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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Heiliges Christfest - 2. Weihnachtstag, 26.12.2008

Predigt zu Matthäus 23:34-39, verfasst von Peter Nejsum

Man sollte meinen, dass jeder, der von der Freude hört, die dem ganzen Volk zuteil werden soll, wie sie die Engel den Hirten in der Heiligen Nacht so schön verkünden, dies einfach und unmittelbar und mit Freuden wie ein Kind am Heiligen Abend annehmen wird. Man sollte meinen, dass die Botschaft Begeisterung hervorruft, dass Gott eben nicht fern und unbegreiflich, sondern gegenwärtig und sichtbar ist, Fleisch und Blut angenommen hat und in der Gestalt eines Menschen zum Vorschein kommt. Man sollte meinen, dass das Evangelium von der Liebe Gottes zu einem jeden von uns, von einer Liebe, für die wir uns nicht verdient machen müssen, sondern die uns liebt als die Menschen, die wir sind, - man sollte meinen, dass dies eine Liebeserklärung ist, die man mit Kusshand annehmen würde.

             Aber so ist es nun einmal nicht. Nach der Himmelfahrt hat sich der Staub noch kaum gelegt, da fordert der neue Glaube schon sein erstes Opfer; Stephanus, der Diakon von Jerusalem, der dem heutigen Tag seinen Namen gegeben hat, wird, wie wir gehört haben, von der aufgebrachten Menge gesteinigt. Und seitdem geht es Schlag auf Schlag. Wie oft habe ich euch versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt. Das sind die Worte Jesu am heutigen Tag, wo er die Ablehnung seiner Person in einer saftigen Suada voraussagt und verurteilt, wo er das Blut der Propheten vorrechnet, das hat fließen müssen, weil die Wahrheit, die sie verkündeten, nicht genehm war.

             Anders gesagt: Was in der Weihnachtsnacht geschieht, wo der Himmel die Erde küsst, hat Folgen der Art, dass es Widerstand, Verärgerung, Protest, Unwillen hervorruft. Irgendetwas in der Botschaft, so verlässlich und gewinnend sie sich auch ausnehmen mag, ist brisant. Sonst würde sie ja nicht diese Reaktion hervorrufen. Eine spätere Zeit kann das vielleicht nicht so ohne Weiteres sehen, eine Zeit, die die Botschaft zu einer ungefährlichen und glatten Predigt darüber gemacht hat, dass man Rücksicht zu nehmen habe und sich zusammenzunehmen und sich zurückzuhalten und gut zu Tieren zu sein habe. Und doch sind sie da, die Widerhaken, und sie gehören eng zusammen mit dem, was in der Weihnachtsnacht auf die Welt gekommen ist. Deshalb müssen wir heute davon hören.

             Was weckt diesen Widerstand? Ehe ich mich mit einer Antwort versuche, ist es wichtig festzustellen, dass es gar nicht nur um den Widerstand geht, den es bei den Gegnern des Christentums hervorruft, ungeachtet ob sie zu anderen Religionen gehören oder ob der Atheismus ihr Glaube ist. Das wirklich Interessante ist doch, dass es auch bei uns einen Widerstand auslöst. Dass es uns und unsere Art des Denkens herausfordert.

             Was also provoziert so sehr? Ja, ich glaube, es hängt mit der Vorstellung zusammen, dass Gott in der Gestalt eines Menschen zu uns kommt, in der Gestalt des Jesus von Nazareth. Mit dem Glauben, nicht an Gott, sondern an Christus.

