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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Advent, 07.12.2008

Predigt zu Lukas 21:25-33, verfasst von Mira Stare

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn,

„Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen, und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres" (Lk 21,25). Mit dieser Botschaft beginnt das heutige Evangelium. Sie klingt eher als eine Drohbotschaft, die uns wach macht. Noch mehr, sie erschüttert und verunsichert uns. Sie zeigt unsere Macht- und Ratlosigkeit gegenüber dem Toben und Donnern des Meeres. Sie erschüttert unser Bild der Weltordnung aus dem Genesisbuch, das unsere Glaubenstradition zutiefst prägt. Denn in den ersten Versen der Bibel wird das schöpferische Handeln Gottes geschildert. Alles, was Gott schafft, hat einen Platz in der Schöpfung und wird von ihm als gut „gesehen". So lesen wir im Schöpfungsbericht:

„1 Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde  2 die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut, und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.  3 Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht.  4 Gott sah, dass das Licht gut war. Gott schied das Licht von der Finsternis,  5 und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend, und es wurde Morgen: erster Tag.  6 Dann sprach Gott: Ein Gewölbe entstehe mitten im Wasser und scheide Wasser von Wasser.  7 Gott machte also das Gewölbe und schied das Wasser unterhalb des Gewölbes vom Wasser oberhalb des Gewölbes. So geschah es,  8 und Gott nannte das Gewölbe Himmel. Es wurde Abend, und es wurde Morgen: zweiter Tag.  9 Dann sprach Gott: Das Wasser unterhalb des Himmels sammle sich an einem Ort, damit das Trockene sichtbar werde. So geschah es.  10 Das Trockene nannte Gott Land, und das angesammelte Wasser nannte er Meer. Gott sah, dass es gut war..." (Gen 1,1-10)

Nun kündet Jesus in seiner Endzeitrede im Lukasevangelium den Zusammenbruch dieser Schöpfung an. Es wird zu Zeichen an Sonne, Mond und Sternen kommen, zum Toben und Donnern des Meeres, zur Bestürztheit und Ratlosigkeit der Menschen. Dieses Geschehen wird sich zu einem globalen Zusammenbruch fortsetzen. Denn Jesus stellt fest: „Himmel und Erde werden vergehen" (Lk 21,33). 

Jesus konfrontiert seine Zuhörer/innen und auch uns heute mit der Vergänglichkeit der Schöpfungsordnung wie auch der gesamten Schöpfung. Die Schöpfung bleibt nicht immer gleich. Sie verändert sich und ist vergänglich. Jesus zeigt, dass die scheinbar feste Welt zusammenfallen wird und keinen Halt mehr geben kann. Er nimmt uns die Sicherheit weg, in der Schöpfung und ihrer Ordnung die letzte Sicherheit und den letzten Halt zu suchen. Denn die Himmel und die Erde werden gewiss vergehen.

Jesus löst aber in seinen Adressaten und auch in uns nicht nur Unsicherheit, sondern auch Fragen aus: Wenn Himmel und Erde vergehen werden, bleibt dann noch etwas? Gibt es etwas, was nicht vergeht? Wo ist der letzte und bleibende Halt zu finden?

Obwohl angstmachende Bilder im heutigen Evangelium stark sind und teilweise sogar im Vordergrund stehen, gibt es auch andere Bilder, die Hoffnung und Zuversicht geben. Jesus verspricht sein Kommen. Ausgerechnet in dieser Situation des Weltuntergangs wird er, der Menschensohn, mit großer Macht und Herrlichkeit auf einer Wolke kommen. Er, der Menschensohn, wird so wie Gott selbst kommen. Dieser verlässt die von ihm geschaffenen Menschen nie. Durch das Kommen Jesu Christi ist für uns Menschen auch in dieser chaotischen Situation die Erlösung nahe. Das ist für die Christen und Christinnen Grund genug, um sich aufzurichten und das Haupt zu erheben. Diese Reaktion, zu der Jesus seine Adressaten aufruft, begründet er: „Denn eure Erlösung ist nahe ... Das Reich Gottes ist nahe" (Lk 21,28.31). Und im Gegensatz zur Vergänglichkeit des Himmels und der Erde, werden seine Worte bleiben. Er sagt: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen" (Lk 21,33).

Liebe Glaubende, diese Worte Jesu sind zutiefst eine Frobotschaft Jesu. Wir können gewiss sein: Er und seine Worte bleiben. Er bleibt uns treu und kommt zu uns, auch wenn sich unsere Welt verändert oder sogar zusammenbricht. Ein Christ / eine Christin ist ein Mensch, der / die den Kopf nicht hängen lässt, auch angesichts des „Weltuntergangs". Er / sie braucht nicht in Panik und Angst zu geraten. Denn er / sie ist sich gewiss, dass Jesus Christus, der Erlöser, kommt und schon bei ihm / ihr ist. 

Am heutigen Sonntag sind wir eingeladen zum persönlichen Nachdenken: Wo suche ich Sicherheit in meinem Leben? Was gibt mir Halt? Wann gerate ich in Panik und Angst? Wann bricht meine / unsere Welt zusammen? Noch stärker sind wir aber zur Freude und zum Dank eingeladen, dass Gott uns in seinem Sohn Jesus Christus treu bleibt und zu uns kommt - gestern, heute, morgen und am Ende der Zeit. Darum richten wir uns schon heute auf und erheben wir unsere Häupter! Amen.



Dr. Mira Stare
Institut für Bibelwissenschaften und Historische Theologie, Graz
E-Mail: mira.stare@uibk.ac.at

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