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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Reformationsfest - Reformationens dag - Reformation Day - Día de la Reforma - Dzieñ reformacji , 2017

Matthäus 10:26-33, verfasst von Eberhard Busch

 

Liebe Gemeinde.

Wir gedenken heute der Reformation vor 500 Jahren. Es ging damals nicht um die Gründung einer anderen Kirche neben der katholischen. Es ging um die Erneuerung der einen Kirche Jesu Christi. Es ging um ihre neue Ausrichtung auf das Evangelium, wie es uns in der Heiligen Schrift mitgeteilt wird. Das macht uns klar, dass wir das Reformationsfest nicht geruhsam feiern können wie ein Veteranen-Verein, der zurückblickt auf eine einst vollbrachte Heldentat. Der Reformation können wir uns nicht erinnern, ohne dass wir gefragt sind: Wie steht es heute in unserer Kirche mit der Ausrichtung auf die biblische Botschaft? Steht es in der Mitte all ihrer Unternehmungen? Oder ist uns ein Anderes wichtiger geworden als das, was den Reformatoren wichtig war? Ist ihre Entdeckung bei uns dabei an den Rand geschoben?

Hören wir mit diesen Fragen im Ohr auf das Wort Jesu nach Matthäus: „Wer mich bekennt vor den Menschen, den will ich bekennen vor meinem himmlischen Vater“! In diesem Satz spielt das Wort „bekennen“ eine zentrale Rolle. Was Menschen von heute drängt, sich zu „outen“, wie das so heißt, dazu kann manches reizen, Hohes und Seichtes, manches auch, womit man nicht behelligt werden möchte. Hier geht es darum, dass von uns Menschen Jesus Christus bekannt wird. „Wer mich bekennt vor den Menschen“, sagt er. Im Mai 1934 wurde die Evangelische Kirche angesichts des Hitlerreichs zu einer Bekennenden Kirche, indem ihre Vertreter in Wuppertal-Barmen genau dies bekannten: „Jesus Christus, wie er in der Heiligen Schrift bezeugt ist, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.“

Wie kommen Menschen dazu, ausgerechnet an dieses eine Wort sich zu binden? Achten wir auf die Fortsetzung der Aussage Jesu nach Matthäus! Darauf liegt nämlich der Hauptakzent: Wer mich bekennt, „zu dem werde ich mich bekennen vor meinem himmlischen Vater.“ Die Christenheit muss sich in ihrem Bekenntnis ihr Thema nicht erst suchen. Sie darf sich um Himmels willen nicht irgendein anderes Thema wählen, darf nicht ein gängiges Schlagwort zu ihrer „Masche“ machen. Und dies aus dem einen Grund, weil ihr Bekenntnis nur eine Antwort sein kann auf das Wunderbare, dass Jesus sich zu uns bekennt vor seinem himmlischen Vater. Sein Bekennen folgt unserem Tun. Es geht ihm sachlich auch schon voran.

Und dass er sich vor Gott zu uns bekennt, das heißt, dass er sich vor der höchsten Instanz ganz offiziell daran bindet, für uns einzustehen. Das heißt, dass er auf alle Fälle uns zur Seite steht. Sogar zu solchen Leuten bekennt er sich, die wie sein Jünger Petrus ihn verleugnet haben, statt ihn zu bekennen (Mt 26,69-75). Dass er sich nicht schämt, solche Kerle seine Geschwister zu nennen (Hebr. 2,11), das ist die lebendige Quelle, aus der alles rechtmäßige christliche Bekennen hervorquillt. Dieses Wunderbare provoziert dazu, dass dann auch wir vor den Menschen zu ihm stehen. Das ermutigt dazu, uns unsererseits zu ihm zu bekennen.

Das Bekenntnis Jesu zu uns macht also unser Bekenntnis zu ihm nicht überflüssig. Es ruft es hervor. Es spricht uns dazu mündig. In unserem Bekennen beweisen wir unsere Mündigkeit. In ihm wird unser Glaube ausdrücklich Glaube. Dadurch unterscheidet er sich von irgendeiner Überzeugung, die man ohne Not auch für sich selbst behalten kann. Er bezieht sich auf den Gott, der sich uns bekannt gibt, was uns sonst unbekannt bliebe. Dem entsprechend können wir nicht glauben an diesen Gott, ohne das von ihm Gehörte bekannt zu geben. Der Reformator Martin Luther tat das 1521 unter Lebensgefahr auf dem Reichstag zu Worms. Er konnte nicht anders, weil sein Gewissen gefangen war im Worte Gottes, wie er sagte. Er wusste, was er tat, trotz dem Bösen es getrost zu singen: „Ein Wörtlein kann ihn fällen.“

