Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Göttinger Predigten im Internet, 2007


Predigt zum Jubiläum über II. Kor. 4:7, verfasst von Christian-Erdmann Schott

Der Apostel Paulus schreibt:

Wir haben aber solchen Schatz (das Evangelium) in irdenen Gefäßen, auf dass die

überschwängliche Kraft Gottes sei und nicht von uns.

 

Liebe Gemeinde, wenn Jubiläen wirklich Jubel-Veranstaltungen sein wollen - und nicht Gedenkfeiern mit mahnendem oder gar Abschiedsfeiern mit wehmütigem Charakter - dann geht es vor allem um Lob und Dank. Bei unserem Jubiläum ist das besonders deutlich. Es ist eine Erfolgsgeschichte, die uns alle, die wir daran beteiligt sind oder davon profitieren, beeindruckt, erfreut und mit Lob und Dank gegen Gott und die Verantwortlichen erfüllt. Es ist ein bleibend guter Einfall, das Internet auch für die Präsentation von Predigten zu nutzen. Dieser Schritt vor zehn Jahren war an der Zeit und ist auch technisch-operativ gelungen. Dabei ist neben den Initiatoren und Herausgebern auch denen zu danken, die ehrenamtlich mitarbeiten und Woche für Woche Predigten pünktlich abrufbar zur Verfügung stellen. Das ist nicht so selbstverständlich, wie es daherkommt. Auch darin steckt viel Arbeit, die sich abstützt auf jahrzehntelange Hintergrunderfahrungen und Personalkenntnisse. Denn die Autoren wollen gefunden, angesprochen, bei Ausfällen mitunter auch ganz kurzfristig um einen Beitrag gebeten werden. Sie sollten Internet-fähig sein. Honorar bekommt niemand. So stellt die Pflege des Mitarbeiterstammes ein besonderes Teilstück des Erfolges dar, den wir hier feiern.

Äußerlich messbar ist dieser Erfolg in der hohen Zahl der Nutzer. Was die Nutzer dann mit dem Angebot machen, ist weitgehend unbekannt. Aber es scheint festzustehen, dass die meisten wiederkommen und damit ja auch eine gewisse Wertschätzung gegenüber unserem Angebot zum Ausdruck bringen. Wobei sich zunehmend auch Nicht-Theologen einklinken; Interessierte, die aus welchen Gründen auch immer den Gottesdienst nicht besuchen (können), auf eine Predigt aber nicht verzichten wollen.

 

Etwas anders stellt sich unser Jubiläum dar vor dem Hintergrund der zweitausendjährigen Geschichte der christlichen oder wenigstens fünfhundertjährigen Geschichte der evangelischen Predigt. Dann sind zehn Jahre „Göttinger Predigten im Internet" eine verschwindend kleine Zeit, - andererseits aber lang genug, um das Charakteristische unserer heutigen Predigtweise benennen zu können. Dabei wäre davon auszugehen, dass jede Predigt drei unveräußerliche Merkmale aufweisen muss. Diese Strukturelemente sind der christliche Text, der Prediger/die Predigerin und die Hörer. Fehlt eins von diesen Elementen, ist das, was übrig bleibt, keine Predigt mehr. Im Lauf der Predigtgeschichte hat die Akzentuierung dieser Elemente verschiedentlich gewechselt. So hat etwa die Reformation das Schwergewicht auf den Text gelegt. „Das Wort sie sollen lassen stahn....." war nicht nur ein Kampfruf. Es war auch zentral wichtig für die Predigt, indem alles Interesse dem Bemühen um den Text, seinem Verstehen, seiner Auslegung, seiner Applizierung galt. Demgegenüber war der Pietismus der Meinung, dass das Schwergewicht im Predigtgeschehen beim Prediger liegt. Wenn der Prediger ein glühendes, ein bekehrtes, ein vom heiligen Geist erfülltes Herz hat, dann wird er auch den Text öffnen und den Hörer erreichen. Anders wiederum die Aufklärung. Ihr Ziel war, beim Hörer anzukommen, ihr homiletisches Programm „Akkomodation", Ausrichtung auf den Hörer, Annäherung, Anpassung an den Hörer, an seine Lebens- und Erfahrungswelt, damit die Botschaft auch wirklich ins Leben hinein trifft.

