Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Judica, 25.03.2007

Predigt zu Lukas 1:26-38, verfasst von Erik Dybdal Møller

Hier ist der Ort des Geschehens. Hier passiert das Eigentliche. Alle anderen Orte sind voller Geschäftigkeit, Planung, Diskussionen, voller Heftigkeit und Unruhe. So ist die Welt. Sie ist unruhig. Sie macht sich Sorgen, und meistens tut sie Recht daran. Delegationen werden hierhin und dorthin entsandt. Soldaten werden mit hochtechnologischer Ausrüstung in den Krieg geschickt, und Bomben fallen vom Himmel anstelle von Brot und Medikamenten. Hätte man jemals erwogen, Feindesland mit Teppichbomben in der Form von Nahrungsmitteln und Aktien und Pfandbriefen zu belegen, dann hätte das Fernsehen ganz andere Bilder zu zeigen, und ein jeder Diktator wäre gezwungen gewesen, den Schwanz einzuziehen und das Land zu verlassen, weil kein Despot auf die Dauer über eine Bevölkerung herrschen kann, die aus satten Besitzenden besteht. Aber so ging es leider nicht. Es ist nur ein Traum. Und andernorts verlassen geschäftige Menschen eilig ihre Häuser, um zur Arbeit zu kommen. Andere Menschen ringen die Hände, weil niemand Verwendung für sie hat. Manche Menschen mögen vielleicht ihr Vergnügen daran haben, überflüssig zu sein, solange sie selbst zurechtkommen. Einige führen an und andere werden geführt. Und wüssten sie es nicht besser, würden sie alle glauben, dass sie genau dort lebten, wo das Eigentliche geschieht, im Mittelpunkt der Welt. Und die Welt hat viele solcher Mittelpunkte, jedes Land, jede Gegend, jedes Haus, jeder Einzelne hat seinen Mittelpunkt. Und das ist gut so. So sind wir es gewohnt zu denken, dass jeder für sich der Nabel der Welt sei.

Aber hier ist der Ort des Geschehens. Hier passiert das Eigentliche. Hier, in einem kleinen Dorf, fern von der Aufmerksamkeit der großen Welt.

Während das Licht der Sonne draußen zittert, steht das junge Mädchen im Hause. Sie wäscht vielleicht. Sie wäscht vielleicht ab. Oder sie ist vielleicht gerade fertig geworden und hat sich nun für einen Augenblick auf ihrem Zimmer hingelegt, um sich auszuruhen. Da geschieht das, was alles verändert. Zum zweiten Mal in der großen Geschichte.

Das erste Mal geschah es, als Gott die Welt schuf. Und es ist insofern völlig gleichgültig, ob es, wie die Wissenschaftler behaupten, mit einer großen Explosion vor sich ging, die das Universum in Bewegung setzte und noch heute stattfindet. Oder ob es so geschah, wie wir es im Alten Testament lesen können, dass zuerst nur der Geist Gottes war, der über der Tiefe schwebte, worauf er Land und Meer und alles, was lebt, im Laufe von sechs Tagen schuf, worauf er sich am siebten Tag ausruhte. Es ist gleichgültig, wenn wir uns nur nicht von dem Gedanken lossagen, dass Gott dahinter stand, Gott, über dessen Wesen wir uns nie werden einigen können. Gott, der radikal anders ist als wir, oder richtiger, mit dem wir uns auf keinerlei Weise vergleichen können, ohne dass es schief gehen würde. Gott, der der Ursprung aller Dinge ist, der Schöpfer, der uns fortgesetzt Leben und Aufmerksamkeit schenkt.

Er sandte seinen Geist zu vielen. Er sandte ihn zu Abraham, dessen Frau es nicht lassen konnte, misstrauisch zu lachen, als sie in ihrem hohen Alter in dem Zelt hörte, dass sie dennoch nicht kinderlos durchs Leben gehen würde. Er sandte seinen Geist zu Moses, so dass er das Volk Israel aus der Sklaverei und durch die Wüste und in das verheißene Land führen konnte. Und er schickte abermals seinen Geist zu Moses auf dem Berg Sinai, auf dass künftig niemand mehr Zweifel hegen sollte, was „Gesetz und Ordnung" ist, wenn anders sie jemals darüber im Zweifel gewesen sein sollten.

Und zu den Richtern und Königen sandte Gott seinen Geist. Und zu den Propheten und zu denen, die darauf hörten, was die Propheten sagten. Aber auch zu jedem einzelnen Menschen, der auf der Erde lebte und lebt, sandte Gott seinen Geist, damit kein Leben unabhängig von ihm leben sollte.

Und dann, an einem ganz gewöhnlichen Tag, sandte Gott seinen Geist und einen Engel zu Maria, um die Welt zu verändern. Von da an war nichts wie vorher, denn etwas Neues nahm seinen Anfang. Gott wollte Mensch sein. Etwas so Wahnsinniges wie Mensch sein wollen. Etwas für eine Gottheit so Unwürdiges, sein zu wollen wie sein eigenes Geschöpf.