             Warum nun aber gerade dies? Ja, der Glaube an Gott, das besagt eigentlich nichts. Immer mal wieder fragen die Zeitungen einen Querschnitt der Bevölkerung, ob sie an Gott glauben. Und am Tag darauf kann man dann lesen, dass der Prozentsatz derer, die an Gott glauben, stetig wächst, oder man kann lesen, dass mehr Schweden als Dänen an Gott glauben, oder wozu man sonst derlei Umfragen benutzen kann. Aber es ist merkwürdig und diffus, was diejenigen, die die Frage beantworten, eigentlich mit dem Wort "Gott" meinen. Vielleicht kennt Ihr das auch; jedenfalls werde ich hin und wieder gefragt, namentlich von Kindern und jungen Menschen: Glaubst du an Gott? Dann antworte ich selbstverständlich JA, und zwar sehr bestimmt, aber mir bleiben immer Zweifel, worauf ich eigentlich antworte. Sie fragen doch, weil sie selbst an etwas Bestimmtes denken und eine bestimmte Vorstellung von Gott haben, aber ich scheue mich in der Regel, zu fragen: Was meinst du mit Gott? Und ich kann es nicht über mich bringen, diese Frage zu stellen, wenn ein Mensch selbst sagt: Ich glaube an Gott, und man sehen kann, wie viel das für den Betreffenden bedeutet, und womöglich wie hart er darum gerungen hat. Es besagt bloß ganz und gar nicht so viel, wie der Betreffende glauben mag.

             Manchmal erklären Leute auch mit aller Bestimmtheit, dass sie nicht an Gott glauben. Wenn man sie dann fragt, was das für ein Gott ist, an den sie nicht glauben, und sie dann bittet, ihre Haltung näher zu beschreiben, so entdeckt man oft, dass ein solcher Gott es in Wirklichkeit gar nicht wert ist, dass man an ihn glaubt. Wenn Gott wirklich so wäre, wie sie ihn beschreiben, dann versteht man sehr gut, dass sie nicht an ihn glauben. Man würde es selbst auch kaum tun. Und einmal mehr zeigt das, dass das Wort Gott ein Wort ist, das an sich nicht besonders viel besagt. Der Begriff Gott ist in Wirklichkeit ein Gefäß, das man nach Belieben mit Inhalt füllen kann.

             Deshalb kann man auch Menschen erleben, die der Meinung sind, Gott sei in den verschiedenen Religionen im Grunde derselbe, und Unterschiede rührten nur daher, dass sich Menschen auf verschiedene Weise und mit verschiedenen Voraussetzungen ihm nähern. Dann macht man den Begriff bewusst so breit, dass er alles umfassen kann, von Allah bis hin zu einem geistigen Energieprinzip, von einem Fruchtbarkeitsgott bis zu einer buddhistischen Einsicht in die Ordnung der Welt. Das ist eine Auffassung, die auf sympathische Weise vereinen will, was getrennt ist, die aber nicht gerade überzeugend die Unterschiede erklärt, die man als grundlegend empfindet. Aber sie kann genau so richtig sein wie so vieles Andere, denn sie geht ja nur davon aus, dass das Wort Gott so breit ist, dass es nicht besonders viel sagt.

             Aus demselben Grund ist das Wort auch ein ungeheuer gefährliches Wort. Es ist nämlich für alle möglichen Bestimmungen offen. Man kann "in Gottes Namen" das Ungeheuerlichste tun. Man kann die schlimmsten Verbrechen begehen, indem man darauf hinweist, dass es "der Wille Gottes" ist. Man denke nur daran, wieviel Unmenschlichkeit, die im Namen Gottes geschehen ist, der Mensch ertragen hat. Soziales Ausgestoßensein, Zwang, Verurteilung, Umerziehung derer, die sich vergangen haben, dies alles nicht aus Bosheit, sondern aus Güte, weil Gott es so will. All das Prophetenblut, das nach den Worten Jesu an den Händen seiner Widersacher klebt, - ist das nicht eben im Namen Gottes geschehen? Man kann im Namen Gottes Krieg führen. Hier braucht man nicht einmal in der Kirchengeschichte in der Zeit so weit zurückzugehen, um Beispiele zu finden. Hier braucht man nur Aufnahmen eines verbissenen Präsidenten Bush in den Tagen nach dem 11. September 2002 zu betrachten, als er den Krieg gegen die Terroristen erklärte, die Tod und Vernichtung verbreiteten - was sie im Übrigen auch im Namen Gottes taten.

             Im Namen Gottes handeln, das kann man tun, weil der Begriff Gott wie ein Schwamm das aufsaugt, was einem am meisten bedeutet. Und das kann lebensgefährlich sein. Nicht zuletzt, weil es dadurch den Anschein von Legitimität erhält, während es doch in Wirklichkeit von einem selbst kommt. Und Glaube ist eine Kraft im Menschen, die größer ist als irgendetwas Anderes.

