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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Heiliger Abend, 24.12.2008

Predigt zu Lukas 2:1-14, verfasst von Rudolph Arendt

"Ehre sei Gott in der Höhe, und auf Erden Friede"

             Diese Worte aus dem Weihnachtsevangelium kennen wir alle. Unter allen christlichen Festen ist Weihnachten das Fest, das die meisten Menschen wertschätzen. Und unter allen Worten im Neuen Testament ist dieses Wort gewiss dasjenige, das die meisten Menschen kennen.

             Sie handeln davon, dass Gott die Ehre erwiesen wird und dass die Erde Frieden erhält.

             (Das Wort ist so bekannt, dass wir gleich beim Hören des Anfangs: Ehre sei Gott in der Höhe, an die Fortsetzung denken: und auf Erden Friede. So sind die beiden Dinge, die Ehre Gottes und der Friede der Erde,  im Weihnachtsevangelium miteinander verwoben, dass sie sich nicht mehr voneinander trennen lassen. Und das ist denn auch der Sinn des Wortes, dass die beiden Dinge untrennbar sind.)

             Es gibt zahlreiche Erklärungen, warum es unter Menschen keinen Frieden gibt. Das Evangelium hat seine Erklärung, die es unermüdlich wiederholt: wenn Unfriede zwischen Menschen herrscht, dann geschieht das, weil Gott nicht geehrt wird; weil die Menschen die Ehre haben wollen, die allein Gottes ist.

             Man berichtet über einen namhaften führenden Kirchenmann, dass man ihm einmal die Frage vorlegte,  wie es der Gemeinde in seiner Gegend gehe. Er antwortete, dass es ihnen in vielerlei Hinsicht in ihrer Gemeinschaft gut gehe, nur wenn die Ehre verteilt werden solle, sei immer zu wenig vorhanden. Und dann entstehe Unfrieden.

             Eigentlich ist es eine gute Sache, dass die Menschen einander ehren. "Willst du ihn lieben und ehren? Willst du sie lieben und ehren?" fragt man, wenn zwei Menschen in der Kirche heiraten. Soll Friede herrschen zwischen Menschen, so müssen sie einander ehren.

             "Ehre, wem Ehre gebührt!" Ein jeder Mensch sollte geehrt werden um dessentwillen, was er ist, ein Mensch. Er darf nicht wie ein Ding behandelt werden, das man mit Füßen treten oder sonst nach Belieben behandeln kann.

             Aber wenn Ehre zwischen Menschen notwendig ist, damit Friede zwischen Menschen sein kann, dann ist die Ehre auch der Grund dafür, dass Unfriede zwischen Menschen eintritt, nämlich wenn man, anstatt einander Ehre zu geben, anfängt, voneinander Ehre anzunehmen, oder voneinander zu nehmen.

             (Solange man einander Ehre gibt, ist genug Ehre vorhanden, sie zu verteilen. Aber sobald man anfängt, einander Ehre zu stehlen, ist zu wenig davon da, und dann kommt der Unfriede.)

             "Wie könnt ihr zum Glauben kommen, wenn ihr voneinander Ehre annehmt?", sagte Jesus einmal (Joh. 5,44)

             Damit meinte er: wenn der Mensch nicht an Gott glauben kann, so geschieht das nicht, weil die Menschen ihn nicht sehen oder bewiesen bekommen können, sondern ganz einfach, weil die Menschen voneinander Ehre annehmen. An Gott glauben ist doch Gott die Ehre geben. Aber anstatt Gott zu ehren, waren die Menschen mehr darauf aus, von Menschen geehrt zu werden.

             Jesus sagte nicht: "Wie könnt ihr glauben, wenn ihr einander Ehre gebt?" Denn Menschen können sehr wohl Gott Ehre geben und zugleich Menschen Ehre geben. Gott zu ehren ist auch, Menschen zu ehren, sie als Geschöpfe Gottes zu ehren.

             Man kann natürlich nicht Menschen ehren, als wären sie Gott, und zugleich Gott ehren. Das wäre dasselbe wie Menschen zu vergöttern. Das machte man mit Augustus und anderen Kaisern. Ihne ehrten sie, als wäre er ein Gott. Sie gaben ihm etwas von der Ehre, die sie allein Gott schuldig waren. Wenn man Menschen auf diese Weise ehrt, dann tut man das auch, weil man nicht an Gott glaubt. Dann macht man Menschen zu Göttern.

             Und es ist genauso verkehrt, Menschen zu ehren, wie wenn sie mehr als Menschen wären, wie es verkehrt wäre, Menschen zu entehren, als wären sie geringer als Menschen.

             Auf einer der ersten Seiten der Bibel wird von dem erzählt, was Sündenfass genannt wird.

             Es geht darum, dass Menschen wie Gott sein wollen. Anstatt Gott als Gott zu ehren, wollten sie selbst wie Gott sein. Und augenblicklich stellt der Unfriede sich ein.

             Adam fing an, Eva die Schuld zu geben, und Eva gab der Schlange die Schuld. Und beides bewirkt Unfrieden, wenn man einander die Schuld zuschiebt und wenn man einander die Ehre nimmt.

