Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Paul Gerhardt, 2007

„Geh aus mein Herz und suche Freud", verfasst von Rudolf Schmidt

Liebe Gemeinde!

1653 ist Paul Gerhardts Lied in einem Berliner Gesangbuch zum ersten mal veröffentlicht. Er wird es kurz vorher gedichtet haben.
Wir lassen uns an diese Zeit erinnern: 1648, fünf Jahre vorher, war der 30jährige Krieg zu Ende gegangen. Fromme Christen haben den Frieden als Bußruf zur Umkehr erlebt, - und die deutschen Länder brauchten Jahrzehnte, um die Kriegsschäden zu überwinden. Bittere Armut herrschte auf dem Lande, es gab zu wenig Menschen, die arbeiten und das Land bebauen konnten, denn es war ja alles zerstört und oft auch verwahrlost. In diesen Nachkriegjahren bekam Paul Gerhardt eine Stelle als Probst in Mittenwalde im Spreewald und hat 1652 geheiratet. Das ist die Zeit der Entstehung diese Sommerpsalms!

„Geh aus mein Herz" - so beginnt dieses Lied. Das ist nicht so dahingesagt, denn das Herz hat hier eine große inhaltliche Bedeutung. Gemeint ist nicht das Herz als Beweger für unseren Blutkreislauf,sondern Herz - „geh aus mein Herz" - da ist das Zentrum des ganzen Menschen gemeint, der Ort wo Gott sein Wort als sein Wort offenbar macht, - es ist die Wohnung Gottes bei den Menschen, die geistliche Lebenszentrale.

Wenn Paul Gerhardt sich also ermuntert, - dann weiß er sich von Gottes Wort geleitet, von biblischen Bezügen, - und natürlich auch von dem, was er  als Christ gelernt hat, etwa im Katechismus Martin Luthers. Da heißt es in Luthers Erklärung zum Glaubensbekenntnis: "Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat, samt allen Kreaturen" - und um diese Kreaturen Gottes geht es, wenn Paul Gerhardt sich auffordert:     
„Geh aus mein Herz und suche Freud
in dieser lieben Sommerzeit
an deines Gottes Gaben"
.
Mit Freude ist nicht das Vergnügen gemeint, - sondern hier geht es um ein Schauen dessen, was Gottes Schöpfermacht uns sehen läßt:
„Schau an der schönen Gärten Zier
und siehe wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben."

Also nicht einfach losrennen, sondern sich die Augen öffnen lassen für das, was Gott um uns herum geschaffen hat, wenn wir hinausgehen, - um den Kiessee, zur Mackenröder Spitze, in den Hainberg, zur Plesse oder das schöne Eichsfeld,
oder auch in den eigenen Garten, wo jetzt die Dahlien so besonders schön blühen und die Herbstanemonen!
Narzissus und die Tulipan,
die ziehen sich viel schöner an
als Salomonis Seide" 
- wir hören hier natürlich den Bibeltext aus der Bergpredigt: „ Schauet die Lilien auf dem Felde oder die Vögel unter dem Himmel" -doch ich glaube, hier ist Paul Gerhardt noch viel tiefsinniger als wie zunächst wahrnehmen: Die Tulpen waren zu Paul Gerhardts Zeit eine neue Blume, die zu horrenden Preisen gehandelt wurde,- und wenn der große Kurfürst in  seinem Berliner Lustgarten Tulpen und Narzissen pflanzte, dann war das sicher auch ein sichtbares Zeichen seines Reichtums, aber der wird von Paul Gerhardt nun doch relativiert: Sie sind besser als die Seide, in die König Salomo sich kleidete!

Es ist ein breites Feld an Gedanken, die Paul Gerhardt hier in den Sinn kommen: er beschreibt nicht das, was er beim Sonntagsspaziergang- wenn er ihn denn überhaupt machte- zu sehen bekam, sondern er hält sich auf der einen Seite an Traditionen der Überlieferung, die schon in der Antike ähnlich dargestellt wurden, aber Paul Gerhardt ergänzt diese Weltdarstellung nun mit eigenen Beispielen, die nicht zur Tradition gehören: der Storch zum Beispiel,  oder die Glucke mit ihren Küken, - und ich bin mir gar nicht so ganz sicher, ob er mit der Nachtigall nicht auch ein klein wenig an sich selbst gedacht hat: Martin Luther als die Wittenbergisch Nachtigall, - und Paul Gerhardt, - er hatte ja die neue Dichtkunst auch in Wittenberg gelernt, und seine Lieder verbreiteten sich schnell in Deutschland. -
die hochbegabte Nachtigall
ergötzt und füllt mit ihrem Schall
Berg, Hügel, Tal und Felder, -
wie gesagt, ein kleinbischen mag Paul Gerhardt dabei auch an seine Lieder gedacht haben.
„Der Weizen wächset mit Gewalt" - Kartoffeln, die lebensrettende Grundnahrung späterer Jahre, kannte Paul Gerhardt noch nicht, aber wenn der Weizen wächst, dann ist es ein Zeichen der großen Güte
„des, der so überflüssig labt
 und mit so manchem Gut begabt
das menschliche Gemüte!"

So zieht vor dem inneren Auge die sommerliche Welt vorüber und Paul Gerhardt nimmt sie dankbar wahr als Zeichen der Gnadengegenwart Gottes.
Erst in der achten Strophe kommt Paul Gerhardt nun wieder selbst vor:
„Ich selber kann und mag nicht ruhn,
des großen Gottes großes Tun
erweckt mir alle Sinnen."

