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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

9. Sonntag nach Trinitatis, 20.07.2008

Predigt zu Lukas 18:1-8, verfasst von Inger Hjuler Bergeon

Jesus erzählt ein Gleichnis darüber, dass man immer beten muss und nicht ermüden darf.

             Das ist die Überschrift des heutigen Evangeliums, und das wird auch die Überschrift meiner Predigt sein: dass man betet und nicht ermüden darf.

             Wir kennen die Ermüdung sehr gut. Sie kann sich als Resignation zeigen, - oder nur als Trägheit.

             Ermüdung kann ja beides sein, Resignation und Trägheit.

             Wenn sie Resignation ist, hat man eine Hoffnung gehabt, Gedanken über die Zukunft und Hoffnung darauf und den Glauben daran, dass es gelingen wird. Man hat Vorstellungen von etwas anderem gehabt.

             Zum Beispiel für sein persönliches Leben, für sich selbst, oder für seine Angehörigen. Es kann sich um Krankheit handeln, dass man immer wieder um Gesundung betet, und dann gibt man auf. Man verliert die Hoffnung. Gibt auf. Man hat einmal geglaubt, dass es einem gelingen könnte, wie man es selbst sich wünschte. Es kann sich auch um Unglück anderer Art handeln. Streit am Arbeitsplatz oder zuhause: man versucht, den Konflikt beizulegen, man versucht, bei seiner Lösung zu helfen, man betet, man denkt, man überlegt. Lösungen werden versucht, und plötzlich sagt man zu sich selbst: Ja, lass es gehen, wie es will. So ist das Leben. Voller Konflikte. Ich kann sie nicht alle lösen, und Gott will offenbar nicht, - oder vielleicht ist das Problem auch zu klein, als dass er sich dessen annehmen wollte. Ich gebe auf. Man hatte gehofft, das Problem ließe sich lösen, man hat geglaubt, man könnte Glück haben und alles würde gut, aber dann gibt man auf. Ermüdung kann also sehr wohl Resignation sein, wenn man Hoffnung und Vertrauen gehabt hat, dass es wieder gut werden würde.

             Das gilt nicht nur vom privaten, kleinen persönlichen Leben. Es gibt auch die Ermüdung, die sich einstellt, wenn man an die Lage der Welt denkt. Vor allem, wenn man zu viel Fernsehen gesehen- zu viel Zeitung gelesen hat und deshalb nichts von all den positiven Kräften gesehen oder gehört hat, die doch auch wirksam sind. Wenn man so eine Tagesschau gehört und gesehen hat, dann denkt man: ja, die Welt ist verrückt. Die Menschen streiten sich, bringen sich gegenseitig um. Kinder, Frauen und Alte sind immer die Leidtragenden. Sie sind wehrlos.

             Was nützt es, auf eine bessere Welt zu hoffen und an sie zu glauben? Und Gott hat offenbar auch aufgegeben. Denn jedesmal, wenn irgendwo Friede einkehrt, bricht anderswo Krieg aus. Und Hunger und Flucht herrschen. Und man bietet uns leere Worte und Lügen.

             So geben wir auf, auch wenn es um die Welt geht und nicht nur um unsere Person. Wir geben auf, Hoffnung zu haben. Und wir denken: Lass den Dingen ihren Lauf. Überlass die Welt sich selbst. Es geht doch nur darum, dass ich mich dessen anzunehme, was ich beschützen kann: meine Familie und Freunde. Resignation. Ermüdung kann eine Resignation sein, dort wo es Hoffnung und Vertrauen gegeben hat, dass es gelingen könnte.

             Aber Ermüdung kann auch Trägheit sein. Dass man gar keine Hoffnung oder Pläne für die Zukunft gehabt hat, oder Vorstellungen von Aufschwung. Man schwimmt nur mit dem Strom, mit einer Sehnsucht nach dem guten Leben. Aber man hat eigentlich keine Lust, Lösungen zu finden, denn man hat keine Illusionen und keine Vorstellungen von einer anderen Art von Wirklichkeit, wo alles friedlich und gut ist. Und deshalb kennen wir auch die Ermüdung, die nichts mit Resignation zu tun hat, denn man hat nicht aufgegeben; man hat sich gar nicht angestrengt, etwas Besseres zustande zu bringen oder um Hilfe zu bitten. Es ist einfach nur Trägheit, weil man alles sein lässt, wie es ist, und mit dem Strom schwimmt. So kann Ermüdung auch sein. Eine Art geistiger Trägheit oder geistiger Faulheit...

             Und das nannte man ja im Mittelalter eine Todsünde: die geistige Faulheit. Dann reden wir davon, aufzuwecken und zu engagieren, wie die Erweckung im letzten Jahrhundert aufkam, und Bauern, Kleinbauern und Fischer begannen, Molkereigenossenschaften zu schaffen, Betsäle, Versammlungshäuser, Privatschulen, Hochschulen zu errichten, Wahlgemeinden zu gründen und so weiter. Und die Arbeiter gründeten Gewerkschaften. Damals hatte es viel Trägheit gegeben, viel Müdigkeit, und dann wachte man auf.

             Jesus erzählt ein Gleichnis darüber, dass man immer beten muss und nicht ermüden darf. Die Frage ist also nur: Beten wir? Nehmen wir uns zusammen?

             Oder sind wir müde? Haben wir aufgegeben? Oder haben wir nie Lust dazu gehabt, sondern einfach mitgemacht und es den Nachrichten überlassen, uns zu erzählen, wie es in der Welt zugeht und zugehen soll? Oder überlassen wir es allen möglichen Leuten, die ein bisschen darüber nachgedacht haben, unser eigenes Leben zu definieren, anstatt uns selbst Gedanken zu machen?

