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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ewigkeitssonntag, 23.11.2008

Predigt zu Matthäus 11:25-30, verfasst von Inger Hjuler Bergeon

Meine heutige Predigt soll aus vier kurzen Kapiteln bestehen, aus vier kleinen Zugängen zum Text. Das Erste, was man bemerkt, ist die Tatsache, dass Jesus auf drei verschiedene Weisen spricht. Zuerst spricht er zu seinem Vater und sagt ich und du. Ich preise dich, und: du hast verborgen, und: es war dein Wille. Also direkte Rede , die er an einen richtete, der ihm gegenübersaß. Und da es Gott Vater ist, zu dem er spricht, so nennen wir das gewöhnlich ein Gebet.

                Dann spricht er zu jemandem, von dem wir nicht wissen, wer er ist. Wenn er sagt: Alles ist mir übergeben von meinem Vater usw. Wir wissen nicht, an wen sich Jesus nun wendet. Sein Vater kann es jedenfalls nicht sein, denn er spricht über sein Verhältnis zum Vater und dessen Verhältnis zu ihm. Er spricht also von etwas, vielleicht zu sich selbst, vielleicht zu einigen Zuhörern - vielleicht sind wir es.

                Und dann wechselt er noch einmal die Redeform. Jetzt spricht er in der 2. Person Plural: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid. Und jetzt ist der Rest der Rede an einige Menschen gerichtet, eine direkte Rede. Eine direkte Aufforderung. Er wechselt also in 10 bis 12 Zeilen zwischen den Angeredeten und dem, worüber er spricht. Aber irgendwie hängt das Ganze dennoch zusammen. Denn das Erste kristallisiert sich gleichsam in dem Letzten heraus: "Kommt alle zu mir, nehmt auf euch mein Joch." Denn er fordert uns auf, ihm zuzugehören, wie er seines Vaters ist, und auf diese Weise knüpft er uns, alle drei Partner, können wir sagen, in einer großen gemeinsamen Verbindung zusammen. Mit der Überschrift: Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, mein Joch ist gut, meine Last leicht.

                Das war das erste Kapitel: die vielen Redeformen, in einem einzigen kleinen Stück Text. Erst ein Gebet, dann eine Rede über etwas und dann zuletzt eine Aufforderung oder Einladung.

                Nun zum zweiten Kapitel. "Kommt her zu mir, die ihr mühselig und belanden seid, mein Joch ist gut und meine Last ist leicht" - diese Worte der Bibel gehören zu dem, was die Menschen am meisten lieben in unserer Bibel. Wenn man sich  nicht gerade getroffen fühlt, mögen es vielleicht etwas sentimentale Worte sein, aber sobald man auch nur eine Ahnung davon bekommen hat, was es heißt, sich nach Ruhe zu sehnen und dass einen jemand empfängt, ohne eine Gegenleistung unsererseits, ja, dann weiß man, wie diese Wort bis in die tiefsten Schichten der Seele gut tun. Diese Worte sprechen zutiefst zu uns.

                Und es gibt zwei künstlerische Auslegungen dieser Worte, die wohl viele Menschen kennen und lieben. Und die vielleicht etwas eigenwillig sind, wenn man die Worte der Bibel hört. Die eine findet sich in Händels Messias, in einer Arie, die zuerst Jesajas Worte vom Hirten zitiert, der seine Herde weidet, und dann unmerkbar übergeht zu den Worten: Kommt her zu mir, die ihr mühselig seid, und ich will euch Ruhe geben. Und die zweite ist Thorvaldsens Christus-Statue im Dom von Kopenhagen, wo Chrisuts mit ausgebreiteten Armen dasteht, einladend, ein wenig nach vorn gebeugt, so dass wir sehen können, dass er meint, was er sagt: Kommt nur her. Aber seine Hände sind durchlöchert, haben Löcher von Nägeln. Thorvaldsen hat sich also entschieden, den gekreuzigten Christus einladen zu lassen, auch mit der Wunde in der Seite von der Lanze. Bei Matthäus geschieht es sehr viel früher im Leben Jesu, dass er alle einlädt, bei ihm Ruhe zu finden, weil sein Joch gut und seine Last leicht ist. Thorvaldsen zeigt, wie die Last aussehen könnte. Und dennoch wird eingeladen. Unter der Statue von Thorvaldsen stehen deshalb die berühmten Worte: Kommt zu mir!

