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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Advent, 07.12.2008

Predigt zu Lukas 21:25-33, verfasst von Andreas Schwarz

25 Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, 26 und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. 27 Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. 28 Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.  29 Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: 30 wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass jetzt der Sommer nahe ist. 31 So auch ihr: wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist. 32 Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht. 33 Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht.

 

Liebe Gemeinde,

vor einigen Jahren lief im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ein spannender Film mit dem Titel "Die Flutwelle". Gezeigt wurde ein Ferienort an der deutschen Nordsee. Dort wurden die verantwortlichen Menschen mit einer Schreckensnachricht konfrontiert. Aufgrund der allgemeinen Erhöhung der Temperatur auf dieser Erde hat sich im nördlichen Eismeer ein riesiger Gletscher von der Größe eines deutschen Bundeslandes gelöst und sich in Richtung Süden in Bewegung gesetzt. Eine Umweltorganisation hat es beobachtet und gemeldet.

Die Reaktion der Politiker war die, dass diese Nachricht nicht ernst genommen, sondern belächelt und als Panikmache der Umweltapostel abgetan wurde.

Als der aufgetaute Gletscher in Form einer bisher nicht gekannten Flutwelle in die Nähe Norddeutschlands kam, war die Einsicht für viele zu spät. Große Teile Dänemarks, Schleswig-Holsteins, Hamburgs und Niedersachsens wurden überflutet. Den Betroffenen fiel augenblicklich das Stichwort „Sintflut" ein. Auch da wurde ja einer wegen seiner Panikmache belächelt - und dann hat die Flutwelle alles unter sich begraben.

Nun war das ganze ein Film, ein wenig Science-Fiction. Aber die Reaktion der Leute scheint das menschliche Wesen zutreffend zu beschreiben.

Zunächst war es die Abwehr: 'so schlimm wird es schon nicht werden'; 'uns wird schon nichts geschehen', 'das ist doch alles nur Panikmache'.

Als sich die Anzeichen verdichten, bricht das Chaos aus, pure Angst, Verzweiflung, Selbstmorde; und manche erstarren und werden völlig teilnahmslos vor der hereinbrechenden Katastrophe.

 'Sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde‘. (V25)

Es war im Film wie ein Versuch, solch ein über uns hereinbrechendes und nicht aufzuhaltendes Chaos anschaulich zu machen an der Reaktion der Menschen.

Genau das ist das Anliegen im heutigen Evangelium. Nicht die Art und Weise, wie sich denn das Ende dieser Erde abspielen könnte, sondern was es für die Menschen bedeutet, spielt in den Worten Jesu die entscheidende Rolle.

Unsere eigenen Beobachtungen geben uns genügend Beispiele dafür, wie es denn gehen könnte - ob es die Sonnenstrahlen sind, die am Ende die Erde verbrennen; ob es die Meere sind, die mit Flutkatastrophen die Menschheit unter sich begraben - der Tsunami vor vier Jahren hat es angedeutet, wie grausam das aussehen könnte; ob es Atombomben sind, die unberechenbare Staatsmänner in wilder Verzweiflung zu zünden befehlen, ob es außer Kontrolle geratene Atomkraftwerke sind. Diese Welt hat schon einiges erlebt, was sich einmal als endgültige Katastrophe entwickeln könnte. Es ist anschaulich geworden, was es bedeutet: 'denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen'. (V26)

