Zu Mk 14, 1-9
O Lamm Gottes, unschuldig (EG 190.1; GL 470; Schweiz ev.: 312; rk: 132)
Welche Zumutung, ein dreistrophiges Lied in immer gleichem Wortlaut - mit nur einer Textvariante (Str. 3,7) - singen zu müssen! „Typisch Kirche, die nur Hergebrachtes kennt, sich um eine aktualisierende Umsetzung nicht bemühen zu müssen meint". Wir hören Schlimmeres, wenn überhaupt ... Halten wir der Wucht des zentralen Sprachbildes im Lied stand? Ein Lamm wird nun einmal geschlachtet; „Dazu ist es doch da!" kann man dazu hören. Das ‚Agnus dei' der Messe (Joh 1,29) ist mit Hilfe alttestamentlicher Typologie (Jes 53, auf Schritt und Tritt) in das den Humanisten der Renaissance geläufige Reimschema gebracht (unschuldig-geduldig; geschlachtet-verachtet; getragen-verzagen). Mehr ist das nicht in die-sem Gesang - weniger aber auch nicht. Für die Salbungserzählung würde ich dieses Lied wählen, weil Lamm zentral auf das Wort Jesu ‚zu meinem Begräbnis' (14,7) zielt (aber auch, um den Primat des sehr abgesungenen Christe, du Lamm Gottes mit seinen zu häufigen Pers.-Pronomina zu brechen). Rasch würde deutlich, dass die die Weise beherrschende 5-Ton-Reihe (Quinte) an mehreren Stellen zur 6. Stufe hin überschritten (un-schúldig; ge-dúldig; Ér-barm), aber auch sinnvoll unterschritten (ge-trá-gen) ist. Darf eine so schlichte Passionsandacht auf solche „Äußerlichkeiten" hinweisen? Und: Ob nicht doch die Reime das einfach Schreckli-che, das Kreuz, und das einfach Unglaubliche, diese Salbung, verharmlosen?