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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Karfreitag, 06.04.2007

Predigt zu Matthäus 27:31-50.54, verfasst von Konrad Stock

„Und da die Kriegsknechte Jesus verspottet hatten, zogen sie ihm den Mantel aus und zogen ihm seine Kleider an und führten ihn hin, daß sie ihn kreuzigten.

Und wie sie hinausgingen, fanden sie einen Menschen von Kyrene namens Simon; den zwangen sie, daß er ihm sein Kreuz trug.

Und das sie an die Stätte kamen mit Namen Golgatha, das ist verdeuscht: Schädelstätte, gaben sie ihm Wein zu trinken mit Galle vermischt; und da er's schmeckte, wollte er nicht trinken. Da sie ihn aber gekreuzigt hatten, teilten sie seine Kleider und warfen das Los darum, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten: ‘Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über meinen Rock das Los geworfen.' Und sie saßen allda und bewachten ihn. Und oben zu seinen Häupten setzten sie die Ursache seines Todes, und war geschrieben: Dies ist Jesus, der Juden König.

Und da wurden zwei Mörder mit ihm gekreuzigt, einer zur Rechten und einer zur Linken. Die aber vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe und sprachen: Der du den Tempel zerbrichst und baust ihn in drei Tage, hilf dir selber! Bist du Gottes Sohn, so steig herab vom Kreuz! Desgleichen spotteten auch die Hohenpriester samt den Schriftgelehrten und Ältesten und sprachen: Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen. Ist er der König Israels, so steige er nun vom Kreuz. Dann wollen wir an ihn glauben. Er hat Gott vertraut; der erlöse ihn, hat er Lust zu ihm; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn. Desgleichen schmähten ihn auch die Mörder, die mit ihm gekreuzigt waren.

Und von der sechsten Stunde an ward eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde. Und um die neunte Stunde schrie Jesus laut und sprach: Eli, Eli, lama asabthani? das ist: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Etliche aber, die da standen, da sie das hörten, sprachen sie: Der ruft den Elia. Und alsbald lief einer von ihnen, nahm einen Schwamm und füllte ihn mit Essig und steckte ihn auf ein Rohr und tränkte ihn. Die andern aber sprachen: halt, laßt sehen, ob Elia komme und ihm helfe! Aber Jesus schrie abermals laut und verschied...

Aber der Hauptmann und die bei ihm waren und Jesus bewachten..., erschraken sehr und sprachen: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!"

 

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder!

I

Viele Menschen kommen in diesen Tagen unter dem Kreuz zusammen. Sie sammeln sich in den altehrwürdigen Domen und Kathedralen wie in den unscheinbaren aber liebgewordenen Dorfkirchen; sie treffen sich in den Riesenkirchen Seouls wie in den Blechbaracken der Slums von Johannesburg. Sie strömen in die Aufführungen der Matthäus- oder der Johannes-Passion. Und wenn sie es lieber etwas distanzierter wollen, finden sie sich in den Museen ein, um die Bilder der alten und der modernen Maler vom Leid des Gottes- und des Menschensohnes zu betrachten.

Viele Menschen unterbrechen in diesen Tagen ihren gewohnten Alltag, um wieder einmal innezuhalten, um in die vertrauten Lieder und Choräle einzustimmen und um im Gebet, in der Andacht und in der Feier des Abendmahls des Todes Jesu Christi zu gedenken. Viele Menschen kommen in den Tagen der Karwoche unter dem Kreuz zusammen, um dieses Gedenken bewußt und klar zu vollziehen und um mit der Kraft dieses Gedenkens in den gewohnten Alltag zurückzukehren. Sie weichen diesem Kreuz nicht aus. Sie sinnen diesem Kreuz nach. Sie suchen es als Sinnbild zu verstehen. Und wer immer es versucht und vielleicht immer wieder einmal versucht hat, gemeinsam mit den anderen unter dem Kreuz sich in das Sinnbild des Kreuzes zu versenken, wird die Erfahrung machen, daß es wahr ist, was in einem Lied des Gesangbuchs steht:

„welch wundervoll hochheiliges Geschäfte! /
Sinn ich ihm nach, so zagen meine Kräfte." (EG 91,3)

Was das Kreuz Jesu, das Kreuz des Christus Gottes des Schöpfers, betrifft, werden wir immer wieder auf den Anfang, auf den Anfang des Erstaunens, zurückgeworfen werden. Anfänger bleiben. Wer in der Gemeinschaft des Glaubens, wer als waches Glied des Volkes Gottes in der Kirche bis ans Ende dieser irdischen Lebenszeit ein Anfänger sein und bleiben könnte in diesem Sinnen, hat bestimmt das gute Teil erwählt (Lk 10,42).  

II

Freilich: wenn wir uns mit den anderen in der Gemeinschaft des Glaubens, als Glied des Volkes Gottes in der Kirche, unter dem Kreuz versammeln, dann gedenken wir auf keinen Fall eines Toten. Wenn wir uns jetzt im Lied und im Gebet, in der Andacht und in der Feier des Abendmahls auf die Suche nach dem Verstehen dieses Kreuzes begeben, dann gedenken wir des Lebendigen (Apk 1,18). Wir gedenken dessen, von dem die zwei Männer in glänzenden Kleidern den bekümmerten Frauen sagen: Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten (Lk 24,6)? Wir gedenken dessen, dem Gott durch den Tod hindurch ewiges Leben gab. Wir gedenken dessen, der uns aus Gottes ewigem Leben gegenwärtig sein kann und gegenwärtig ist.

Das ist ja überhaupt die Voraussetzung, unter der wir uns in diesen Tagen in der Gemeinschaft des Glaubens, zu der wir - manchmal zweifelnd und fragend, manchmal verärgert und irritiert - doch gehören wollen, unter dem Kreuz versammeln und ohne die wir jetzt nicht da wären, wo wir sind. Es ist überhaupt der erste Schritt, der uns verstehen läßt, was wir glauben, und der uns glauben läßt, was wir verstehen. Von dieser Voraussetzung und von diesem ersten Schritt ist jedenfalls die Erzählung des Matthäus geprägt, die im Bekenntnis des Glaubens gipfelt: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen. Matthäus selbst, dieser große und begnadete Erzähler dieser Passionsgeschichte, hätte gar nichts zu erzählen gehabt, wenn er nicht im Lichte von Ostern hätte erzählen können. Es gibt seine Erzählung - wie überhaupt das ganze Neue Testament! - nur deshalb, weil er selbst eine österliche Situation erlebte, in der ihm die Errettung des Gekreuzigten aus dem Dunkel und der Qual des Todes gewiß geworden ist. Wär er nicht erstanden (EG 99), so wäre diese unsere Welt vielleicht nicht vergangen; aber wir würden uns von dem Gedenken unter dem Kreuz bestimmt keine Kraft erhoffen, die uns in unserem Alltag trägt und tröstet, orientiert und motiviert. Was der Erzähler Matthäus zu erzählen hat und was er an Zeichen und Verweisen, an Signalen und Zitaten in der Erzählung unterbringt, das ist Geist vom Geist der Auferstehung, das ist seine Antwort auf die Frage: Mußte nicht der Christus dies leiden, um in seine Herrlichkeit einzugehen (Lk 24,26)?

Diese seine Antwort suchen wir jetzt zu verstehen, um aus ihr jene Kraft zu schöpfen und in ihr jene Liebe zu spüren, die uns in unserem Alltag trägt und tröstet, orientiert und motiviert.

III

Mit dem Licht des Ostermorgens im Rücken leuchtet der Erzähler Matthäus mit der erzählten Leidensgeschichte des Christus einen Abgrund aus. Er läßt uns in die Tiefe blicken - dorthin, wohin niemand gerne blickt; dorthin, wohin manche Tiefenpsychologie uns blicken lassen möchte; dorthin, wo es noch Tieferes zu sehen gibt als das, was die Tiefenpsychologie zu sehen meint; dorthin, wo es zuletzt einen Gebetsruf zu hören gibt: Aus der Tiefe rufe ich, HERR, zu dir, höre auf meine Stimme (Ps 130,1)!