             Um zu unserem Ausgangspunkt zurückzukehren: Was ist die Ursache des Widerstandes gegen das christliche Evangelium? Ja, der Widerstand rührt daher, dass Christusglaube etwas Anderes ist als Gottesglaube.

             Der Glaube daran, dass Gott sich in Gestalt des Menschen Jesus von Nazareth für uns zu erkennen gibt, ist das Entscheidende. Damit erhält nämlich der gefährliche und offene Gottesglaube einen ganz konkreten Inhalt und ist daher nicht mehr offen für alles Mögliche, was man da hineinfüllen mag. Ja, der Inhalt liegt nicht nur fest - denn dafür sorgen die meisten Religionen doch trotz allem, sondern er liegt fest, indem er an einen Menschen aus Fleisch und Blut gebunden ist. An einen lebendigen Menschen mit Einfühlungsvermögen und Mitleid und an einen Menschen, der nicht zögert, auch danach zu handeln, einen Menschen, der mit großer Strenge verkündet, wie viel dazu gehört, damit Gott zufrieden sein kann, und zugleich in vielen Gleichnissen Gott als den darstellt, der vergibt - ohne Kleinlichkeit. An einen Menschen, der auf einer Gerechtigkeit besteht, die sehr viel größer ist als die Gerechtigkeit der Gerechten, mit einem scharfen Sinn für Heuchelei und Besserwisserei, die immer in ihre Schranken verwiesen wird, und damit an einen Menschen, der immer in Opposition zum Beschlossenen und Etablierten steht.

             Es ist ein Mensch, der als eine seiner wichtigsten Taten mitten in der Osterwoche den Tempelplatz betritt und alle die, die mit Opfertieren handeln, hinauswirft und die Tische der Geldwechsler umstößt, so dass die Münzen in alle Richtungen fliegen. Es ist nicht nur eine Auseinandersetzung mit der Kommerziolasierung des Festes, denn die Dinge, mit denen sie handelten, waren ganz notwendig. Nein, es bezeichnet eine Auseinandersetzung mit der Gottesanbetung als solcher. Diese Auseinandersetzung findet einen konzentrierten Ausdruck, aber sie durchströmt alles, was Jesus sagt. Die wahre Gottesanbetung besteht in Barmherzigkeit. Nichts weiter. Sie macht Jesus selbst in allen Zusammenhängen geltend, durch sie kann er die Würde selbst in dem erbärmlichsten Menschen sehen. Und zugleich steht man hier vor einer Auseinandersetzung mit den richtigen Meinungen, den richtigen gottgegebenen Meinungen, auch sie zieht sich wie ein roter Faden durch alles, was Jesus tut.

             Weihnachten feiern wir, dass er als ein Mensch zu uns gekommen ist. Wir feiern das, was Gottesglauben zu Christusglauben macht und was uns daran festhält. Aber deshalb auch das, was Widerstand weckt, nicht nur für andere, sonder auch für uns selbst. Denn er will uns immer widersprechen, immer wenn wir die Vorstellung davon, wer Gott ist und was Gott ist, zu einer erstarrten Schablone gemacht haben, die eine Grenze setzt zwischen uns und Anderen und die uns einbildet, wir könnten Gott für unsere Weise, die Dinge zu handhaben, in Anspruch nehmen. Er will uns widersprechen, wenn wir Gott am liebsten eine ferne und unbestimmbare Größe sein lassen wollen, die nichts mit unserem Handeln zu tun hätte. Und der uns widerspricht, wenn wir uns nicht damit begnügen wollen, geliebt zu sein, so wie wir sind, geliebt zu sein, weil wir Menschen sind, sondern um dessentwillen geliebt werden wollen, was wir können, um unserer Güte willen, um dessentwillen, was uns veranlasst, uns höher als Andere einzuschätzen. Das gehört alles dazu, mitten in unserer Freude darüber, dass er unser Leben teilt, sich mit ihm eins macht, ihm Tiefe und Schönheit schenkt und es vor Gott erhöht. Amen.



Pastor Peter Nejsum
Slangerup (Dänemark)
E-Mail: pene(a)km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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