Wenn die Bibel von solchen Dingen erzählt, die sich mit dem Ende dieser Welt beschäftigen, dann heißt das im Fachwort: Apokalyptik. Es ist ein Fremdwort aus dem Griechischen. Aber es ist durchaus im Gebrauch. Im Besonderen auch wieder durch Filme. Und es hat immer wieder einen furchterregenden, also unangenehmen, uns bedrängenden Charakter. Apokalypse bedeutet dann soviel wie: Chaos, alles gerät außer Kontrolle, unausweichliches Ende für die Menschheit. Apokalypse bedeutet aber nichts anderes als: Offenbarung, Aufdeckung. Alles wird offengelegt. Anders gesagt: was im Wort Gottes angekündigt, bzw. verheißen war, das wird sich sichtbar erfüllen. Wir werden erleben, was wir glauben: dass diese Erde nicht bleibt, sondern vergeht; dass alles, was wir für dauerhaft halten, alles, was sich bewährt hat, alles, was uralten Gesetzmäßigkeiten folgt - kurz: dass alles ins Wanken geraten wird. Was wir für festen Boden unter unseren Füßen halten, weil wir seit langen Zeiten darauf gehen und stehen, wird uns weggerissen. Was für uns wie ein Halt aussah, wird nicht mehr existieren.

Und dann?

Was bleibt denn, wenn das alles vergeht?

Gibt es einen Anker, der standhält und dauert?

Was ist sicher, wenn nichts von dem, was wir erlebt haben und kennen, sicher bleibt?

'Alsdann werden sie sehen den Menschensohn'.  (V27)

Es gibt etwas zu sehen. Natürlich gibt es in einem Chaos etwas zu sehen. Aber das ist es ja eben, was den Menschen die Furcht eintreibt, was sie verzweifeln und ratlos werden lässt. Sie sehen - und wissen keinen Rat mehr. Als die Flutwelle vor der Küste war, da war guter Rat nicht nur teuer, sondern unerschwinglich.

Jesus gibt etwas zu sehen, was mit bloßen Augen nicht zu sehen ist. Zu sehen ist der Untergang. Er aber gibt sich zu sehen. Im Angesicht dessen, dass alles vergeht, gibt Jesus Christus sich zu sehen. Die Zukunft, wie immer sie aussehen wird, - und sie wird den Untergang der Welt bringen, - ist die Zukunft unseres Herrn Jesus Christus. Es ist ganz wichtig, dass wir diesen entscheidenden Teil unseres Glaubens nicht unterdrücken oder verschweigen. Jesus Christus ist der Herr durch alle Zeitebenen hindurch. Er war der Herr lange vor unserer Zeit; die Vergangenheit ist schon seine Zeit gewesen. Weiter als Men­schen zurückdenken können, ist es immer schon seine Zeit gewesen. Und so kommt auch unser Leben von ihm. Wir glauben, dass er lebt, dass er uns hört und begleitet, dass die Gegenwart seine Zeit ist. Und genauso ist auch die Zukunft seine Zeit. Sie mag so unvorstellbar sein, wie die Vergangenheit, weil wir nicht wissen, was sie bringt. Eines aber ist Inhalt unseres Glaubens, dass die Zukunft IHN bringt. Anders gesagt: dass ER uns auch die Zukunft bringt. Es gibt unseren Herrn nur ganz, auf allen Zeitebenen. Wir können ihn aus keiner heraus­drängen oder ihn für nicht zuständig erklären. Die Zukunft - und mag sie für diese Erde noch so grausam sein - ist seine Zeit. Was kommt, wissen wir nicht; aber dass ER kommt, glauben und hoffen wir. Bei aller Unsicherheit dieser Welt, die wir als Christen ja auch teilen, haben wir diese Gewissheit: Christus kommt. Und wenn alle Welt den Kopf hängen lässt, wenn alle Menschen zu verzweifeln drohen, wenn die Furcht und die Panik grenzenlos wer­den, Angst die Menschen zerstört, dann haben wir allen Grund, uns aufzurichten und nach vom zu sehen. Es droht nicht das Aus, es naht unsere Erlösung. Was auf uns zukommt, ist nicht unsere Exekution, sondern unsere Erlösung, d.h. wir werden herausgenommen aus der Ver­gänglichkeit. Was uns Sorge macht, was uns Furcht einflößt, was uns resig­nieren und verzweifeln lässt, was Panik auslöst - aus all dem werden wir vom Menschensohn erlöst. Darum wird uns von ihm selbst ein Grund gegeben, aufrecht zu leben, nach vorn zu sehen. Ganz realis­tisch; wir erwarten die Dinge schon, die da kommen sollen und erken­nen sehr wohl eine Menge Anzeichen, die die Tendenz haben, das Le­ben auf dieser Erde unmöglich zu machen. Wir haben auch teil an der Ratlosigkeit der Menschen, weil wir nicht wissen, wie die Probleme dieser Welt zu lösen sind. Was wir aber glauben, ist das Ziel; dass diese Erde nicht in einem tiefen, schwarzen Loch versinkt, sondern es eine Zukunft gibt. Die erscheint, wenn der Menschensohn kommt. Dann sehen wir, was wir jetzt hoffen.