In dieser Tiefe werden drei Dinge für unser Nachdenken deutlich.

Erstens: in der Leidensgeschichte des Christus, wie Matthäus sie erzählt, treten die Kriegsknechte auf. Ein militärisches Kommando agiert. Es vollzieht eine Strafe, eine besonders qualvolle und grausame Rechtsstrafe. Diese Rechtsstrafe beruht auf Gewalt; und die Gewalt - die Gewalt des römischen Statthalters Pilatus in Judäa, die Gewalt des römischen Kaisers Tiberius - beruht auf Waffen. Sie ist bewaffnete Gewalt.

Unsere Welt: eine Welt in Waffen. Eine waffenstarrende Welt. Seit es Menschen gibt, erfinden sie Waffen: Waffen der Abwehr und Waffen des Angriffs. Immer neue und immer raffiniertere Waffen. Erst Keile und Steine, Bogen und Pfeile. Später Helme und Schilde, Schwerter und Lanzen. Schließlich das Schießpulver und die explosiven Waffen: Büchsen, Gewehre, Kanonen, Minen und Bomben. Zuletzt die Panzer, die Schlachtschiffe und die Überschalljäger, die Marschflugkörper und die interkontinentalen Raketen. Immer wieder setzen wir uns zu langen langwierigen Verhandlungen zusammen, um die militärischen Rüstungen einzugrenzen. Immer wieder aber erfindet jemand eine neue, eine wirkungsvollere, eine intelligentere Waffe, die neue ungeheure Summen kostbaren Geldes fordert und die eine neue Spirale der Rüstung in Gang setzt. Der Friede, den es Gott sei Dank gibt, beruht nach wie vor zuletzt auf dem System der gegenseitigen Abschreckung. Das Leben lebt davon, daß wir uns jederzeit gegenseitig den Tod antun können. Ohne Rüstung leben? Gott sei's geklagt: die blanke Illusion.

Mit den Kriegsknechten zeigt uns Matthäus etwas von der Tiefe in uns selbst. Er zeigt, wie sehr wir der Sicherheit bedürfen und wie wir noch das letzte kleinste Fenster der Verwundbarkeit zu schließen trachten. Er zeigt, wie sehr wir selbst Knechte des Krieges sind: wie wenig wir erschrecken über die Geschichte der Waffen und über die ungeheuren, ungeheuerlichen Opfer, die sie fordert. Und er mutet uns zu, dafür Motive zu benennen: etwa mit Carl Friedrich von Weizsäcker die „Friedlosigkeit als seelische Krankheit" zu erkennen, an der wir Menschen alle leiden, ob wir nun wollen oder nicht.

Das ist unsere Lage. Das ist die condition humaine.

Zweitens: In der Leidensgeschichte des Christus, die Matthäus mit dem Licht von Ostern im Rücken erzählt, treten auch die Spötter auf. Matthäus läßt nicht nur die Kriegsknechte nach dem Urteil des Pilatus mit dem Verurteilten ein höhnisches Spiel treiben; auch die zwei Mörder, die man mit ihm kreuzigt, läßt er schmähen; er läßt die Passanten lästern und er läßt die Hohenpriester und die Schriftgelehrten und die Ältesten, die religiöse und die politische Klasse, spotten. Jesu Haupt ist eben nicht nur das Haupt voll Blut und Wunden, sondern auch das Haupt voll Schmerz und voller Hohn, das Haupt, zum Spott gebunden mit einer Dornenkron - wie Paul Gerhardt ergreifend dichtet (EG 85,1). Was der Gekreuzigte, der Christus Gottes des Schöpfers, um seiner Herrlichkeit willen zu leiden hat, erregt in einer Welt, die sich zuerst und zuletzt von ihren Waffen Sicherheit verspricht, Spott und Hohn. Es ruft das mitleidlose und erbarmungslose Gelächter hervor, das mit dem heiteren und befreienden Lachen nichts zu tun hat.

