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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Fußball-Weltmeisterschaft, 2014

Von der Kunst des Siegens!, verfasst von Ralph Kunz

Predigttext:
Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben. Wisst ihr nicht, dass die, die in der Kampfbahn laufen, alle laufen, aber nur einer den Siegespreis empfängt?
Lauft so, dass ihr ihn erlangt.
1. Kor. 9,23-24(27)

 

 

Paulus ist kein Sportmuffel

 

Wer meint, Sport - und erst recht Weltmeisterschaften - seien etwas Modernes, irrt. Dass sich Menschen im Wettkampf messen, ist eine uralte Sache. Grosse Spiele gab es schon in der Antike. Zum Beispiel in Korinth, der griechischen Hafenstadt, in der Paulus zeitweise lebte. In Korinth gab es ein bedeutendes Gymnasium. Gymnasien und Gymnastik - man hört denselben Wortstamm: gymnazo heißt ‚üben', ‚turnen' oder ‚schulen'. Damals waren es vor allem die jungen Männer, die sich geübt haben: im Wettsingen, Theaterspielen, Pferderennen, Laufen, Ringen und Boxkampf. Vielleicht haben sie in den Pausen auch mit einem Lederball herumgekickt - das weiss ich nicht. Korinth war jedenfalls der Austragungsort der Isthmischen Spiele zu Ehren des Poseidon. Die waren schon ‚antik' - ungefähr 600 Jahre alt - als Paulus ihnen beiwohnte. Die Isthmischen Spiele wechselten ab mit den Olympiaden, die wir ja noch heute kennen.

Paulus selbst kam aus Tarsus. Das war verglichen mit Korinth ein Provinznest. Ob es dort auch Gymnasien gab, ist mir nicht bekannt. Ich vermute aber, dass der ehemalige Pharisäer keine spezielle Neigung zu diesen griechischen Sitten und deren Festspielen hatte. Nackte Männer, die sich mit kaltgepresstem Olivenöl einschmieren, rumrennen und auf die Nase geben. Ein anständiger Jude hält sich davon fern! Umso erstaunlicher ist es, dass Paulus die Korinther auf die Spiele anspricht. Und nicht etwa, um sie vor dem schändlichen Tun zu warnen. Nein, er sagt: „Nehmt Euch die Gymnasiasten zum Vorbild. Wie die rennen! Wie die kämpfen! Es kann ja nur einer gewinnen. Also geben alle ihr Bestes. Den vollen Einsatz, die ganze Hingabe."

Das ist einerseits erstaunlich, schaut man auf die Herkunft des Paulus; es ist andererseits verständlich, hört man auf den Kontext der Aussage. Der Apostel will seine Korinthern daran erinnern, dass er als ein freier Evangelist gekommen ist - ohne Geld zu verlangen und eine Partei zu bevorzugen. Den Juden zuliebe hat er das Gesetz befolgt, den Griechen zuliebe das Gesetz vergessen, weil er sich mit Leib und Seele dem Evangelium verschrieben hat. Alles dient diesem Ziel. Auch das Bild, das er hier verwendet. Der Apostel ist doch ein Streiter für die gute Sache.

Aber stimmt das Bild? Ist christliches Leben mit dem Sport vergleichbar?

Es gibt Ausleger, die meinen, Paulus sei hier nicht auf seiner rhetorischen Höchstform gelaufen. Das Bild ist mehr als schräg. Hat nicht der Herr am Kreuz gelitten? Sieht so ein Sieg aus? Und macht Paulus nicht selber auf die Kreuzgestalt der Nachfolge aufmerksam? Das Bild ist tatsächlich spannungsvoll, aber es blitzt - gerade deshalb - etwas Wahres auf. Es geht hier um die Haltung. Wer kämpft, will siegen. Die Hoffnung und Zuversicht befeuert den Einsatz.

Und um diese Haltung geht es Paulus. Offensichtlich sieht er sie - zumindest in Ansätzen - im sportlichen Wettkampf. Wofür immer sie kämpfen, diese Gymnasiasten, sie kämpfen als gehe es um ihr Leben. Tatsächlich kämpfen sie um Ruhm und Ehre. Konkret ging es in den Isthmischen Spielen um einen Siegerkranz. Er bestand aus Kiefernzweigen. Manchmal wurden auch die Palmen gereicht, und es gab öffentliche Bekränzungen und öffentliches Lob für die Gewinner. Paulus kommt auf diesen Preis zu sprechen. Er sagt: „Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen." (V. 25)

Siegesgewiss und Treffsicher

 

Welch schöne Wendung und welch starkes Argument! Wenn andere für ein kümmerliches Kiefernkränzchen ihren Leib schinden, warum sollten wir, die wir doch einen unvergänglichen Siegeskranz bekommen, uns dafür zu schade sein! Was daran schön ist? Die Siegesgewissheit! Den Korinthern - und allen späteren Leserinnen und Lesern - müsste es jetzt wie Schuppen von den Augen fallen, dass das Bild irgendwie schief ist. Warum sollen solche, die den Sieg in der Tasche haben, denn noch laufen? Ist ihnen nicht alles geschenkt? Müssen sie dem Heil nachspringen, als gälte es, ihr Leben zu retten?

