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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Sonntag nach Trinitatis, 08.06.2008

Predigt zu Lukas 14:25-35, verfasst von Arne Simonsen

Nartürlich ging es schief, sonst wäre daraus ja keine Geschichte geworden. Es geht doch um Verdammnis - darum, dass ein Mensch der Verdammnis anheimfällt. Verdammnis bedeutet, dass der betreffende Mensch keinerlei Möglichkeit mehr hat. Dass sein Leben am Ende ist.

             Das Leben war für den jüngsten Sohn zuende.

             Er hatte am Anfang eigentlich alle Möglichkeiten gehabt - aber er hatte sie nicht genutzt. Er hätte das Geld investieren und noch mehr daraus machen können - wie im Gleichnis von den anvertrauten Pfunden. Er hätte wie ein Prachtexemplar von Sohn nach Hause zurückkehren und seinem Vater durch seine klugen Dispositionen Freude machen und ihm eine großartige Bilanz vorlegen können. Aber das tat er nicht, denn er hatte alles verloren, und darin besteht die ganze Pointe. Er hatte nichts vorzuzeigen, und so wie die Geschichte hier erzählt ist, hatte er auch gar nicht daran gedacht, das Geld auf irgendeine Weise zu investieren. Es sollte ausgegeben werden, und er wollte nie wieder nach Hause kommen.

             Der jüngste Sohne ist also in eine Rolle gezwängt, die keinem von uns gefallen würde. Erfolg ist hier ausgeschlossen - es geht um ein eklatantes Fiasko, und das hätte man gewiss voraussehen können.

             Ist dann die Moral: So sollst du nicht handeln? Du sollst vielmehr wie der älteste Sohn handeln, der zu Hause blieb und seiner Arbeit nachging und seinem Vater nie Sorgen machte? Man könnte es glauben, aber es ist trotzdem nicht so. Es geht um etwas völlig Anderes. Natürlich sollen wir nicht wie der jüngste Sohn handeln, aber was geschieht, wenn es trotzdem schief geht?

             Geschichten über Erfolge gibt es heute massenweise. Jede Zeit hat ihre eigenen Helden, ihre eigenen Vorbilder, beiderlei Geschlechts, und es gilt, sie nachzuahmen: All die Tüchtigen, die Schönen, die Erfolgreichen, die Reichen.

             Niemand hat Gefallen an Fiasko. Auch Geschichten von Menschen, die ihre Chancen verspielt haben, gibt es wie Sand am Meer, aber was sollen wir damit? Die Erfolgsgesellschaft hat keinen Platz für sie, und sie verschlechtern die Statistik.

             Der jüngste Sohn war ein Fiasko - und er wusste es besser als irgend jemand sonst, und die Menschen um ihn ließen keinen Zweifel zu. Wozu soll man so einen Mann gebrauchen? Hier zum Schweinefüttern - und er fühlte sich wie ein Schwein. Er hatte keinerlei Selbstachtung mehr, alle Träume waren geplatzt, es gab keine Zukunft mehr, überall stieß er auf Verachtung, und er hungerte und litt Not. Schlimmer kann es einem Menschen kaum gehen.

             Kennen wir jemanden, dem es so geht?

             Sind wir selbst in einer Situation gewesen, die derjenigen des jüngsten Sohnes glich?

             Hunger und Elend kann auch anderes sein als Mangel an Butterbrot und Aufschnitt. Es kann einen Hunger in der Seele geben, eine Not wie hier in unserer Geschichte.

             Wir können auch fragen: Bereute er, der jüngste Sohn hier? Bedauerte er, was er getan hatte? Ja und Nein.

             Er ist kein bekennender Sünder - auch wenn viele ihn so sehen möchten.  Also: Wenn man nur tief genug sinkt, dann gehen einem die Augen auf, wo man Hilfe bekommen kann, und man wendet sich ab von seinem früheren lasterhaften Leben und wird ein neuer Mensch.

             Ja, kam denn dieser Sohn nicht wieder nach Hause zu seinem Vater, weil er plötzlich einsah, wie dumm er sich benommen hatte, und im Vertrauen darauf, dass Vaterliebe größer ist als alles andere?

             Nein, das tat er nicht.

             Er bekehrte sich überhaupt nicht. Er war derselbe, der jämmerliche, dreckige Kerl - und nach Hause zu kommen, das sah er als letzte Möglichkeit an, wenn er nicht vor Hunger sterben oder sich das Leben nehmen wollte.

             Der Gedanke daran, dass sie alle zu Hause am Tisch säßen und reichlich und gut zu essen hätten, machte ihn fast wahnsinnig.

             Hunger kann Menschen zur Verzweiflung bringen.

             Man denke nur an Esau. Er kam einmal von der Jagd nach Hause, ohne ein Tier erlegt zu haben, und er hatte wirklich Hunger, und als er seinen Bruder Jakob vor einem duftenden Linsengericht sitzen und davon essen sah, bat er darum, etwas abzubekommen, und er erhielt die Antwort, er könne davon essen, aber nur unter einer Bedingung: Er solle sein Erstgeburtsrecht an Jakob abtreten, und Esau sagte umgehend ja, denn er hatte großen Hunger.