Es ist ihm selbst sehr wichtig, dass das ein fester Bestandteil unseres Glaubens bleibt, darum erzählt er ein Gleichnis. Damit wir es noch besser verstehen.

Die Zeichen der Natur verstehen wir; wir erkennen die Gesetzmäßig­keiten und stellen unser Leben drauf ein. Wir kennen den Ablauf der Jahreszeiten und richten uns mit Saat und Ernte und auch mit der Er­nährung entsprechend darauf ein. Wenn wir sehen, wie die Bäume ausschlagen, dann wissen wir: jetzt kommt der Sommer. Wenn wir also erkennen, dass die Zeichen das Ende dieser Welt immer deutlicher werden lassen, dann wissen wir: das Reich Gottes ist nahe. Es prägt unseren Glauben in ganz entscheidender Weise, dass er von der Hoffnung bestimmt wird. Eine Hoffnung, die durch das Leben auf dieser Erde hindurchträgt. Das Leben hat oft genug eine Menge mit Leiden zu tun, mit Verzicht, und darum auch mit Angst und Ver­zweiflung. Menschen werden ratlos, wenn sie diese Welt in ihrer Grausamkeit erleben; Ärzte werden ratlos, wenn sie mit ganz bestimmten Krankheiten konfrontiert werden; Wissenschaftler werden ratlos, wenn sie mit Vorgängen der Natur konfrontiert werden; Politiker sind ratlos, wenn sie Hunger, Arbeitslosigkeit und Ungerech­tigkeit lindern sollen.

Gott sei Dank können wir tatsächlich vieles besser machen, lindern, ansatzweise ändern. Den erlösenden Rat in dieser Welt gibt es hingegen nicht. Aber wir haben eine Hoffnung, die uns nicht verzweifeln lässt, die Mut macht, zu leben.

Eine Hoffnung, die uns leben lässt in dieser Welt; die mit dieser Welt und ihren Menschen leidet; die den leidenden und verzweifelten Menschen Mut macht. Eine Hoffnung, die auch anfassen kann und kämpfen kann gegen die Zerstörung und das Leid. Unsere Hoffnung kann sich Menschen an die Seite stellen, ihnen beistehen in ihrem Leid, ihnen tragen helfen, für sie da sein, vom Leben aus der Hand unseres Herrn Christus zeugen.

Wir können nach vorn schauen auf das Leben, weil sich unsere Erlö­sung naht. Wir schauen nicht wehmütig nach hinten - da war das Leben auch nicht, und es war auch nicht besser; wir schauen nicht nach unten, weil wir keinem Menschen und schon gar nicht der Zu­kunft mehr trauen - da versinken wir im Selbstmitleid. Wir schauen nach vom - was immer kommt: es kommt der Herr, unser Erlöser. Die Welt mag vergehen, sie wird es, seine Worte nicht. Und das sind die Worte des ewigen Lebens.

AMEN!

 

Liedvorschläge:        Wir warten dein, o Gottes Sohn                 EG 152

                                   O Heiland reiß die Himmel auf                   EG   7



Pfarrer Andreas Schwarz
Pforzheim
Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden
E-Mail: Ev.Luth.Pforzheim@arcor.de

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