Solches Bekennen ist ein Tun, das Andere merken können. Es ist ein Tun, das allerdings nicht im Gegensatz zu Lippenbekenntnissen steht. Es besteht sogar zuerst in Lippenbekenntnissen. Der Apostel Paulus sagt: „Wer mit dem Munde bekennt, wir gerettet“ (Röm 10,10). Und beim Evangelisten Lukas lesen wir: „Wes das Herz voll ist, dem geht der Mund über.“ Gewiss geht es dabei nicht um ein bloßes Wortedrechseln. Sondern wie Gott in seinem Wort sich selbst in die Öffentlichkeit wagt, so wagt ein Mensch in seiner Antwort darauf sich mit nicht weniger als sich selbst in die Öffentlichkeit. Dabei besteht sein Bekennen sicher nicht bloß im Reden, sondern auch sozusagen in einem sprechenden Tun – oder zuweilen auch in einem sprechenden Schweigen, auch in einer Bereitschaft zum Hören, zum Kämpfen und Leiden, auch in vermeintlich unscheinbaren Verrichtungen. Ich sah einen Südostasiaten in einer vollen Vorortbahn still in seiner Bibel lesen. Auch dergleichen ist ein Zeugnis.

Vielleicht wird da mancher zuweilen auch als Einzelner anstößig werden, der gegen den Strom einer Mehrheit schwimmen muss. Er ist auch dann nicht allein. Jesus steht seinen Nachfolgern bei und sagt ihnen: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und die Seele nicht töten können“ (V28). Johannes Calvin hat die bedrohten Glaubens-Geschwister in Frankreich ermutigt: „Wer sich nicht als Christ bekennen will, kann auch nicht als Christ angesehen werden.“ Vor 200 Jahren hat Christian Friedrich Richter ein Lied gedichtet: „Es kostet viel, ein Christ zu sein.“ Hat er damit nicht abgeschreckt, sich zum christlichen Glauben zu bekennen? Nein, er hat uns nur darauf aufmerksam gemacht, dass wir als Christen von einer billigen Gnade allerdings nicht leben können. Wir dürfen jedoch, wenn es eng wird für uns, getrost sein, dass Jesus zu seinem Wort steht: „Fürchtet euch nicht.“

Und er fährt fort: „Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater.“ Wer sind denn die, die ihn verleugnen? Die Gottesleugner? Hören wir dazu das andere Wort Jesu bei Matthäus (7,21)! „Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr! Herr! ins Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel“ Die ihn verleugnen, sind offenbar durchaus fromme Kirchenleute, einfache Gemeindeglieder oder Kirchenleiter. Jedenfalls wissen sie Bescheid, wer der „Herr“ ist, und reden schön von ihm. Und sie verleugnen ihn doch. Denn es fehlt ihnen Eines, das alles Entscheidende, das, was vielleicht ganz Andere tun, solche, die nicht „Herr! Herr!“ sagen und kaum wissen, wer der ist. Aber sie tun doch das Eine, worauf alles ankommt: sie tun den Willen Gottes. Jesus sagt dieses Schockierende, um solche Kirchenleute zu mahnen. Er sagt es, um sie zur Umkehr einzuladen.

Den Willen Gottes tun – was heißt das? Nun, nicht bloß das Wort „Jesus“ im Munde führen, obwohl es gewiss immer um ihn geht. Aber er lebte nicht nur einstmals. Er lebt und redet ebenso auch heute. Folgen wir ihm, dann haben wir nicht bloße Richtigkeiten im Kopf und verschlafen doch die entscheidende Stunde, wo es darauf ankommt, Rechtes zu sagen und zu tun. Dann werden wir vielmehr wachsam sein und werden begreifen: Jetzt bekennen wir ihn, indem wir Hungernden Brot reichen, jetzt, indem wir für Zu-kurz-Kommende das Wort ergreifen, jetzt, indem wir für Bedrückte ein offenes Ohr haben, jetzt, indem wir zufrieden sind mit dem uns Gegebenen, und jetzt, indem wir unzufrieden sind mit den herrschenden Zuständen, jetzt, indem uns Fremde keine Fremde sind. Wenn wir das jetzt oder jetzt nicht tun, dann verleugnen wir Jesus, und wenn wir noch so eifrig „Herr! Herr!“ sagen. Es kommt darauf an, den Willen Gottes unter unseren Mitmenschen zu tun. So bekennen wir Jesus unter ihnen.

Verstehen wir nun, warum es am Anfang dieser Predigt hieß, der Reformationstag sei uns eine Frage, ob dieser Jesus Christus bei uns in der Mitte steht oder an den Rand geschoben ist? Geben wir uns Mühe, darauf die rechte Antwort zu geben! Wir wollen ihn doch nicht verleugnen, sondern bekennen.

Amen



Prof. Dr. Dr.h.c. mult. Eberhard Busch
Friedland
E-Mail: eberhard.busch@theologie.uni-goettingen.de

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