             Hunger kann Menschen schwach machen und zu allem fähig machen.

             So war auch der jüngste Sohn bereit, nach Hause zu gehen und mit Kälte und Verachtung empfangen zu werden - und er dachte bei sich, dass er das auch gar nicht besser verdient hätte - wenn er nur mit am Tisch sitzen und mitessen könnte.

             Er war es nicht mehr wert, Sohn des Hauses zu heißen, das wusste er - und so würde sein älterer Bruder sicher auch reden.

             Mit anderen Worten: Er wollte mit seinem Vater verhandeln. Er setzt alles auf eine Karte: er wollte Unterkunft und etwas zu essen.

             Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; lass mich dein Tagelöhner sein.

             Also: Er wollte mit seinem Vater einen Vertrag schließen. Er hatte alle Regeln übertreten - und das wußte er; und er meinte es durchaus ernst, als er sagte, er wolle Tagelöhner bei seinem Vatger sein - d.h. für einen geringen Lohn und rechtlos.

             Hätte Jesus hier innegehalten, hätten die Leute gedacht: Ja, so muss es einem gehen, wenn man alle Regeln übertritt und keinerlei Rücksicht nimmt.

             Der jüngste Sohn in unserer Geschichte kannte die Regeln, die wir auch selbst kennen und akzeptieren: Jede Gemeinschaft, jede Gesellschaft ist auf Regeln gegründet, die vorschreiben, dass man sich ordentlich beträgt, Rücksicht nimmt, Vergeltung übt.

             Das gilt auch von dem älteren Bruder im Hause. Er war zufrieden, so schien es, und er war der einzige Sohn, glaubte er, bis der Tunichtgut auftauchte. Nicht dass der Bruder nach Hause kam, sondern die Art und Weise, wie er empfangen wurde, ärgerte ihn.

             Hier brach für den älteren Bruder alles zusammen, aber auch dem jüngeren Bruder muss das alles ganz unwirklich vorgekommen sein, aber wir hören nichts darüber, wie er reagierte. Dafür aber sind wir dem älteren Bruder schmerzlich nahe, der die Welt nicht mehr versteht.

             Es ist, wie wenn da mitten unter uns allen eine Bombe hochgeht, jedesmal wenn wir die Erzählung hören, denn sie handelt von einem Vater, der seinem verkommenen Sohn entgegenläuft und ihn umarmt, ihn küsst und ihm Sachen zum Anziehen gibt und ein großes Fest für ihn veranstaltet. Der Sohn war tot gewesen, war aber wieder lebendig geworden, er war verloren gewesen, war aber wieder aufgetaucht.

             Und zu dem Schluss der Geschichte wandten die Leute ein, dass es dann ja keinerlei Gerechtigkeit mehr geben würde. Dann könnten sich die Leute ja einfach amüsieren und leben, wie sie wollten, sagte man - Gott vergebe ihnen ja einfach.

             Paulus hatte es später dann ungeheuer schwer, der Gemeinde in Korinth klarzumachen, dass es nicht so war. Gott ist kein Gott, der fünf grade sein lässt, aber er hat eine Seite, die wir nicht kennen oder die wir oft vergessen - es ist der Gott, von dem der Prophet Jesaja hier schreibt, wo Gott selbst spricht:

                        Ich ließ mich suchen von denen, die nicht nach mir fragten,

ich ließ mich finden, die mich nicht suchten,

Zu einem Volk, das meinen Namen nicht anrief,

sagte ich: Hier bin ich, hier bin ich!

Ich streckte meine Hände aus den ganzen Tag

nach einem unghorsamen Volk,

das nach seinen eigenen Gedanken wandelt

auf einem Weg, der nicht gut ist (Jes. 65,1-2).

Und das ist auch das Bild des Vaters hier, der über den Verlust des Sohnes trauerte, der ihn verlassen hatte und den er verloren hatte: als er ihn aber wiedersah, war seine Freude grenzenlos

             Wenn alles andere vergessen ist, dann steht allein noch das Bild eines liebenden Vaters da, eines liebenden Gottes.

             Wir dürfen uns nicht vorstellen, dass diese Liebe einfach nur da ist und dass wir immer und überall mit ihr rechnen können,.

             So denken wir ja auch nicht über unsere Liebe zueinander, dass man dem Partner alles Mögliche bieten könnte, sondern es ist gerade umgekehrt: diese Liebe setzt Rücksichtnahme und Besonnenheit voraus; von dieser Liebe wissen wir, dass sie, wenn nichts anderes mehr übrig ist, da ist, und zwar als eine Hoffnung, als eine Möglichkeit, die uns wieder aufrichten kann.

             Und diese Liebe dürfen wir gern im Kleinen nachzuahmen versuchen, und wir dürfen zugleich wissen, dass unsere Augen, wenn wir uns wie der ältere Bruder über das Fest ärgern, das der Vater aus Freude und Erleichterung veranstaltete, - dass unsere Augen böse sind.

             Hat Gott nicht das Recht, mit dem, was sein ist, zu machen, was er will? Amen

 



Pastor Arne Simonsen
Silkeborg (Dänemark)
E-Mail: asi(a)km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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