                Diese Statue ist vielleicht die bekannteste Christusdarstellung überhaupt in der Welt. Und ja, sie ist kopiert in zahllosen Gips- und Porzellanausgaben. Ende des 19. Jahrhunderts gehörte zu einem jeden Haus mit Klavier auch ein solcher Thorvaldsen-Christus.

                Sie muss also tief in uns sprechen, diese stille Aufforderung des Mannes der Leiden, wenn wir immer wieder Konzertsäle und Kirchen füllen, um Händels Messias zu hören und wenn Thorvaldsens Christus so verbreitet sein konnte, dass ihn jedermann wiedererkennen konnte.

                Ich glaube, es ist die Verbindung einer Verheißung und einer Zukunft, die ohne Utopie und ohne falsche Hoffnungen ist. Hier wird nicht alles mögliche Gute und Schöne versprochen. Es wird kein Erfolg versprochen, denn es sind von Nägeln durchbohrte Hände, die einladen. Sondern es wird müden und erschöpften Menschen Ruhe verheißen. Eine Einladung, ein Angebot, aber nicht um uns in stiller Ruhe einem passiven Zustand zu überlassen. Es ist auch eine Zukunft darin enthalten. Denn es wird Ruhe für alle ermatteten und verschlissenen Menschen angeboten und es wird zugleich dazu aufgefordert, sein Joch auf sich zu nehmen. Und wir wissen, das forderte seinen Preis und hatte seine Unkosten.

                Das war der zweite Zugang: ein Christus, der Ruhe anbietet und müde und erschöpfte Menschen einlädt und der uns auffordert, dass wir sein Joch auf uns nehmen.

                Das dritte Kapitel soll sich deshalb mit dem Joch und der Last befassen.

                Weil wir das Wort Joch nicht mehr verwenden, hat sich die Auffassung durchgsetzt, dass ein Joch dasselbe ist wie eine Last. Oh, verschone mich von diesem Joch, können wir wohl fast seufzen. Aber ein Joch ist keine Last, sondern ein Gerät, das hilft, Lasten zu tragen. Ja, ein Hilfsgerät, das bewirkt, dass Lasten leichter zu tragen sind, weil man das Gewicht besser verteilen und die Konstruktion seiner Schultern ausnutzen kann, anstatt lahme Arme und Schmerzen in den Muskeln zu bekommen. Mit einem guten Joch kann man schwere Lasten leichter tragen. Ein Joch ist also keine neue Last zu den übrigen, sondern ein Hilfsgerät. Und man sagt, früher war es ein Liebesgeschenk, vielleicht ein Verlobungsgeschenk, wenn ein junger Mann ein gutes Joch für seine Braut schnitzen konnte. Eines, dass auf ihre Schultern passte. So perfekt passte, dass sie keine Spuren auf der Haut davontrug, wenn sie täglich Eimer und andere schwere Dinge zu tragen hatte. Kleine Mädchen, die viel tragen konnten und mussten und die ein Joch bekamen, das ihnen passte und in ihrem Alltag unentbehrlich war.

                Diesen kleine Umweg wollte ich gehen, um die Worte Jesu zu öffnen, wenn er sagt, mein Joch ist gut und meine Last leicht, nehmt mein Joch auf euch. Er sagt nämlich nicht: tragt meine Lasten, oder: tragt Lasten wie ich. Nimm all das Schwere auf dich, das du tragen kannst, suche die Lasten, so dass du für dein Leben so recht bezahlen kannst, indem du wirklich zeigst, dass du es wert bist. Das sagt er gerade nicht. Er spricht nicht davon, dass wir Lasten auf uns nehmen sollen. Sondern er fordert uns auf, dass wir sein Joch auf uns nehmen. Also sein Gerät zu gebrauchen. Für die Lasten, die sich unterwegs ergeben, könnten wir dann hinzufügen, und die wir alle teilweise zu tragen haben werden.