Natürlich ist das Gelächter, natürlich ist der Witz als Waffe nicht grundsätzlich zu verachten. Es gibt ein Gelächter und es gibt einen Witz, mit dem wir etwas Wahres sagen, weil wir das Mißverhältnis zwischen dem bloßen Schein und der tatsächlichen Realität aufdecken. Deshalb fürchten die Tyrannen das Gelächter der kleinen Leute, und deshalb hat gar nicht so selten ein Witz den Kopf gekostet. Es gibt ein Gelächter und es gibt einen Witz, weil man nur zu gut versteht. Hier aber, in der Leidensgeschichte des Jesus, der der Christus Gottes des Schöpfers ist, beweist das Gelächter und beweist der Witz, daß man nicht versteht und nicht verstehen kann und will.

Es mag nämlich sein, daß die Soldaten der Besatzungsmacht und die Mörder und die Passanten und die religiöse und politische Klasse die Lage und die condition humaine gar nicht so anders sehen als der Erzähler dieser Leidensgeschichte selbst sie sieht. Es mag ja sein, daß sie alle selbst an dieser unausweichlichen Waffengewalt leiden und etwas von der seelischen Krankheit letzter Friedlosigkeit ahnen. Es mag ja sein, daß sie sich alle nach dem ewigen Frieden sehnen, den griechische Philosophie und römische Dichtung erwartet, den die Propheten Israels erhoffen und von dem zuletzt das Weihnachtsevangelium spricht (Lk 2,14). Es mag ja sein, daß sie alle nach einem Propheten des Höchsten (Lk 1,76) oder nach einem Heiland (Lk 2,30) Ausschau halten, der diesen sehnlichst erwarteten ewigen Frieden bringt. Es mag also sein, daß in diesem ganzen mitleidlosen und erbarmungslosen Gelächter und in diesen blöden Witzen eine schreckliche Enttäuschung zum Ausdruck kommt. Sollte wirklich so ein hilfloser Helfer, der wie ein Bandit oder wie ein Sklave an einem Kreuz hängt, ewigen Frieden bringen?

Ist der Spott dieser Spötter verstummt? Nun, er zeigt sich vielleicht nicht mehr in dieser gemeinen Form; in der vornehmen, in der intelligenten Form einer milden Ironie und eines melancholischen Lächelns zeigt er sich nach wie vor ganz gewiß. Er zeigt sich überall da, wo die Sehnsucht nach ewigem Frieden überhaupt lächerlich und bedeutungslos und gleichgültig geworden ist; und er zeigt sich überall da, wo die große Hoffnung auf den Frieden mit Gott (Röm 5,1) und auf den Gott des Friedens (Röm 15,33) nur noch das Kopfschütteln und das Schweigen erregt. Wenn wir uns in diesen Tagen unter  dem Kreuz versammeln und seine sinnbildliche Kraft zu verstehen suchen, dann stoßen wir auch auf den tiefen Zweifel daran, daß die seelische Krankheit Friedlosigkeit geheilt werden könnte.

Drittens: In der Leidensgeschichte des Christus Gottes des Schöpfers, die Matthäus mit dem österlichen Licht im Rücken erzählt, wird uns schließlich auch das Schlimmste nicht erspart. Dieses Schlimmste ist Finsternis - hier eine Finsternis am hellichten Tag, eine Finsternis, die sich natürlich genau so gut in der Abenddämmerung oder im Dunkel der Nacht ereignen kann.

Die Finsternis, die hier kommt, kann zu jeder Tageszeit kommen, eben weil sie keine äußere Finsternis ist. Sie kommt auch nicht von den brutalen Schmerzen und sie kommt auch nicht von dem ätzenden Spott und dem verletzenden Hohn. Sie ist nicht dasselbe wie die Angst, die jemand um sich selbst oder um seine Liebsten und Nächsten haben mag; sie ist auch nicht dasselbe wie die grenzenlose Verlassenheit, die Edith Stein  und ihre Schwester im Viehwaggon nach Auschwitz oder die Eltern am Grab ihres Kindes empfunden haben. Die Finsternis, die hier kommt, ist die innere Finsternis, die Finsternis des Geistes und des Gewissens. Sie kommt von der Angst um Gott. Von der Angst, daß es Gottes ursprüngliche Wirklichkeit und Gottes ursprünglichen Sinn gar nicht gebe. Von der Angst, daß es deshalb überhaupt keinen Sinn und kein Ziel für das sterbliche Leben gebe, nichts, wofür es sich lohnen würde zu leben. Von der Angst vor dem Umsonst. Die Finsternis, die hier kommt, ist die grauenvolle Finsternis der Verzweiflung: sie ist die Hölle.

