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ISSN 2195-3171

kirchenjahreszeitlich, 2015

Jahreslosung 2016, verfasst von Ulrich Nembach

Liebe Gemeinde,

der kleine Gerhard und seine Mutter sind zu Hause. Sie sind erst vor kurzem aus der Kita gekommen. Der kleine Gerhard war erst heute wieder dort gewesen. Vorher war er zu Hause geblieben, weil er Fieber hatte. Seine Mutter war zu Haus bei ihm geblieben. Nun ging es wieder. Der Vater wird erst zum Wochenende wieder kommen. Er ist auswärts auf Montage. Da ertönt ein Schrei. Der Kleine hat sich an einer Ecke gestoßen und weh getan. Die Mutter geht hin, besieht sich die Stelle am Kopf, wo Gerhard sich gestoßen hat. Es ist nicht weiter schlimm. Sie redet mit Gerhard, streichelt ihn und gibt ihm dann noch einen Kuss, kurz: sie tröstet ihn. Dann geht sie wieder und antwortet auf eine lange Mail ihrer Freundin, die seit nun 4 Wochen im Ausland lebt.

So, liebe Gemeinde, beschreibt der Prophet Jesaja (Jes.66,13) das Verhältnis Gottes zu uns. Hören Sie: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“

I.

Der Text ist die Jahreslosung für 2016. Mit diesen Worten beschreibt der Prophet knapp, was letztlich die ganze Bibel sagt. Gott tröstet uns; er kümmert sich um uns; er lässt uns nicht allein; er hilft uns, wenn wir Hilfe brauchen.

Das beginnt gleich auf den ersten Seiten der Bibel. Gott fragt Kain, der gerade seinen Bruder erschlagen hat:

Wo ist dein Bruder Abel? Er sprach: Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein? Er aber sprach: Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde.“ (Gen. 4,9f).

Gott sorgt sich selbst um den toten Abel.

Später, ich mache einen großen zeitlichen Sprung, als Israel aus der Gefangenschaft in Babylonien zurückgekehrt war und im Land noch Vieles im Argen lag, da sagte Jesaja, dass

Gott wie eine Mutter tröstet.

Aus den blühenden Landschaften von einst war ein wüstes Land geworden. Der nötige Aufbau kam nur langsam voran. Wir kennen das. Es sind erst gut 25 Jahre her seit der Wiedervereinigung. Manche Hilfe und auch mancher Trost waren notwendig, um diese Zeit zu überstehen. Schon das Wort von den Ossis und Wessis war wie eine harte Nuss, die zudem immer wieder geknackt werden wollte.

Noch später, ich mache wieder einen zeitlich Sprung, gab es ein großes Ereignis. Gott ließ etwas Gewaltiges geschehen. Wir feiern es bis heute und haben es gerade gefeiert, Weihnachten. Gott schenkt der Welt seinen eigenen Sohn. Die Bibel und zwar Johannes sagt davon:

Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ (Joh. 3,16).

Gott tut noch mehr als eine tröstende Mutter. Die Mutter vom kleinen Gerhard kam, half, als er sich gestoßen hatte. Sie war zu Hause geblieben, als Gerhard krank war. Gott schenkt seinen Sohn. Eine gigantische Rettungsaktion. Wir wissen, was Rettungsaktionen kosten. Wir Deutsche haben ein Schiff ins Mittelmeer geschickt, damit es Flüchtlinge aus dem Meer rettet. Viel Aufwand, um Menschen vor dem Tode zu bewahren. Gott handelt im globalen Maßstab und nicht nur lokal im Mittelmeer. Ja, er schafft den Tod ab. Es sterben Menschen, aber es ist kein ewiger Tod. Darum werden wir bald Ostern und dann Pfingsten feiern. Ostern durchbricht Jesus den Tod. Seitdem begrüßen sich Christen am Ostermorgen: „Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden“. Um das alles verstehen zu können, um getröstet zu werden, wenn wir leiden, kommt dann Gottes Geist. Er wird deshalb auch Tröster genannt (Joh. 14ff).

 

Liebe Gemeinde, was tue ich? Ich zitiere andauernd die Bibel. Ist das nicht etwas viel Bibel heute Morgen? Ja, wir sind im Gottesdienst, und das ist der Ort der Bibel, aber muss es so viel Bibel sein? Die Jahreslosung ist ein Vers, genau genommen nur ein halber Vers, wie Sie schnell feststellen werden, wenn Sie nachschlagen. Ja, lang ist die Jahreslosung nicht, aber sie hat es in sich. Wir kennen auch sonst kurze Aussagen. Ein einziges Wort verändert das Leben von einem Mann und einer Frau, wenn sie vor dem Traualtar stehen und „Ja“ sagen. Auf dem Standesamt müssen die Brautleute nach der Trauung unterschreiben, dass sie getraut sind. Derjenige Teil des Paares, der den Namen des oder der angenommen hat, unterschreibt mit dem neuen Namen! Ja – nur dieses eine Wort hat alles verändert. Gottes Trost verändert ebenfalls alles und zwar heute und morgen und ewig.

