singen klinget wohl,
es steigt zum Himmel an,
es läßt nicht ab und dringet,
bis der die Hilfe bringet,
der allen helfen kann.

III  Erfahrung der Freude

Freude- was ist das? Wenn ein Kind mit anderen im Spiel jauchzt; wenn zwei sich umarmen; Geschwister einvernehmlich das Erbe teilen; Menschen begeistert musizieren, ein großer Chor erschöpft und glücklich ist, dass Gutes gelang; wenn ein Kind geboren ist; wenn Menschen sich wieder versöhnen; wenn einer eine Prüfung bestanden hat; man wieder Arbeit fand; oder endlich Frieden zwischen zwei Familien anfängt . Da ist mehr als nur Spaß, da kommt Freude auf!  Lerne zu unterscheiden zwischen Spass und Freude. Viele Menschen verstehen den Unterschied zwischen Spaß und Freude nicht. Viele versuchen Freude zu finden, indem sie Spaß haben, aber diese beiden Gefühle sind nicht das gleiche. Spaß währt nur einen flüchtigen Augenblick, aber Freude ist etwas Dauerhaftes.

 Paul Gerhardt ist als „Dichter der Freude und des Trostes" bekannt geworden. Trotz allem Schwerem, trotz allen Leides fordert er uns immer wieder auf, genau hinzusehen und das Schöne im Leben zu sehen. Freude, so weiß er, Freude stellt sich nicht ohne Weiteres ein. Sie will gesucht werden. Der Blick muss darauf gelenkt werden: "Geh aus mein Herz und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben; schau an der schönen Gärten Zier  und siehe, wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben." (EG 503,1) Der Duft einer Blume, der Blick in eine zauberhafte Landschaft, können das Herz erfreuen. Wieviel Quellen für Freude hat das Leben! Im Gewächshaus des Hobbygärtners sieht man die prangenden Tomaten, die üppigen Gurken.  Behagen stellt sich im Kopf des Gärtners ein, wenn er das anschaut. Das Danken kommt fast von selbst.

Einer der Lebenskunstmönche der römischen Kirche schrieb: "Das Glück der Menschen- ich habe seine tiefsten Gründe gesucht, und das habe ich herausgefunden: der Grund liegt nicht im Geld, nicht im Besitz, nicht im Luxus, nicht im Nichtstun, nicht im Geschäftemachen, nicht im Leisten, nicht im Luxus. Bei glücklichen Menschen fand ich als Grund tiefe Geborgenheit, spontane Freude an den kleinen Dingen, eine große Einfachheit. Bei glücklichen Menschen fehlt die verrückte Gier. Niemals fand ich bei glücklichen Menschen, dass sie ruhelos, gehetzt, getrieben waren, niemals den Hang zur Selbstherrlichkeit. Gewöhnlich besaßen sei eine ordentliche Portion Humor." (Phil Bosmans).

Freude hat mit Geborgenheit zu tun. Letzlich mit dem Trost des Glaubens. Dieser Trost ereignet sich, immer dann, wenn  ein heilsamer Lebensfluss in Gang kommt: wenn die Trauer und alle das Leben zerstörenden Machtbeziehungen aus meinem Lebenszentrum herausfließen wie Eiter aus der Wunde und die Freude Gottes einkehrt. Ein neuer Geist breitet sich aus, wenn das unruhige Herz zur Ruhe kommt, und Frieden findet in der Zusage : "Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann." (EG 361,1):  Vor dir verschlossene Türen, dunkle Wände, bei Gott aber Licht und Pläne. Vertrau darauf, daß sich Gottes Gedanken viel mehr mit deinen Angelegenheiten beschäftigen als du selbst es tust. Und wenn Du vor verschlossenen Türen stehst; dann schau ! Irgendwo hat Gott bestimmt ein Fenster für dich aufgemacht!  Der Blick reicht beim Dichterpfarrer über das irdische Glück und die menschliche Freude hinaus: Er schreibt "Mein Herze geht in Sprüngen und kann nicht traurig sein, ist voller Freud und Singen, sieht lauter Sonneschein. Die Sonne, die mir lachet,  ist mein Herr Jesus Christ; das, was mich singen machet, ist, was im Himmel ist." (EG 351,13).  Als mächtigen Sterbetrost formuliert Paul Gerhardt im Blick auf Gott:: "Du aber, meine Freude, du meines Lebens Licht, du ziehst mich, wenn ich scheide, hin vor dein Angesicht ins Haus der ewgen Wonne, da ich stets freudenvoll gleich wie die helle Sonne mit andern leuchten soll." ( EG 529, 11)   Paul Gerhardt ist im Gespräch mit Gott, und indem er seine Dichtung niederschreibt und wir sie singen, zieht er unsere Seele ins Gespräch mit Gott. Wir haben einen Gott, der tröstet und einen Gottesgeist, der „unserem Geiste manch süßes Trostwort" (EG 351, 9) zuspricht  

Lassen Sie uns Strophe 6 singen

 Du bist ein Geist der Freuden,
von Trauern hältst du nichts,
erleuchtest uns im Leiden
mit deines Trostes Licht.
Ach ja, wie manches Mal
hast du mit süßen Worten
mir aufgetan die Pforten
zum güldnen Freudensaal

 

IV Erfahrungen der Liebe

Es gibt kostbare Momente, in denen etwas in Ordnung kommt:  Der göttliche Geist kann uns zeigen, daß wir einen Menschen tief verletzt haben, aber er kann uns auch das rechte Wort geben, das uns wieder mit dem anderen vereint. Er kann bewirken, daß wir  jemanden aufnehmen, den wir menschlich nicht lieben oder gar hassen oder der uns gleichgültig war. Der Gottesgeist kann unsere heimlichen Aggressionen umwandeln, kann uns befreien von verborgener Feindschaft gegen jene, von denen wir uns verletzt fühlen. Er kann uns die Kraft verleihen, falsche Ängste abzutun, und die Angst, die zum Leben selbst gehört, auf uns zu nehmen. Der Geist Gottes kann uns plötzliche Einsicht schenken in den Weg, den wir einschlagen müssen, und uns die Augen öffnen, so daß wir die Welt in einem neuen Licht sehen. Lassen Sie uns Strophe 7 singen:

Du bist ein Geist der Liebe,
ein Freund der Freundlichkeit,
willst nicht, daß uns betrübe
Zorn, Zank, Haß, Neid und Streit.

Der Feindschaft bist du feind,
willst, daß durch Liebesflammen
sich wieder tun zusammen,
die voller Zwietracht seind.



Pfarrer Thomas Ehlert
Berne
E-Mail: ehlnet@web.de

Bemerkung:
Gottesdienst mit Taufgedächtnis zum Pfingstmontag 2007


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