 

Eben nicht! Das ist ja der Unterschied. Wenn einer um sein Leben rennt, rennt sie oder er davon. Aus Angst. Et voilà! Das Evangelium verspricht einen Preis für Sieger. Das ist nicht der rettende Hafen für Flüchtende - es ist ein Titel, der denen verliehen wird, die starten. Darum sagt der Apostel: „Ich aber laufe nicht wie aufs Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt."

 

Am Ende entgleitet dem Apostel die Metapher ein wenig, wenn er fortfährt: „sondern ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde." Paulus knüpft wieder an die Vorrede an, in der es um seine Existenz als Apostel geht. Man könnte hier zwischen den Zeilen lesen, ‚ich mach das alles nur, um Euch ein Vorbild zu sein. Ich könnte es auch einfacher haben - mit weniger Einsatz kämpfen, mir eine Frau als Begleiterin suchen oder mich von Euch zahlen lassen. Aber das tue ich alles nicht, weil ich wie ein Gymnasiast oder ein Aszet meinen Leib für einen Preis schinde, den mir niemand nehmen wird.'

Das ist ziemlich paradox und schwer zu verstehen. Aber wir wollen nicht den Schiedsrichter markieren, der Paulus für mangelnde rhetorische Treffsicherheit eine schlechte Note erteilt. Das Paradoxe ist ja Teil der Botschaft. Es lässt nicht ganz ins Bild zwängen. Und vielleicht ist das, was unten und oben nicht in den Rahmen passt, ganz aufschlussreich.

Für etwas kämpfen, das man schon hat, ist verrückt, aber nicht reizlos. Ist es nicht das Wesen des Spiels? Es gibt einen heiligen Ernst, klar, aber der ist nicht todernst - auch nicht bierernst. Er ist dem Spiel näher als dem Krieg. Und seine Hoffnung hat mehr mit Olympiaden zu tun als mit Plänen oder Programmen für eine bessere Welt. Wenn das der jüdische Sportmuffel merkte, warum sollen Christenmenschen im 21. Jahrhundert es nicht merken?



Nach dem Spiel ist vor dem Spiel - ein Nachspiel aufs Vorspiel

 

Bleibt noch die Frage, warum wir mitspielen, obwohl wir es nicht müssten. Die Antwort macht dem rein pragmatischen Verstand Muskelkater. Sie bringt aber jemanden, der die Leidenschaft kennt, kaum in Verlegenheit. Das Heil, für das uns Gott bereitet hat, lockt uns, weckt und reizt uns, alles zu geben, was wir haben, weil wir jetzt schon davon leben. Wir rennen, als ob wir noch etwas gewinnen müssten, weil wir unseren Titel verteidigen.

Die Freude ist der Antrieb - auch dann wenn wir scheinbar im Rückstand sind. Denn es ist vollbracht! Also ist vor dem Spiel nach dem Spiel und nach dem Spiel wie vor dem Spiel.

 

Oder doch nicht ganz?

 

Bei jeder Fussballweltmeisterschaft gibt es einen Sieger. Die anderen sind deswegen keine Verlierer. Und den Titel Weltmeister trägt eine Mannschaft mit einer Jahreszahl. Deutschland wird Fussballweltmeister 2014. Gratuliere! Der nächste Meister kommt bestimmt. 2018 wird es die Schweiz sein. Ich bin da ziemlich sicher.

 

Aber - im Ernst - und wenn's so wäre, wen kümmert es? Es ist doch nur ein Spiel. Nicht nur der Fussball, auch unser Wirtschaften, unser Üben, Turnen und Schulen. Alles ist nur Vorspiel! Das ist dem heilig evangelischen Ernst bewusst. Er geniesst das Vorspiel, weiss die Fülle, die jetzt schon ist und den Glanz, der jetzt schon aufscheint, zu schätzen. Er singt mit den Singenden, lacht mit den Lachenden und freut sich mit den Siegern. Aber auch der Verlust gehört zum Vorspiel. Das Leid und die Wut über die Niederlage. Der heilige Ernst weiß auch das und weint mit den Weinenden.

 

Für den heiligen Ernst des Evangeliums ist es matchentscheidend, dass das Vorspiel ein Vorspiel ist und ein Nachspiel hat. Der heilige Ernst hofft auf ein Endspiel, bei dem der Sieger sich in seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit zeigt.

 

Jetzt fragen wir: Was wird hier eigentlich gespielt? Dann schauen wir, was gefeiert wird. Dass all denen, die sich jetzt zu den Verlierern zählen und es damit bitterernst meinen, einmal der Kranz überreicht wird.

 

Amen

 



Ralph Kunz
Winterthur, Schweiz
E-Mail: ra.kunz@bluewin.ch

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