Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

12. Sonntag nach Trinitatis, 10.08.2008

Predigt zu Matthäus 12:31-42, verfasst von Peter Skov-Jakobsen

"Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden," sagte er zu ihnen, und das hätte sie eigentlich zum Schweigen bringen sollen. Aber sie wussten gewiss, dass Schweigen nicht weniger böse zu sein braucht und nicht notwendig ein Ausdruck für das Gute und Wahre ist.

Jesus hatte die Vorstellung, hatte den Traum, dass der gute Mensch Gutes aus seinem Vorrat holen könne genauso, wie der Böse seine Bosheit über die Erde verbreiten kann. 1500 Jahre später, als die Reformation begann, dachte man nuancierter, weil die Zeit es erforderte. Jetzt glaubte man nicht so sehr daran, dass sich die Menschheit in Gute und Böse einteilen lasse. Nicht dass die Bosheit beseitigt worden wäre oder dass das Gute nicht mehr das Denken der Menschen beschäftigte; sondern weil man in den vorangegangenen Jahren so oft gesehen hatte, dass das Gute, das Wahre, das Gerechte sehr wohl im Munde eines Menschen verborgen sein konnte, der weder gut, gerecht noch besonders wahrheitsliebend war.

Schon während der Christenverfolgungen in der frühesten Geschichte des Christentums hatte man mit dem Problem gerungen, wer unter den Bischöfen und Priestern würdig genug sei, zu taufen und die Gemeinde beim Abendmahl zu leiten. Es kam ja vor, dass sogar Bischöfe und Priester Angst bekamen und dem Glauben abschworen, wenn sie Drohungen ausgesetzt waren, und dass sie über ein Kruzifix gehen mussten. Die Standhaften und die Mutigen meinten nicht, dass es solchen Bischöfen und Priestern erlaubt sein könne, die Sakramente zu verwalten. Es kam zu einem größeren Meinungsaustausch in der Kirche, und der erwies sich als sehr wichtig für die Frage, worum es dabei eigentlich ging. Waren Taufe und Abendmahl abhängig von dem Menschen, der die heilige Kraft vermittelte? Oder war die Verheißung in der Taufe und im Abendmahl so stark, dass sie von Jesus selbst ausging - dass sie direkt auf ihn zurückging und nicht von dem Menschen abhing, der vermittelnd dazwischen trat? Die Antwort lautete: so stark war die Verheißung, dass sie direkt aus dem Gottesgeheimnis selbst floss und deshalb von keinem Menschen auf der Welt abhängig war. Das Sakrament ist von Geist selbst getragen, vermittelt durch den Geist des Lebens und kann selbst denjenigen Menschen zu seinem Fürsprecher machen, von dem man das nie geglaubt hätte. Wir behaupten es als die christliche Freiheit, dass sich der Geist in eine Seele niederlassen und einen Menschen etwas Wahres sagen lassen kann - auch wenn dieser Mensch sich so viel wie möglich mit den Problemen herumschlägt. Was sonst, glaubt ihr wohl, hat Generationen von Priestern dazu vermocht, dass sie etwas zu sagen wagen? Gewiss kann man sowohl in der Gegenwart als auch in der Geschichte der Kirche Beispiele von Predigern finden, die meinen, sie redeten ganz nach dem Willen Gottes. Aber die meisten haben sich doch wohl so nahe an den Spiegeln dieser Welt befunden, dass sie deutlich empfinden, dass sie alle einige Flecken haben, die nicht abzuwaschen sind, weil diese Flecken zum Spiegelbild gehören.

Das Wichtigste aber, das man vor vielen Jahrhunderten bei dieser Diskussion entdeckte, war dies, dass sich die Kirche, die Gemeinde, die Gläubigen de fakto nicht um den Glauben, um die Taufe, um das Abendmahl als diejenigen, die frei von Schuld sind, versammeln. Es ist nicht die Schuldfreiheit, die unser Wesen ausmacht. Im Gegenteil, wir versammeln uns als diejenigen, die verwirrt und manchmal mutlos sind, weil uns das Leben umtreibt und wir nicht immer wissen, was richtig, was böse, was gut ist. Aber wir fühlen eine Sehnsucht danach, die Liebe auf Erden in Leben umgesetzt zu sehen. Wir sehen, dass wir es anscheinend nicht lassen können, mit der Wahrheit in Konflikt zu geraten. Wir können es nicht lassen, uns von Jesus zu distanzieren. Wir merken, dass Kains Wut und Eifersucht über das Glück seines Bruders noch immer lebendig ist. Wir merken, dass wir gern am Lack Anderer kratzen, wenn wir selbst auf diese Weise besser dastehen können. Aber wir sehen auch Bosheit in voller Stärke, und wir können ohne Weiteres auch selbst daran Teil haben!

Sollte etwa der Missmut, den wir mit Recht über die Menschheit senken, nun alles sein, was über Menschen zu sagen ist? Sollte es wirklich die letzte und entscheidende Wahrheit über uns sein, dass wir unverbesserlich sind?

Zurück zu Jesus - es ist nämlich, wie wenn er behauptet: wenn er sich zwischen den Mitmenschen und uns stellt, dann scheint sich auch unsere Auffassung von demselben Mitmenschen zu ändern. Er wendet unseren Blick um, er verwandelt unser Empfinden, er führt uns zu Wiedererkennung. Er vermittelt uns ein Gefühl, dass der Mensch von einem lebendigen Gott ausgeht und deshalb nicht von seinen Fehlern und Missverständnissen in Fesseln gelegt ist, sondern mit einem Geist lebt, der auch ein Traum ist, dass das Verhältnis zwischen Gott und Menschen errichtet ist und dass der Mensch die Wahrheit hören und sie tun kann - mit einem Geist, der uns auch Verständnis füreinander schenkt und uns eine Sehnsucht gibt, so dass wir von einer neuen Erde unter dem neuen Himmel, den er für uns öffnete, zu träumen wagen.

Wenn wir Jesus betrachten, dann empfinden wir, dass hier mehr ist, dass dem Menschen hier ein Mitgefühl und ein Mitdenken begegnet wie nie zuvor. Jetzt begegnet Gott wirklich der Menschheit, wird zu einem Angesicht vor unseren Augen, wird zu einer Stimme in unseren Ohren, wird ein Leib, und wir merken, dass die Welt an einen anderen Ort bewegt werden kann und dass es eine Sehnsucht und einen Lebensfunken gibt, die kein Mensch verhöhnen kann oder verlachen oder verspotten, denn es ists das Zentrum des Lebens - es ist der Geist, der uns durch Glauben, Hoffnung, Liebe, Solidarität, Mut und Weisheit Leben geben und uns menschlich machen will. Amen.



Pastor Peter Skov-Jakobsen
København (Dänemark)
E-Mail: pesj(a)km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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