II.

Zurück zur Tröstung Gottes! Wir sahen, dass Gott umfassend sich um uns sorgt und so uns tröstet. Selbst angesichts des Todes tröstet er. Im Alltag geschieht das ähnlich umfassend. Der Trost geht weit über das hinaus, wie die Mutter den kleinen Gerhard tröstet. Ich wähle als Beispiel ein Ereignis aus Martin Luthers Leben. 2017 wollen wir 500 Jahre Reformation feiern. Luthers Landesvater wurde aktiv. Er sorgt sich um Luther. Wir schreiben das Jahr 1521. Es ist Frühjahr. Im April tagte der Reichstag in Worms. Luther war vorgeladen worden. Der Kaiser hatte ihm Sicherheit zugesichert. Luther beharrte darauf, dass er nur Gründe der Schrift gegen sich gelten lasse. Die gab es nicht. Die Reichsacht wurde über Luther und seine Anhänger verhängt. Luther war in höchster Lebensgefahr. Dem kaiserlichen Sicherheitsversprechen für die Reise von Wittenberg nach Worms und zurück traute niemand, auch Luther nicht. 100 Jahre zuvor war Huss in Konstanz verbrannt worden trotz eines kaiserlichen Sicherheitsversprechens. Luthers Landesvater sorgte sich um Luther, wollte ihm helfen. Hilfe hieß hier, Luther in Sicherheit zu bringen. Trost sind nicht nur Worte, sondern auch Taten.

Wie konnte Luther geschützt werden? Damals boten Burgen den besten Schutz. Luthers Landesvater besaß eine im Westen seines Landes bei Eisenach, die Wartburg. Hierhin ließ er Luther bringen. Das ganze Unternehmen musste sorgfältig geplant und durchgeführt werden. Zuviel stand auf dem Spiel. Auch galt es Luthers Leben weiterhin zu schützen. Was hätte es genutzt, Luther sicher wieder zurück nach Wittenberg zu bringen? Was tat also der Landesvater. Er ordnete eine Entführung Luthers auf die Wartburg an. Ein Trupp Reiter holte Luther vom Wagen, der ihn nach Wittenberg zurück bringen sollte und galoppierte davon. Die Begleiter wehrten sich nicht, waren wohl auch überrascht von der gut organisierten Aktion. Luther selbst war ebenfalls überrascht. Er dachte, dass jetzt seine letzte Stunde schlagen würde. Luther wurde sicher zur Wartburg gebracht. Hier gab es ein weiteres Problem. Auch das hatte Luthers Landesvater, Kurfürst Friedrich der Weise, bedacht. Luther durfte nicht entdeckt werden. Luther musste deshalb eine neue Identität bekommen. Er wurde zu einem jungen Ritter und erhielt einen neuen Namen. Fortan war er Junker Jörg.

Die Ganze klappte dank guter Planung und Durchführung. Das galt auch für die Geheimhaltung. Freunde Luthers in Wittenberg, die sich Sorgen machten, nachdem Luther verschwunden war, fragten bei Hofe nach, sie erhielten keine Auskunft. Wie gut die neue Identität war und wie gut Luther seine neue Rolle spielte, wissen wir genau. Luther kehrte heimlich im März 1522 nach Wittenberg zurück. Dort herrschten chaotische Zustände. Die Reformation lief total aus dem Ruder. Der Kurfürst setzte Truppen in Marsch nach Wittenberg, um dort Ordnung zu schaffen. Luther erfuhr davon auf der Wartburg, verließ diese heimlich, kehrte nach Wittenberg zurück. In der Stadt war das nicht unbemerkt geblieben, aber Genaues wussten nur die allerwenigsten. Sonntags, es war der 9. März 1522, strömten die Menschen in die Kirche. Zu ihrem nicht geringen Erstaunen stieg Luther auf die Kanzel. Er war wieder da. Am meisten staunten zwei Schweizer Studenten, Johann Kessler und sein Freund. Sie waren gerade erst angekommen. Zuvor hatten sie auf ihrem Weg in Jena im „Schwarzen Bären“ übernachtet. Das Hotel mit demselben Namen existiert heute noch. Luther wohnte dort am 3.und 4. März 1522. Die Studenten hatten dort ein interessantes Gespräch mit einem jungen Ritter geführt . Nun stand dieser Ritter auf der Kanzel und war in Wirklichkeit Martin Luther.

III.

Fürsorge, Trost – wie eine Mutter bzw. im Fall von Martin Luther wie ein Vater, ein Landevater. Gott lässt uns diesen Trost zu Teil werden in großen Dingen und im Alltag. Diese Gewissheit dürfen wir ins neue Jahr 2016 mitnehmen.

1560 jubelte deshalb Nikolaus Herman in seinem Osterlied:

Drum wollen wir auch fröhlich sein,

das Halleluja singen fein,

und loben dich Herr Jesu Christ;

zu Trost du uns erstanden bist.    Amen



Prof.Dr.Dr. Ulrich Nembach
Göttingen
E-Mail: ulrich.nembach@theologie.uni-goettingen.de

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