Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Erntedanktag / 20. Sonntag nach Trinitatis, 05.10.2008

Predigt zu Matthäus 21:28-44, verfasst von Peter Skov-Jakobsen

Es gab welche, die sagten, dass sie nicht wollten, es aber doch taten. Es gab welche, die sagten, dass sie wollten, ließen es aber sein. Und dann waren da noch die, die Prügel bekamen, andere wurden ermordet, einer wurde gesteinigt - und am Ende hatte Gott gehofft, dass sein Sohn das alles begreiflich und annehmbar machen würde. Aber er wurde hingerichtet.

            Und dann heißt es: „Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volk gegeben werden, das seine Früchte bringt." Er ist der Eckstein, der alles zusammenhält, und wenn man auf diesen Stein fällt, wird man zerschellen; fällt er aber auf einen, dann wird man zermalmt."

            Es gibt keine Liebenswürdigkeiten in diesem Text. Es ist völlig klar, dass man so große Fehler machen kann, dass das Leben für einen dahinschwindet. Man kann zermalmt werden.

            Wir kennen das auch vom Leben, aus der Literatur, aus dem Film, dass eine Tragödie das Leben eines Menschen vernichtet. Manchmal gerät man völlig schuldlos in eine Tragödie. Naturkatastrophen, das Auto, das urplötzlich aus dem Nichts kam und ein Leben auslöschte, oder das unabsichtliche Unglück, das das Leben eines anderen Menschen vernichtete; die Geisteskrankheit, die einen entmachtete und die Vernunft und alles Empfinden amputierte und einen Menschen in Verzweiflung und Angst einschloss.

            Aber wir sprechen auch davon, dass etwas unser Herz zerbrechen kann. Vom Herzen kommt die Herzlichkeit, und in unserer Kultur ist das Herz der Sitz der Vertraulichkeit, der Hingabe, des Vertrauens, der Menschlichkeit. Alle diese Dinge werden im Körper unserer Gesellschaft herumgepumpt und halten ihn am Leben - alle diese Dinge werden zwischen uns herumgepumpt und halten uns lebendig.

            Die Herzlichkeit gibt uns Vertrauen, so dass Missverständnisse aus dem Weg geräumt werden können. Wo die Herzlichkeit regiert, ist man nachsichtig miteinander. Wo Menschen sind, werden auch Fehler begangen. Fehler kann man berichtigen, und man kann sie vergeben oder die Fehler können von neuem Leben verschüttet werden.

            Wohl etwas vom Wichtigsten, das wir von zuhause mitbekommen haben, ist, dass unsere Eltern uns etwas darüber beigebracht haben, was richig und was verkehrt ist. Und wenn wir einmal logen, stahlen, prahlten oder neidisch waren , dann haben sie uns etwas anderes gelehrt; aber sie haben uns unsere Fehltritte nicht etwig vorgehalten. Sie sagten uns, was wir verkehrt gemacht hatten, und dann trat die Herzlichkeit an die Stelle, und wir merkten, dass sie das Vertrauen hatten, dass wir wieder auf die Beine kommen konnten. Sie überließen uns eine Menge Leben und Sinn und ließen uns fühlen, dass es der Wahrheit auf Grund unseres Betragens nicht so gut ging. Aber die Wahrheit war nicht verschwunden, hatte sich nicht einmal verflüchtigt, sondern sie stand klar und deutlich vor uns und wartete nur darauf, dass auch wir ihren Widerschein mit eigenen Augen sehen konnten.

            Ich glaube, es ist ganz einfach! Man lernt nur, von sich aus zu vergeben, wenn man seinerseits einmal Nachsicht und Vergebung erfahren hat. Deshalb ist es auch ein Verbrechen, ein Kind in seinem Verbrechen hängen zu lassen. Nach der Rüge und der Schelte kommt das Leben und die Frölichkeit - Zorn und Ärger sind in die Flucht geschlagen! Die Einsamkeit und die Angst sind verstummt.

            Ihm oder ihr hat etwas das Herz zerbrochen, können wir sagen, und wir meinen damit, dass die ganze Welt für den Betreffenden ins Wanken geraten ist. Die Welt ging für ihn unter. Das Vertrauen ist zerstört worden; der Wahrheit wagte niemand zu glauben; die Liebe war heimatlos geworden.

            Ist das Herz erst einmal zerbrochen, dann ist es schwer, wieder Vertrauen zu finden. Wir wissen nur zu gut, wie das ist, wenn die Worte den Anderen nicht mehr erreichen. Wir wissen, wie es ist, wenn Verdacht einen beherrscht und man in den Taten Anderer nur noch Böses sieht. Wir wissen, wie das ist, wenn man sich nicht in den Anderen hineinversetzen kann und nur noch krampfhaft am Eigenen festhält, weil man befürchtet, sich selbst ganz und gar aus den Augen zu verlieren. Damals auf Golgatha war es, wie wenn das Herz der Welt zerbrach. Eine Finsternis kam über die Welt und eine eiserne Faust umgriff sie, und die Zukunft stellte sich nur als eine Bedrohung und eine Verbannung dar.

            Es gab wohl kaum Menschen, die einander in die Augen sehen konnten. Die Wörter hatten einen dumpfen Klang bekommen. Die Wahrheit konnte sie kaum zu einem Achselzucken bewegen. Es gab nur die verflixte Verwirrung, die sie umtrieb.

            Aber dennoch gab es die Erinnerung, die irgendwo lag und wuchs - sogar in ihren zerbrochenen Herzen. Es war die Erinnerung an den, der den blinden Bartimäus gesehen und sein Schreien gehört hatte - und er war es auch, der einmal einen Lahmen geheilt hatte. Er hatte auch die Frau bemerkt, die sich selbst verabscheute, genau wie die anderen sie verabscheuten, weil sie 12 Jahre lang geblutet hatte ­- er hatte sie dazu gebracht, einander zu sehen - er hatte ihr Misstrauen und ihre Angst voreinander entfernt - er hatte sie von ihren Verdächtigungen befreit und hatte sie sogar sehen lassen, dass ihre Feinde Menschen waren. Wenn ihre Erinnerung auf ihn fiel, entstand Leben - sogar in ihren zerbrochenen Herzen. Es war, als könnte die Erfahrung des Todes und der Bosheit sie nicht ersticken. Aller denkbarer Zynismus, Gleichgültigkeit, Fanatismus, Besserwisserei, Niedertracht verbreiteten noch immer Schrecken und vernichteten Menschenleben; aber in der babylonischen Verwirrung war es doch, wie wenn etwas in ihren zerbrochenen Herzen zu leuchten begann - wohl mag die Lüge und das Misstrauen noch immer lärmen, aber es gibt immer wieder ein Echo von der Geschichte von Jesus, der von den Toten auferstand und damit die Herzlosigkeit brach und den Blick von Menschen auf Glaube, Wahrheit, Hoffnung und Barmherzigkeit richtete - der uns den Glauben schenkte, dass die Frucht des Reiches Gottes darin besteht, dass wir zu glauben wagen, dass das Reich Gottes in zerbrochenen Herzen sprießt und uns Mut macht, der Welt mit Menschlichkeit zu begegnen - er macht uns glauben, dass wir Wahrheit und Liebe in die Welt bringen können, wenn wir an das Leben zu glauben wagen und unsere Herzlosigkeit, Verdacht, Dummheit und Rachgier besiegen!

Amen



Pastor Peter Skov-Jakobsen
København (Dänemark)
E-Mail: pesj(a)km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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