 

In den folgenden Generationen hat es verschiedentlich Renaissancen beziehungsweise Annäherungen an diese klassischen Modelle, mehr aber noch Mischbildungen gegeben. So dürfte für die Gegenwart eine Mischung des Predigerzentrierten und des Hörerorientierten Typs charakteristisch sein, wobei die Person des Predigers/der Predigerin tendenziell dominiert - nicht nur in der Wahrnehmung des Hörers, sondern auch im Bewusstsein der Predigenden selbst. Viele Prediger glauben, ihre Predigt dadurch zeit- und menschennah zu gestalten, dass sie sich betont undogmatisch, als „Menschen wie Du und ich", einbringen. Die Erzählung von Kindheitserfahrungen, Erlebnissen aus dem Alltag oder aus dem Familienleben sind unüberhörbar und geben den Predigten einen individuell-persönlichen Charakter.

Dahinter darf die Absicht vermutet werden, den garstigen Graben zwischen dem abständigen Bibeltext und uns zu überwinden und Aktualität herzustellen. Vielfach gelingt das auch. Dennoch stehen unsere Predigten damit unter der Dominanz unserer Zulassung: Was uns an den biblischen Texten auffällt oder wichtig geworden ist, sagen wir. Das muss nicht immer identisch sein mit dem, was Gott uns in diesem Wort sagen will. Nicht das „So spricht der Herr" ist darum das Grundmotiv unserer Predigt, sondern das „Bei mir weckt der Text diese Assoziationen - Zustimmungen - Aggressionen".

Im Bild des Apostels von den irdenen Gefäßen gesprochen, bedeutet das, dass die Schale, das Gefäß, der Überbringer des Evangeliums eine Bedeutung erhält, die ihm eigentlich nicht zukommt. Diese Dominanz lenkt die Aufmerksamkeit des Hörers auf die Empfindungen des Predigers, mit denen er sich auseinandersetzen, abklären, ins Reine kommen muss. Das, worauf es eigentlich ankommt, das Wort hinter den Worten, die Botschaft hinter den Botschaftern, wird für ihn erst wahrnehmbar, wenn er sich durch die vordergründige Eindrücklichkeit des Predigers durchgearbeitet und emotional von ihr befreit hat.

Dann allerdings kann es zu einer wirklichen Begegnung mit Gott kommen. Der Hörende kann erfahren, dass er dem Sichtbaren nicht ausgeliefert ist, sondern teilhaben darf an dem unsichtbaren Reich Gottes, das hier nur verborgen ist, aber auf uns zukommt und uns jetzt schon mit Zuversicht, Hoffnung, innerer Stärke, Freude erfüllt und seelisch stabilisiert. Das ist dann im besten Sinn Erbauung und Festigung der Person durch den Glauben und der Gemeinde durch das Gefühl der Zusammengehörigkeit.

Als Prediger können wir diesen Prozess fördern, indem wir uns im Sinn der reformatorischen Akzentuierung des Predigtgeschehens vor allem als „Diener am Wort" verstehen und seiner Selbstwirksamkeit Raum geben - dadurch, dass wir seine Sichtweise herausstellen und darauf vertrauen, dass es die Herzen auch anrührt und erreicht...... auf dass die überschwängliche Kraft Gottes sei und nicht von uns.

Das Jubiläum „Zehn Jahre Göttinger Predigten im Internet" weist zurück auf den 31. Oktober 1997. Dieser Tag des Anfangs ist nicht ohne tiefere Bedeutung. Er hält die Erinnerung wach an das, was die Reformation einmal wollte, - dass die Kirche und mit ihr die kirchliche Predigt sich versteht als Dienerin am Wort Gottes. Amen.

Dr. Christian-Erdmann Schott
Pfarrer em.
Elsa-Brändström-Str. 21.
55124 Mainz

E-Mail: ce.schott@arcor.de

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