Dann lieber ein König oder ein Kaiser sein - oder vielleicht ein Präsident, von Gott ausgestattet mit Macht und Würde, um große Dinge zu tun. Und ginge es darum, die Welt zum Besseren hin zu verändern, o.k., wir könnten vieles dieser Art gebrauchen; aber dass Gott selbst, er, der die Welt geschaffen hat, Mensch sein sollte, das ist doch wahnwitzig!

Und wenn es denn so sein sollte, dann hätte es so viele andere Stellen gegeben, die Gott angemessener gewesen wären, um seinen Engel mit einer solchen Nachricht dorthin zu schicken. Es gibt genug Paläste. Es gibt genug Buros mit blankgeputzten Schreibtischen. Es gibt viele dessen Würdige, wenn man es so mit den Augen der Welt bewertet. Aber Gott sandte seinen Engel mit dem Bescheid zu Maria, dass Gott sie, eine Unschuld vom Lande, dazu ausersehen hatte, Mutter des Knaben zu sein, der nicht nur den Geist Gottes kennen sollte; sondern er sollte selbst Träger des Geistes Gottes sein, sodass, was er sagte und was er tat, Gottes Wort und Gottes Wille war. Aber in Menschenkleidern, sodass das Angesicht Jesu sowohl das Angesicht Gottes war, das zu sehen kein Mensch ertragen kann, als auch das Gesicht eines Dorfjungen, in dem nur die Wenigsten etwas Besonderes sehen konnten. Wahrer Gott und wahrer Mensch wird dein Sohn sein, Maria. Der Erlöser der Welt!

Gewiss war Maria auserwählt; aber sie war auch ein ganz gewöhnliches Mädchen, das genau wusste, dass man nicht so ohne weiteres schwanger wird. Wie sollte es also geschehen, wenn es da keinen Mann gegeben hatte? Aber das ist ja kein Problem, wenn es der Geist Gottes ist, der schafft, was ER nennt. Überhaupt kein Problem.

Und dazu kann man nur sein Haupt beugen und die Dinge geschehen lassen. Siehe, ich bin des Herrn Magd, sagte sie, mir geschehe, wie du gesagt hast. Nicht so viel Worte, und wer würde dennoch verstehen? Nur der, dem der Geist Gottes den Glauben gab, um es zu verstehen.

Viele Jahre später geschah es zum dritten Mal, dass die Welt neu und alles verwandelt wurde. Da hatte man Marias Sohn hingerichtet, indem man ihn an ein Kreuz genagelt hatte, so dass er einen langsamen und schmerzhaften Tod sterben konnte, denn er hatte sich selbst Gottes Sohn genannt, ja, er hatte sich viel mehr als das genannnt, und es hatte sie verstört, die sie alle Gottes Sohn erwarteten, aber als einen ganz Anderen und als einen anderen fürstlichen und großartigen Sohn Gottes als diesen Mann da, der sich mit Kranken und Armen und allerlei Abschaum abgab, anstatt sich an die Kinder Moses' zu halten, die das Gesetz von vorn bis hinten auswenig konnten und die sich gewiss einbildeten, sie könnten einen Schwindler als solchen erkennen, wenn sie einen sahen.

Da geschah es zum dritten Mal seit der Schöpfung, dass alles neu wurde in den Köpfen derer, die es vielleicht nicht verstanden, es aber dann glaubten, als Jesus auferstand von den Toten, ganz im Widerspruch zu dem, was Wissenschaft und gewöhnliche Vernunft mit aller Beweisbarkeit zu allen Zeiten behauptet hatte, dass tot tot ist und dass sich daran nichts ändern lässt. Aber der Geist Gottes, dessen Jesus voll war, der Geist Gottes, der Maria für würdig befunden hatte, der Geist Gottes, der über der Tiefe geschwebt hatte, ehe die Zeiten begannen, hatte nun auch Jesus den Tod besiegen lassen. Und so erzählt der Geist Gottes für den, der glaubt, dass für Gott alles möglich ist, selbst den geringsten Menschen vor dem Untergang zu retten. Als die klugen Köpfe gerade glaubten, Jesus sei aus der Welt, verblieb er in ihr, damit niemand verloren geht, sondern alle das ewige Leben haben.

Lass den Zweifel an allem zweifeln. Das ist ja die Bestimmung des Zweifels. Lass den Zweifel an der Schöpfung zweifeln, an der Jungfrauengeburt und an der Auferstehung. Lass den Zweifel daran zweifeln, dass es überhaupt einen Gott gibt. Aber schließe nie aus, dass Gott für den Glauben immer gegenwärtig ist. Und schließe auch nicht aus, dass der Geist Gottes selbst, auch wenn man den Glauben verloren zu haben meint, ihn wieder zurückgibt. Er schenkt Leben und Hoffnung. Vielleicht eines Tages, wenn man abwäscht und plötzlich fühlt, dass das Licht vom Fenster her völlig verwandelt ist. Vielleicht eines Tages, wenn überall gleichsam Musik erklingt, weil man geahnt hat, was Liebe ist. Vielleicht eines Tages, an dem einem aufgegangen ist, wer er war, der Sohn Marias.

Amen



Erik Dybdal Møller
Rungstedvej 9
DK-8000 Århus C
tel.: 86 14 71 15
E-Mail: edm@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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