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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Palmsonntag, 01.04.2007

Predigt zu Matthäus 21:1-9, verfasst von Hanne Sander

Ich weiss, dass Bambusse keine Palmen sind - aber wir haben dennoch unsere Kirche heute mit Bambus geschmückt, denn der ist immerhin grün! und wenn es dem entsprechen sollte, womit wir winken, wenn königlicher Besuch kommt - ja, dann hätten wir dänische Flaggen in den Bänken verteilen müssen!

In Jerusalem wachsen Palmen - und deshalb winkte bei Jesu Einzug in Jerusalem mit Palmenzweigen - und dieses Ereignis hat seitdem dem einen der beiden Sonntage, an denen wir den Bericht von Jesu Einzug in Jerusalem hören, seinen Namen gegeben. Der zweite Sonntag, an dem wir denselben Text hören, ist der erste Sonntag im Advent.

Aber wie anders lautet derselbe Text zum Auftakt von Weihnachten! -

Und wie kann überhaupt dieselbe Geschichte beide Male verwandt werden, sowohl wenn es darum geht, sich zum Leben zu begeben, als auch dann, wenn es darum geht, in den Tod zu gehen?

Sie kann beide Male benutzt werden, wenn man sie als eine Geschichte von Gott hört als von dem, der sein Leben anderen gibt. Es ist die Macht, die Gott hat und die wir in Jesus sehen: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel. Jesus gebraucht "Eselstärken" - nicht Pferdestärken - und Eselstärken haben nichts Prahlendes an sich. Der Esel ist ein nützliches Tier, ein Tier, das tragen und schleppen kann. "In Wirklichkeit hat der Esel stärkere und andere Kräfte als 'Pferdestärken', faktisch sind es also Eselkräfte, von denen Ostern handelt," sagte neulich ein Kollege. "Nicht die Macht, über andere zu herrschen, sondern die Macht, die ihr Leben für andere gibt." Aber wie können wir das im Text von heute sehen? Konnte die Volksmenge in Jerusalem es sehen, als sie schrie und Jesus willkommen hieß?

Der Evangelist Matthäus hat in der Tat in seinem ganzen Evangelium recht oft vom "Sehen" gesprochen. "Siehe, da tat sich ihm der Himmel auf," schrieb Matthäus, als er von der Taufe Jesu am Sonntag Estomihi (vor der Passionszeit) erzählte - und am Sonntag danach hörten wir von der Versuchung Jesu in der Wüste - und wieder tauchte das Wort auf: "Siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm." Unterwegs hat es dann Sonntage gegeben, an denen wir durch die Berichte "sahen". Etwas Neues trat in Erscheinung, wo Jesus auftrat: Menschen wurde aus Krankheit und Not geholfen. Und dann heute wieder: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers."

Um seine Linie besonders deutlich zu machen, hat Matthäus in dem Text, der unmittelbar vorausgeht, davon erzählt, dass Jesus zwei Blinde heilt, die am Wege saßen und bettelten. Jesus fragt sie, was sie wollen, dass er für sie tun soll, und sie antworten ganz natürlich: Herr, dass unsere Augen aufgetan werden.

Es ist deutlich, dass Matthäus gern erzählen will, dass Sehen und Sehen Mehreres bedeuten kann. Denn trotz ihrer Blindheit sehen die beiden am Wege Sitzenden mehr als die Meisten, wenn sie rufen: Erbarme dich unser, du Sohn Davids. In ihrer Not haben sie einen klaren Blick und wissen anscheinend, dass Jesus zu einer Öffnung in ihrem Leben und buchstäblich zu einem Licht in ihrer Finsternis werden kann.

Aber die Freude hat auch ihren klaren Blick - und der ist nicht geringer als der der Not.

Die Menschen, die Jesus in Jerusalem empfangen, sehen auch mehr, als Augen zu sehen vermögen.

Matthäus erzählt von der Freude, die die Erwartung aufgebaut hat, von der Freude, die die Volksmenge überwältigt und sie sehen lässt, was sie sonst nicht gesehen hätte, und sagen lässt, was sie sonst nicht gesagt hätte.

Als sie Hosianna rufen und den Weg vor ihm mit Zweigen und Blumen schmücken, handeln sie ja gegen ihre eigene Erwartung und gegen ihre eigenen Vorstellungen von dem Messias, von dem sie hofften, dass er kommen und die Besatzungsmacht mit aller Gewalt vertreiben würde.

Das Auffällige ist, dass sie, obwohl sie ihren eigenen Augen nicht trauen, dem Mann wie einem König huldigen, obwohl er auf einem Esel daherreitet.

Und es ist wahr, was sie sehen. Es ist ein König, der seinen Einzug hält - und ihr Empfang ist auch wahr und echt.

Es erweist sich, die Freude enthält einen klaren Blick und eine Einsicht, die sich bei uns durchsetzen kann trotz unserer selbst und trotz unserer vorgefassten Meinungen - hier trotz der Vorstellung der Juden davon, wie sich ihr Leben und ihre Geschichte verändern sollten, wenn der Messias kam.

Intuitiv versteht die Volksmenge, dass sie ihre Hoffnung und ihre Erwartungen an den knüpfen kann, der in ihre Stadt reitet. Siehe, dein König kommt zu dir. Wenn sie also Hurra und Hosianna rufen, ist das zugleich ein Gebet: Dein Reich komme.

Denn nach dem, was sie von ihm gehört hatten, hatte er, wo immer er war, für das Leben von Menschen gekämpft - hatte er Menschen in unmenschlichen Situationen geholfen, so dass sie menschlich geworden waren. Und er war noch nicht fertig mit seinem Kampf. Sein letzter Kampf stand gegen den Tod selbst. Gegen den Tod, der Menschen fremd voreinander machen und sich zwischen Gott und Mensch stellen kann.

Es war der endgültige Kampf für die Wiedererrichtung des gebrochenen Verhältnisses, der nun anstand. Dein Reich komme.

Sah die Menge wirklich all das, als sie den Mann auf dem Esel sah?

Ja, und zwar genau mit dem klaren Blick, den Freude schenken kann. In den Augenblicken, in denen wir von Freude erfüllt sind, glauben wir auch an die Zukunft - und glauben wir, dass Vergangenheit und Tod überwindbar sind.

Aber genau wie der Augenblick und die Freude sich nicht festhalten lassen, lässt sich auch der Glaube nicht festhalten. In den Tagen, die nun folgten, glaubte die Menge immer weniger an das, was sie gesehen hatte - so wie auch wir Augenblicke des klaren Blicks nicht wieder herbeirufen wollen und nicht zu dem stehen wollen, dass die Freude uns dazu vermochte, das zu sehen, was wahr war.

Wir müssen uns in die stille Woche begeben und die Worte "Siehe, dein König kommt zu dir" zum Gebet werden lassen: Dein Reich komme - und zwar mit den von Luther hinzugefügten Worten: auch zu uns. Amen



Hanne Sander
Prins Valdemarsvej 62
DK-2820 Gentofte
Tel.: ++ 45 - 39 65 52 72
E-Mail: sa@km.dk

Bemerkung:
Text der dänischen Perikopenordnung
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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