                Dass ich diesen Unterschied zwischen Lasten und Joch hier skizziere, geschieht nicht, damit wir die deutschen Worte nicht missverstehen, sondern es hat einen tiefen religiösen Grund. Denn wir haben in uns - und zwar nicht nur wir Christen und nicht nur die passionspflegenden Katholiken oder die fleißigen Protestanten, sondern wir alle - wir haben in uns eine merkwürdige Form eines Wunsches nach Leiden und Opfer. Auch z.B. in dem griechischen Nemesis-Gedanken, dass es sich rächen werde, wenn man allzu glücklich gewesen ist und sich allzu sehr darüber freut... Es soll wehtum, offenbar, damit wir es genießen können, am Leben zu sein. Dafür muss man bezahlen. Wir können uns ja lustig machen über den Missbrauch von Ablassbriefen im 16. Jahrhundert und über das Opfer, das man sich abverlangte, um dem Fegefeuer aus dem Wege zu gehen und Erlösung zu erlangen. Und wir sind aus gutem Grund sehr zufrieden mit Luhters Auseinandersetzung damit. Und doch schleicht sich der Opfergedanke und die Opferrolle überall ein, vielleicht als Selbstbestrafung. Man glaubt, man hat es nicht besser verdient... Psychologisch sind wir von Opferrollen und Minderwertigkeitsvorstellungen geplagt, - heutige Menschen leiden wirklich darunter. Vielleicht mögen nur Wenige religiös darüber sprechen und meinen, es gehöre einfach zum Leben, dass wir so eifrig sind und ein so hohes Tempo draufhaben und uns selbst so viele Pflichten auferlegen, dass wir vielleicht gar nicht so viel zu sagen haben zu denen, die wir Flagellanten nennen. Die, die sich im Mittelalter selbst auspeitschten, vielleicht obendrein in aller Öffentlichkeit, um Erlösung zu erlangen. Unsere Flagellanterei kommt in einem Arbeitstempo zutage, das für viele lebensgefährlich ist, und in einem Aktivitätstempo, das u.a. wie nie zuvor gestresste Kinder hervorbringt. Und in einer Körperkontrolle, durch die Anorexie zu einer Kulturkrankheit und Fettabsaugen zu einer ganz gewöhnlichen Möglichkeit geworden ist. Man wundert sich, dass wir uns auf diese Weise selbst peinigen. Dass wir uns Lasten auferlegen, uns müde schleppen. Ausgemergelt. Schlaflos.

                Und das ist es eben nicht, wozu Christus einlädt. Er lädt nicht zu Selbstquälerei ein. Er lädt dazu ein, sein Joch zu tragen. Denn es ist ein gutes Joch. Es macht die Last leicht.

                Und damit zum letzten Zugang, zum vierten Kapitel: Was ist das für ein Joch, das Lasten leicht machen kann? Also nicht leicht in dem Sinne, dass sie weniger wiegen, denn das hat kein Joch je vermocht - die Eimer hatten dasselbe Gewicht, aber ein Joch bewirkt, dass man immerhin die Last tragen kann.

                Ich glaube, dass das Joch die Liebe Christi ist.

                Joch ist Liebe. Liebe, wie Christus selbst war und sie lebte. Und deshalb zeigt Thorvaldsen ihn mit ausgebreiteten Armen und durchlöcherten Händen. Und deshalb lädt er alle Müden und Erschöpften ein und verspricht Ruhe.

                Das Joch ist Liebe, und deshalb wie ein Hilfsgerät, um Lasten zu tragen. Nicht Lasten, die wir aufsuchen sollen, um für unser Dasein zu bezahlen. Sondern die Lasten, die mit einem jeden Dasein verbunden sind. Sie sind tragbar, wenn Liebe sie bildlich gesprochen auf unsere Schultern legt. Eine Liebe, die von Christus selbst gelebt und gezeigt wurde.

                Es gibt viele Lasten, auf die wir in unserem Leben gern verzichtet hätten. Und zugleich gibt es die merkwürdige Tatsache, dass Lasten leichter wurden, wenn wir sehen, dass verschiedene Lasten einfach nur dann zu tragen waren, wenn Liebe mittrug. Es waren dieselben Lasten, aber leichter zu tragen. Christus trug mit, als das Joch, als die Liebe, die bewirkte, dass man vor der Last nicht davonlief oder der Last unterlag, sondern sie tragen konnte.

                Der vierte Zugang ist also dieser: das Joch als Liebe auszulegen.

Wir wollen die Verheißung noch einmal hören:

Kommt zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, und ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch, und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, dann werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist gut, und meine Last ist leicht.

Amen

 

 



Pastor Inger Hjuler Bergeon
Odense (Dänemark)
E-Mail: ihb@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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