Erst als diese Finsternis vorüber ist, läßt der Erzähler Jesus als den Christus Gottes des Schöpfers diesen lauten Schrei tun. Und er läßt ihn diesen lauten Schrei tun mit den Worten des 22. Psalms. Er läßt ihn diesen lauten Schrei tun mit den Worten eines herzzerreißenden Gebets. In diesem Gebet ist die Angst um Gott gebannt, auch wenn von Gottes Nähe oder gar von Gottes Gegenwart nichts zu erfahren ist. In diesem Gebet aus der Tiefe ist Gott ein Gebet weit / von uns entfernt (Nelly Sachs).

 IV

Viele Menschen kommen in diesen Tagen unter dem Kreuz zusammen. Betend und feiernd, nachdenklich und erwartungsvoll suchen sie das Sinnbild zu verstehen, unter dem sie sich hier sammeln. Sie tun es, weil sie alle wenigstens eine Ahnung haben von dem Abgrund, den Matthäus mit der Erzählung von dem Leid des Gottes- und des Menschensohnes ausleuchtet. Sie tun es aber auch, weil sie in diesen Abgrund im Lichte des Ostermorgens blicken.

Sie erkennen sich also selbst wieder in den Kriegsknechten und in den Spöttern und auch in der Erfahrung der Finsternis. Sie spüren etwas von der Knechtschaft des vergänglichen Wesens (Röm 8,21), in der uns Gottes ursprüngliche Wirklichkeit und Gottes ursprünglicher Sinn verborgen bleibt.

Aber sie vermögen auch - jeder und jede auf ganz eigene und ganz persönliche Weise, zögernd vielleicht und vielleicht aus ganzem Herzen - einzustimmen in das Bekenntnis des Glaubens, das Matthäus ausgerechnet dem militärischen Kommando in den Mund legt: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen. Denn mit diesem Bekenntnis sprechen wir alle, die wir zur Gemeinschaft des Glaubens und zum Volke Gottes in der Kirche gehören oder doch gehören wollen, die Gewißheit aus, daß Gott selbst dieses ganze vergängliche Wesen trägt und erträgt. Diese ganze condition humaine, diesen ganzen Zusammenhang von Schicksal und Schuld, von Leid und Verzweiflung, dieses unser Kreuz: in diesem, der in Wahrheit Gottes Sohn ist, nimmt Gott selbst es auf sich als seine Last. Uns zuliebe.

Deshalb ist das Kreuz, unter dem sich viele Menschen in diesen Tagen betend und feiernd, nachdenklich und erwartungsvoll versammeln, ein Bild des Trostes (EG 87,3). Was für die Spötter bis auf diesen Tag verrückt und dumm und skandalös erscheinen mag, ist doch im Lichte des Ostermorgens, das auf das Kreuz unseres eigenen Lebens scheint, die lautere Wahrheit: das Kreuz - das Bild der Geborgenheit. Und weil es die lautere Wahrheit ist, daß das Kreuz dessen, der in Wahrheit Gottes Sohn ist, für das Kreuz unseres eigenen Lebens das Bild der Geborgenheit ist, gibt das Beten und das Feiern, das Nachdenken und das Erwarten in diesen Tagen eine ganz eigene Kraft, mit der wir in den Alltag unseres Lebens zurückkehren.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne im Christus Jesus. Amen. 



Prof. Dr. Konrad Stock
Schwarzacker 11
35392 Gießen
E-Mail: konrad_stock@freenet.de

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