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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Passionszeit , 2017

Sollt ich meinem Gott nicht singen? , verfasst von Wibke Klomp

  1. Sollt ich meinem Gott nicht singen? Sollt ich ihm nicht dankbar sein?

Denn ich seh in allen Dingen, wie so gut er’s mit mir mein’.

Ist doch nichts als lauter Lieben, das sein treues Herze regt,

das ohn Ende hebt und trägt, die in seinem Dienst sich üben.

Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb in Ewigkeit.

 

Gott zu singen ist, liebe Gemeinde, so eine Sache. Manchmal tun wir es gern und aus vollem Herzen, weil das Leben es in der Tat gut mit uns meint. Wir stimmen laut und mit Überzeugung in die Melodie von Johann Schop mit ein und lassen uns von ihr in stimmliche Höhen führen, zu Gott in der Höhe, in dessen Händen all unsere Zeit steht.

Ja, mag man manchmal rufen, Gott will ich in der Tat singen, weil ich die Erfahrungen des Lieddichters Paul Gerhardt teile: Gott meint es gut mit mir und den Meinen. Ich habe wahrgenommen wie er in meinem Leben gegenwärtig war, auch wenn es mir in dem Moment vielleicht gar nicht so bewusst war: Jeder und jede wird hier eigene Erfahrungen haben, vielleicht: Gott hat mir einen Lebenspartner zur Seite gestellt, der es gut mit mir meint, er hat mir Kinder und Enkel geschenkt, die mein Herz erfreuen, er hat uns gemeinsam stark gemacht, eine schwere Krankheit zu tragen. (…)

Aber ein anderes Mal, vielleicht auch heute, mag ich das Lied gar nicht mitsingen. Verstockt meine Stimme regelrecht, weil die Dinge um mich herum so sind, dass ich mich frage, wo Gott denn eigentlich ist, wenn er es doch gut mit mir meint. Nein, ganz ehrlich, als „gut“ nehme ich gar nichts wahr. Im Gegenteil. War Paul Gerhardt, so weltfremd, dass er dies alles ausgeblendet hat? Nein, wohl kaum, eher im Gegenteil. Er stand mitten in der Welt, erlebte die Wirren des 30 jährigen Kriegs, in der Hunger und Not die Zeit prägten. Seine Verse sind ein Versuch, eine Antwort auf das zu finden, was er selbst in seinem Alltag als Pfarrer erlebt, wenn er auf die ihm anvertrauten Menschen schaut. Er nimmt sein Amt sehr ernst, zumal er bereits 44 Jahre alt war, als er seine erste Stelle antritt. Die Verhältnisse in Mittenwalde, wo er eingesetzt war, waren dürftig, das Landstädten vom Krieg geschädigt. Seine Lieder sollen den Menschen als Trost dienen. Sie greifen immer wieder die Erfahrungen der Menschen auf und versuchen Glaubenshoffnung und Zuversicht für die (Über-) lebenden auszustrahlen. Eine Hoffnung, die bis heute durch die Verse hindurch strahlt. Gottes Liebe gilt uns, daran sollen wir nicht zweifeln. Seine Liebe trägt uns durch die Phasen unseres Lebens, die uns unerträglich scheinen - und doch ein Ende haben werden, denn: Alles Ding währt seine Zeit – Gottes Lieb in Ewigkeit. Dass dies so ist, hat Gott uns in Jesus gezeigt, sagt der Lieddichter. Der Gottessohn bezeugte Gottes Liebe in Worten und Taten. Er wandte sich gerade den Menschen zu, die in ihrem Leben Leid erfuhren: Er hatte keine Scheu davor, wenn jemand an einer Krankheit litt, er war da und überwand Grenzen innerhalb der Gesellschaft, die uns noch heute vertraut sind. Die Ehebrecherin, der Zöllner, die blutflüssige Frau – Jesus suchte die Begegnung mit Menschen, wo sich andere bewusst abwandten. Gott eben nicht weit weg im Himmel, sondern nah, erfahrbar von Angesicht zu Angesicht. Jesus ging seinen Weg konsequent weiter, weiter bis ans Kreuz. Dort stirbt er einen brutalen Tod. In den Augen Paul Gerhardts ist dieser Tod nicht umsonst, sondern Gott gibt seinen Sohn für uns hin, damit wir in unserem Leben Erlösung erfahren und auch wir so in unserem Leben bestehen können. Das war für Paul Gerhardt so klar und vertraut wie zugleich unfassbar. Moderne Menschen ringen oft mit diesem Opferverständnis - „O du unergründ’ter Brunnen, wie will doch mein schwacher Geist, ob er sich gleich hoch befleißt, deine Tief ergründen können?“ Wieso muss der sterben, der den Menschen Gottes Liebe nahe bringen wollte? Wieso scheint Gott zuzuschauen? Eine Antwort könnte sein: Um uns Menschen vor Augen zu führen, wozu wir bereit sind, wenn es um eigene Machtansprüche und Interessen geht. Vielleicht aber auch, um uns ganz deutlich zu sagen: Meine Liebe ist größer als euer Tun, sie besteht durch die Zeit, sie besteht in Ewigkeit. Das ist wesentlich mehr als das, was uns im Augenblick gerade wichtig erscheint, wenn wir wieder nur einmal uns im Blick haben. Martin Luther, auf dessen Bekenntnisschriften Paul Gerhardt verpflichtet war, beschreibt diese Liebe, diese Güte Gottes im Kleinen Katechismus so: Gottes Güte ist zutiefst, dass er „mich verlorenen und verdammten Menschen erlöst hat, erworben und gewonnen, von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels.“ Ja, Gott liebt den Sünder, er liebt uns und will uns wieder und wieder ins Leben ziehen. So wollen wir Gott die nächsten Strophen singen:

 

  1. Sein Sohn ist ihm nicht zu teuer, nein, er gibt ihn für mich hin,

dass er mich vom ewgen Feuer durch sein teures Blut gewinn.

O du unergründ’ter Brunnen, wie will doch mein schwacher Geist,

ob er sich gleich hoch befleißt, deine Tief ergründen können?

Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb in Ewigkeit.

 

  1. Seinen Geist, den edlen Führer, gibt er mir in seinem Wort,

dass er werde mein Regierer durch die Welt zur Himmelspfort;

dass er mir mein Herz erfülle mit dem hellen Glaubenslicht,

das des Todes Macht zerbricht und die Hölle selbst macht stille.

Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb in Ewigkeit.

 

„Durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet“ – in der Liedstrophe vom Heiligen Geist klingt ebenfalls die Auslegung Martin Luthers aus dem Kleinen Katechismus an. Heißt es beim Reformator, dass man am jüngsten Tage auferweckt wird, könnte man Paul Gerhardt mehr weltbezogen verstehen: Die Macht des Todes zerbricht, die Hölle macht stille. Hier klingt die Sehnsucht nach einem Leben in Frieden nach all den Kriegswirren, die die Menschen erlebt haben, durch. Gott begegnet uns nicht erst im Himmel nach unserem Tod, sondern er ist im Hier und Jetzt durch seinen Geist erfahrbar. Ja, Gottes Geist führt uns durch die Bedrängnisse der Welt mit ihren Unwägbarkeiten hin zur Himmelspforte. Damit hat der Lieddichter die eingangs gestellte Frage nochmals beantwortet: Sollt ich meinem Gott nicht singen? Ja, ich singe Gott. Ich singe ihm, obwohl das Leben nicht nur rosarot und gelungen ist. Gerade den Menschen, die den 30 jährigen Krieg durchlitten und überlebt hatten, war dies bewusst. Ja, mögen sie gedacht haben, ich singe Gott, weil er mich in meinem Leben durch alle Höhen und Tiefen begleitet, so wie er seinen Sohn durch alle Höhen und Tiefen begleitet hat. „Alles Ding währt seine Zeit“ ist die tiefe Gewissheit und Glaubenserfahrung, die dahinter steht, alles währt seine Zeit, auch das Leiden. Freude und Dankbarkeit werden am Ende stehen, weil Gott uns unser Herz mit dem hellen Glaubenslicht füllt. Diese Erfahrung kann auch für uns gelten. Gott schenkt uns immer wieder ein neues Herz und einen neuen Geist, heißt unsere Jahreslosung, die schon fast ein wenig in Vergessenheit geraten ist. Wagen wir es doch, Gott in unserem Leben und Leiden jeweils neu zu entdecken und ihm zu singen – vielleicht auch ganz bewusst, wenn es uns gerade nicht gut geht und entdecken wir dabei für uns neu: Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb in Ewigkeit.

Ggf.

  1. Weil denn weder Ziel noch Ende sich in Gottes Liebe find’t,

ei so heb ich meine Hände zu dir, Vater, als dein Kind,

bitte, wollst mir Gnade geben, dich aus aller meiner Macht

zu umfangen Tag und Nacht hier in meinem ganzen Leben,

bis ich dich nach dieser Zeit lob und lieb in Ewigkeit.



Pfarrerin Wibke Klomp
Walldorf
E-Mail: klomp@eki-walldorf.de

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