             Beten wir, und beten wir um Rat? Haben wir einen Ort, an dem wir uns vorzustellen wagen, dass die Dinge "anders" sind?

             Oder sind wir dabei, Gott aufzugeben, und haben wir selbst alle Lösungen? Und nur wenn es wirklich gefährlich wird und es finster aussieht, dann schreien wir in unserer Angst: Hilf mir, Gott.

             Das ist in Wirklichkeit die Frage an uns heute.

             Sind wir auch müde, entweder weil wir aufgegeben haben und uns und die Welt sich selbst überlassen, ohne auf ein Eingreifen Gottes zu hoffen? Oder haben wir überhaupt keine Lust gehabt, sondern haben das Leben seinen Gang gehen lassen, wie es nun einmal ist?

             Jesus erzählt ein Gleichnis darüber, dass man immer beten muss und nicht ermüden darf.

             Ein Gleichnis von einem ungerechten Richter, der weder Gott noch Menschen fürchtet, und von der Witwe, die keinerlei Rechte hat. Die Witwe hat keine Rechte, aber sie beharrt auf ihrer Sache. Sie kommt immer wieder und gibt nicht auf. Sie vertraut auf die Gerechtigkeit und gibt nicht auf, obwohl sie weiß, dass der Richter wegen seiner Ungerechtigkeit bekannt ist. Sie gibt nicht auf. Sie harrt aus. Und am Ende gibt der Richter nach. Er gibt nach, weil sie ihm lästig ist! Und das ärgert ihn. Und dann denkt er: man stelle sich vor, sie kommt zu mir und gibt mir eine Ohrfeige. Ich will ihr lieber ihr Recht verschaffen.

             Dieser Richter gibt nach und gibt ihr ihr Recht. Und dann kann man ja fortfahren: "wenn nun dieser Richter, der ungerecht ist, ihr ihr Recht gibt, weil sie ihm lästig ist, um wieviel mehr wird dann euer Vater im Himmel euch Gerechtigkeit widerfahren lassen? Er, der kein Unrecht kennt. Um wieviel mehr werdet ihr dann erhört werden?"

             Jesus erzählt ein Gleichnis darüber, dass man immer beten muss und nicht ermüden darf.

             Wir sollen Gott lästig werden genau wie die Witwe. Sie kümmert sich um die Zukunft, sie hat eine Vorstellung von etwas, das anders ist. Sie hat eine Hoffnung auf Gerechtigkeit. Und deshalb ist sie unbequem.

             Und so sollen wir auch sein. Menschen, die hoffen und glauben, sind lästig. Das ist sehr lästig. Denn mit ihnen kann man nicht herumkommandieren. Sie gehorchen nicht. Sie haben selbst Erwartungen, Vorstellungen, Pläne. Das ist lästig. Diejenigen, die regieren, finden das unglaublich lästig. Z.B. in Krankenhäusern und Pflegeheimen, in Schulen, in Kommunen und in den Bevölkerungen: wenn Menschen gegen Überfall und Krieg protestieren. Menschen, die Hoffnungen und Erwartungen hegen und etwas dafür unternehmen, sind nur allzu unbequem!

             Aber Gott liebt das so. Ja, Gott bringt Unbequemlichkeit in die Welt. Er ist es, der uns die Fähigkeit gegeben hat, zu hoffen und das Vertrauen zu haben, dass das hilft. Gott ist es, der uns gezeigt hat, wie es anders sein könnte. Gott ist es, der von Gerechtigkeit gesprochen hat, und Gott ist es, der uns gezeigt hat, was Liebe und Friede ist. Also die Quelle, es sich anders zu wünschen und es sich gut zu wünschen, diese Quelle stammt von Gott selbst. Er hat uns Hoffnung auf etwas Anderes gezeigt, und er bringt Vertrauen in die Welt und ins Herz.

             Und deshalb sollen wir zu ihm beten. Und ihn belästigen.

             Manch einer wird sagen: ja, aber Gott kennt doch die Gedanken in unseren Herzen, und er ist barmherzig, warum sollen wir dann zu ihm beten? Er kann doch einfach etwas unternehmen, er kennt doch unsere Sehnsucht.

             Ja, aber wir sollen auch nicht um Gottes willen beten. Sondern um unsertwillen. Und um der Welt willen.

             Denn im Gebet - wenn wir Gott belästigen, wenn wir unbequem sind und an die Zukunft denken und um Rat bitten - erfahren wir, dass die Müdigkeit verschwindet.

             Wir sollen beten, um nicht müde zu werden.

             Denn wenn wir das Gespräch mit Gott beenden und nicht mehr um Wegweisung und Wahrheit bitten, ja, dann handeln wir vielleicht so, weil wir keine Lust mehr haben, uns mit dem Gang des Lebens Mühe zu machen, sondern dem Leben seinen Lauf lassen.

             Wir sollen also beten, um nicht müde zu werden.

             Wir sollen um unsertwillen und um der Welt willen beten, nicht um Gottes willen. - Er ermüdet nicht.

             Aber er will die Möglichkeit haben, uns Mut und Hoffnung zu bringen. Und das geschieht im Gebet.

             Und deshalb sollen wir beten. Für die Welt, für die Anderen und für uns selbst in ihr.

             Wir sollen nicht der Versuchung erliegen, aufzugeben und alles sich selbst zu überlassen.

             Wir haben einen Vater im Himmel, der unserer niemals müde wird.

             Wir sollen unbequem sein.

             Menschen, die eine Hoffnung haben, sind unbequem.

             Jesus erzählte ein Gleichnis darüber, immer zu beten und dessen nicht müde zu werden. Amen



Pastor Inger Hjuler Bergeon
Odense (Dänemark)
E-Mail: ihb(a)km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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