Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171

diverse, 2007

Predigt zur Einführung als Pressesprecher der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, 3.9.2007, verfasst von Johannes Neukirch

Der Monatsspruch für September steht bei Matthäus im 16. Kapitel, Vers 26:

Jesus Christus spricht: Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?

Liebe Gemeinde,

na gut, es muss ja nicht gleich die GANZE Welt sein - aber ist das wirklich so schlimm, die Welt zu gewinnen - vielleicht nur ein kleines bisschen?? Wenn wir die volle Wucht des Satzes nehmen - was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne - dann sind wir schnell bei den üblichen Verdächtigen. Bei denen, die nun wirklich den Hals nicht voll bekommen können, bei den Superreichen, bei den Heuschrecken, bei den Mächtigen, bei den Kriegstreibern, bei den Ausbeutern und wer sonst noch in diese Reihe gehört. Und wir können uns ein wenig beruhigt zurücklehnen und bei uns denken - es nützt ihnen nichts, weil sie sicherlich Schaden an ihrer Seele nehmen, die Beispiele dafür sind ja täglich den Medien zu entnehmen.

Wo aber fängt das an mit dem Welt gewinnen? Reichen das Gehalt eines Pastors und all die weltlichen Dinge, die man davon kaufen kann, schon in die gefährliche Zone hinein? Spätestens nach einer eingehenden persönlichen Gewissenserforschung wird wohl kaum jemand behaupten, dass er völlig frei davon sei, wenigstens ein bißchen die Welt gewinnen zu wollen. Egal mit welchen Mitteln - mit Geld, mit Karriere, mit Macht, vielleicht sogar mit dem berühmten gewinnenden Charme.

Ich denke aber nicht, dass bei diesem Wort Jesu irgendwelche Abstufungen möglich sind. Wir können nicht sagen: ein bisschen die Welt gewinnen - geht noch, die halbe Welt gewinnen - schon gefährlich, die ganze Welt gewinnen: Schaden an der Seele nehmen. Martin Luther sagt es so: "Woran du nun dein Herz hängst und worauf du dich verlässt, das ist eigentlich dein Gott."

Es geht Jesus um unsere menschliche Grundhaltung, um unser Menschsein an sich. So wie er es direkt davor sagt: „Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden."

Die Antwort ist also klar: Nichts. Was hülfe es dem Menschen - nichts. Denn Schaden an der Seele zu nehmen, das ist hier sehr ernst gemeint. Es geht nicht um kleinere Beschädigungen, die vielleicht therapierbar wären. Die Seele ist in der Vorstellung des Neuen Testaments gleichbedeutend mit dem Leben. Schaden an der Seele nehmen, das heißt: das Leben verlieren. Oder, so fährt Jesus fort, „was kann der Menschen geben, womit er seine Seele auslöse"? Wieder heißt die Antwort: nichts. Der Mensch kann sich nicht selbst erlösen.

Auch wenn die Antwort klar ist, bleibt sie für unser Leben hart umkämpft und lassen wir sie ungern in ihrer ganzen Radikalität an uns heran. Denn uns bleibt ja gar nichts anderes übrig als in der Welt zu bleiben und uns zur Welt zu verhalten. Sogar Jesus musste das.

Es gibt eine biblische Geschichte, die uns das sehr schön demonstriert - das ist die Versuchung Jesu. Der Versucher führt Jesus auf hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! denn es steht geschrieben: „Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen."

Ja, so wie sich Jesus hier zur Welt und all ihren Versuchungen verhält, so wie er hier dieses „die ganze Welt und ihre Herrlichkeit gewinnen" in seine Schranken verweist, müsste uns das gelingen.

Ich gehe mal davon aus, dass wir nicht persönlich vom Versucher auf einen Berg geführt werden und er uns alle Reiche mit ihrer Herrlichkeit anbietet. Aber die Versuchungen, die wir in dieser Szene leicht phantasieren können, die sind uns wohl bewusst. Und ich denke, dass wir auch spüren, wie es Jesus gelingt, sie abzuwehren. Er ist ganz und gar von Gott erfüllt. Die Welt zu gewinnen, all die herrlichen Dinge haben bei ihm schlicht keinen Platz. „Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm alleine dienen" - darin ist er ganz bei sich selbst.

Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Nichts, es nützt ihm gar nichts. So klar diese Antwort ist, so schwer ist es, von der Welt Abstand zu gewinnen, nicht von ihr beherrscht zu werden, ihr gegenüber die Freiheit zu behalten.

Vielleicht sollten wir es aber mal von der anderen Seite aus betrachten: Wäre das nicht ungeheuer befreiend, die Welt nicht gewinnen zu wollen? Würden da nicht große Lasten von uns abfallen? Es ist doch gar nicht so einfach, ständig dem größtmöglichen Erfolg hinterherzulaufen. Es ist doch auch anstrengend, neidisch auf das Geld oder die Macht anderer zu sein. Es ist mühsam, nach Anerkennung zu heischen und immer eine gute Figur machen zu müssen. Es ist nicht schön, zu merken, wie wir auf Kosten anderer leben. Es ist manchmal erschreckend zu sehen, woran wir unser Herz hängen und wovon wir dann nicht mehr lassen können. Wie schön wäre es doch, wenn wir innerlich von all diesen Bindungen und Zwängen frei wären! Wie schön wäre es doch, wenn wir nicht beherrscht würden vom ständigen Weltgewinnen. Und in der Tat gibt es eine große Sehnsucht, davon befreit zu werden - in jeder besseren Fernsehzeitschrift werden inzwischen Hilfen zu einer neuen Lebenseinstellung angeboten. Diese Sehnsucht führt uns in die richtige Richtung!

„Christen sind in der Welt, aber nicht von der Welt" heißt es in einer frühchristlichen Schrift, „sie leben auf der Erde als Bürger des Himmels." Erstaunlich, wie hier geredet wird. Der Autor dieser Sätze stellt keine Forderung auf, er sagt es seinen Leserinnen und Lesern zu. Es ist so. Wir sind tatsächlich bei aller Bindung an die Welt schon Bürger des Himmels. Wir gehören zu dem, der die Welt überwunden hat, zu dem der sagt: „Folge mir nach!" Wir gehören zu dem, den wir bitten können, uns mit seinem Geist und mit seiner Kraft zu erfüllen. Er lässt uns in der Welt und befreit uns von der Welt. Je mehr er uns erfüllt, desto weniger lassen wir uns von der Welt beherrschen. Wo er Menschen mit dem Geist Gottes erfüllt, ist das Leben vor Schaden bewahrt.

Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Ich wünsche uns, dass uns diese Frage begleitet bei allem, was wir denken, sagen und tun. Sie wird uns vielleicht das ein oder andere Mal in unserem Eifer bremsen. Sie wird uns immer wieder dazu anhalten zu prüfen, woran unser Herz hängt. Sie wird uns aber vor allen Dingen stark und frei machen so zu reden und zu handeln wie es dem Satz: „Christen sind in der Welt, aber nicht von der Welt" entspricht.

Amen



Dr. Johannes Neukirch

E-Mail: johannes.neukirch@evlka.de

(zurück zum Seitenanfang)