             Mitten in all diesem Unfrieden, der daher kommt, dass Menschen einander die Schuld geben und einander die Ehre nehmen, kommt nun das Weihnachtsevangelium: "Ehre sei Gott in der Höhe, und auf Erden Friede!" Hier sind die Dinge in Ordnung gebracht.

             Und wie geht das zu? Ja, es ist recht merkwürdig. Als die Menschen wie Gott sein wollten, entstand Unfriede auf Erden. Davon berichtet das Alte Testament.

             Und als Gott Friede auf Erden schaffen wollte, wurde Gott Mensch. Darum geht es an Weihnachten. In Jesus kommt Gott selbst in die Welt. Früher hatte Gott durch die Propheten zu den Menschen gesprochen. Jetzt aber kam er selbst in die Welt durch Jesus. Jesu Geburt, es ist Gott, der Mensch wird. Es ist Gottes Antwort an die Menschen.

             Die Menschen wollten wie Gott sein, und was tat Gott? Er wurde wie ein Mensch. Da die Menschen nicht zu Gott kommen wollten, kam Gott zu den Menschen.

             Und wie nahmen die Menschen Gott auf?

             Es gab keinen Platz für ihn. Es waren ja nicht Menschen, sondern es waren Engel, die sagten: "Ehre sei Gott in der Höhe!" Die Menschen sagten: "Für ihn haben wir hier keinen Platz." Es gab keinen Platz für ihn, weil er die Menschen dabei störte, voneiander Ehre zu nehmen. Er störte sie in dem Versuch, selbst wie Gott zu werden.

             Und was tat Gott? Er fand sich damit ab. Er ging nicht weg und schlug die Tür hinter sich zu. So behauptete er nicht seine Ehre. Er blieb bei den Menschen, obwohl es keinen Platz für ihn gab. Und als die Menschen schließlich keinen anderen Platz für ihn hatten als ein Kreuz, da nahm er diesen Platz. Anstatt die Menschen zu verlassen, zog er es vor, den einzigen Platz zu nehmen, den es unter den Menschen für ihn noch gab, den Platz am Kreuz.

             Gott tat alles, um den Menschen entgegenzukommen, und die Menschen taten alles, um ihn zu beseitigen. Auch Menschen, die einander zuvor nicht haben aushalten können, wie etwa die Pharisäer und die Sadduzäer, Pilatus und Herodes, waren sich einig, das es galt, ihn beiseite zu bringen. "An diesem Tage wurden Herodes und Pilatus Freunde"; "an diesem Tag" war Karfreitag.

             Aber wir heute, die wir in der Kirche versammelt sind und Gott Loblieder singen, wir geben doch Gott die Ehre. Wir sind nicht wie die Leute damals, die ihm nichts anderes zu bieten hatten als einen Stall und eine Krippe, Kreuz und Tod. Wir haben eine schöne und vornehme Kirche für ihn. Nein, so leicht geht das nicht. Wir können unsere Kirche und unsere Kirchenlieder nicht dazu benutzen, zu bemänteln, dass wir Gott nicht besser anzunehmen imstande sind als sie damals. Sonst wäre es besser, wenn wir keine Kirche hätten - und keine Lobgesänge, wenn sie dazu dienen sollten, unsere Schuld zu kaschieren. Nein, wenn wir eine Kirche haben, so haben wir sie, um vor Gott zu bekennen, dass wir ihn nicht besser anzunehmen imstande sind als die Menschen damals. Wir gehen nicht in die Kirche, um dafür zu danken, dass wir nicht wie die Anderen sind. Sondern wir gehen in die Kirche, um vor Gott zu bekennen, dass wir nicht besser sind als die Anderen. Und was tut Gott? Er handelt jetzt wie damals. Er schlägt nicht die Tür zu und sagt nicht: alles Gute für euch, ich gehe wieder weg. Sondern er sagt, dann bleibe ich trotzdem bei euch. Dann bin ich nämlich um euretwillen gekommen. Denn ich bin gekommen, um die Verdammten aufzusuchen und zu erlösen.

             Die Verdammten, das sind die, die keinen Platz für ihn haben. Aber es sind gerade die, zu denen er gekommen ist. Er hat es gezeigt, als er sich mit dem Stall und dem Kreuz zufrieden gab. (Wir, die wir keinen Platz für Gott in unserem Leben haben schaffen können - Gott hat dennoch Platz für sich geschaffen. Er hat es durch Jesus Christus getan. Jesus, das ist Gott, der bei denen ist, die keinen Platz für ihn haben.)

             Da ist es doch eigentlich die einzige Art und Weise, wie wir Gott die Ehre geben können, wenn wir unsere Schuld bekennen. Wenn wir sagen: Es ist alles unsere Schuld. Wenn es so um uns steht, wie es der Fall ist, dann ist es unsere eigene Schuld. Wir können niemandem die Schuld geben. Gott die Ehre geben bedeutet dasselbe wie Anderen nicht die Schuld geben.

             "Ehre sei Gott in der Höhe, und auf Erden Friede -, " sangen die Engeln in der Weihnachtsnacht.

             Und so klingt es, wenn wir es in menschliche Sprache übersetzen: Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.

             Das ist der Nachklang unserer Herzen nach der Botschaft der Engel heute.

Amen

 



Dompropst i.R. Rudolph Arendt
Lögumkloster (Dänemark)
E-Mail:

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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