Vielleicht ist dies eine poetische Umschreibung von Luthers Satz aus dem kleinen Katechismus: „Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen."
Jedenfalls ist Paul Gerhardt in lutherischer Theologie gut zu Hause, hat er doch 12 Jahre in Wittenberg studiert

Und er hat es nicht nur gelernt, er lebt und dichtet es auch aus ganzem Herzen.
Die Bilder dieses irdischen Gartens, den er in seinen Versen vor uns erstehen läßt, soll uns auf Gott den Schöpfer und  den himmlischen Garten verweisen.

Paul Gerhardt erlebt und versteht seine Umwelt, die Natur, die er uns in seinem Lied vorstellt, nicht wie manche Menschen heute, die meinen, im Waldesdom Gott näher zu sein als etwa in einem Gottesdienst oder zu Hause. Nein, ihm ist die ganze Natur, die er vor uns ausbreitet, Zeichen der Schöpfungsmacht und Güte Gottes und sie wird es für ihn, weil er als Christ von Gott etwas weiß, von seiner Kraft, die die ganze Welt erschaffen hat.

Mit der 9, Strophe folgt nun aber eine neue, ganz andere Blickrichtung:
"Ach denk ich" - beginnt Paul Gerhardt - und dieses „denk ich" meint kein vernunftgeprägtes, philosophisches Nachsinnen, sondern ein Sprechen des Herzens, das von Erfahrung und Hoffung geprägt ist. Weil diese Schöpfung Gottes so zum Lobe Gottes anreizt und aufruft, darum kann ich meine Gedanken noch einen Schritt weiter führen. Doch Paul Gerhardt tut es ganz vorsichtig
"was will doch wohl im Himmel sein, ...
wie muß es da wohl klingen"

Es sind ganz zurückhaltende Folgerungen, die Paul Gerhardt aus dem Nachsinnen und Betrachten der schönen Gärten Zier vor seinen Augen  zieht: Am deutlichsten vielleicht und am auffälligsten auch in den jubelnden Versen über die schöne Gottesnatur, wenn in der 9. Strophe plötzlich von dieser „armen" Erde die Rede ist. Das wird nur verständlich und sinnvoll im Blick,  im Schauen auf das „Güldene Schloß" und „reiche Himmelszelt", mit dem Paul Gerhardt seine Hoffnungen auf das Himmelreich umschreibt.

Die Hoffnung des Glaubens macht also alle Schönheit dieser Erde im Blick auf das zu erwartende Reich zur „armen Erde", aber gerade diese Schönheit dieser armen Erde gibt der Hoffnung des Glaubens Bilder und Kraft. Die Seraphim sind ja schon beim Propheten Jesaja genannt, aber sonst umschreibt Paul Gerhardt seine Hoffnung nur mit großen Worten, die aber um so schöner und leuchtender dastehen:
            „Welch hohe Lust, welch heller Schein
wird wohl in Christi Garten sein,
wie muß es da wohl klingen..."

In Strophe 11 kommt nun ein ganz starkes Jenseitsverlangen, das aus den Erfahrungen seiner Zeit nur zu verständlich ist, zum Ausdruck:
"O wär ich da, o stünd ich schon,
ach süßer Gott, vor deinem Thron"

Vielleicht  ist uns der Ausdruck "Ach süßer Gott" etwas ungewohnt und fremd, aber Theologen seiner Zeit, wie der damals berühmte Johann Arnd, den Paul Gerhardt sorgfältig gelesen hat, benutzten diese Aussagen häufig, so dass es zu Paul Gerhardts Zeit nichts Ungewöhnliches war.

Diesen Ausflug ins Jenseits beendet Paul Gerhardt aber sogleich wieder,
indem er feststellt: "noch lebe ich hier auf dieser Erde, noch trage ich des Leibes Joch", - mit all den Erfahrungen, die die Kriegzeit zur Folge hatte, - und doch: Er wird deswegen nicht stille schweigen, sondern
"mein Herze soll sich fort und fort
 zu deinem Lobe neigen".

Das Lied schließt mit einem Gebet um Gottes Segen, damit er dem Willen Gottes gemäß leben und dereinst auch selig sterben kann.  Es ist die große Kunst Paul Gerhardts, dass er in diesem Gebet Inhalte aus den ersten Strophen seines Liedes wieder  aufnimmt:
Dass ich dir stetig blühe
Der Sommer deiner Gnad
Dass ich dir werd ein guter Baum
Dass ich deines Gartens schöne Blum und Pflanze möge bleiben
Und schließlich:
„Und laß mich bis zur letzen Reis
An Leib und Seele grünen"

So kommt in diesem Gebet in den Schlußstrophen des Sommerliedes das ganze Nachdenken des Herzens zum Ziel, die Liebe Gottes, die das Herz so erfüllt, dass es Gottes Güte wahrnimmt in dieser lieben Sommerzeit, die wird auch die Bitte erfüllen und ihn zur Pflanze in Gottes schönem Garten erblühen lassen.

So ermuntert uns dieses große Lied Paul Gerhardts, auch in unserem Leben Gottes Schöpferkraft und Schöpfergüte zu sehen und wahrzunehmen, zu erkennen und unser ganzes Leben davon  so erfüllen und prägen zu lassen, das wir in das Lob Gottes des Schöpfers einstimmen, - aus ganzem Herzen.
Amen.



Rudolf Schmidt
Göttingen

E-Mail: p.rudolfschmidt@web.de

(zurück zum Seitenanfang)