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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostersonntag, 08.04.2007

Predigt zu Markus 16:1-8, verfasst von Bent Arendt

Die Vorstellung von einem Leben nach dem Tod hat man oft zu einem besonderen Kennzeichen des Christentums machen wollen, wodurch es sich von anderen Religionen unterscheiden soll. Die Muslims haben auch eine Vorstellung von einem Leben nach dem Tode. Die Griechen vor Jesus hatten eine Vorstellung von einer unsterblichen Seele, die sich beim Tod vom Körper befreite. Und im Buddhismus, der 600 Jahre vor dem Christentum entstand, stellt man sich Leben und Tod als einen Kreislauf vor, in dem der Mensch fortgesetzt reinkarniert wird, bis er sein Bewusstsein aus dem Gefängnis des Daseins befreit. Auch die Pharisäer der Zeit Jesu, denen Jesus gegenüberstand, hatten gewisse Vorstellungen von einem Leben nach dem Tode, um Widersprüchlichkeiten und Ungerechtigkeiten des Lebens auszugleichen. Der Apostel Paulus, einer der allerersten, die die Bedeutung der Auferstehung verstanden haben, war ursprünglich Pharisäer, und er hat sicherlich die Vorstellung der Pharisäer vom Leben nach dem Tode geteilt, ehe er Christ wurde. Trotzdem wird erzählt, dass seine Begegnung mit dem auferstandenen Jesus eine völlige Umwälzung seines Lebens bedeutete, so dass er, nachdem er den Christen nach dem Leben getrachtet hatte, jetzt selbst sein Leben dafür einsetzte, die Botschaft von der Auferstehung Jesu zu verkünden. -

Wenn also die Vorstellung von einem Leben nach dem Tode nicht das besondere Kennzeichen des Christentums ist; wenn wir zugleich wissen, dass man vom ersten Ostersonntag an Jesu Auferstehung mit einem ebenso großen Fragezeichen versah, wie es heute jeder beliebige Naturwissenschafts-Fundamentalist setzen könnte; wenn die ersten Zeugen der Auferstehung, die Frauen am Grab, sich fürchteten und weit weg flohen, ohne mit jemandem darüber zu sprechen; und Aussagen von Frauen im übrigen damals keine Gültigkeit als Zeugenaussagen haben konnten - Was in aller Welt machte dann die Verkündigung der Auferstehung zu einem so epochemachenden Ereignis, dass das Christentum im Laufe von hundert Jahren zur größten Religion des Römischen Imperiums wurde und dass noch heute mehr als ein Drittel der gesamten Bevölkerung der Welt zu Ostern die Auferstehung Jesu feiert?

Ja, die Antwort auf diese grundlegende Frage geht eigentlich aus dem Evangelium von heute hervor: Jesu Auferstehung von den Toten ist eine Botschaft an die Lebenden - über das Leben, was für unser Leben gilt nach der Auferstehung am Ostermorgen.

Die Frauen am Grabe erfuhren etwas über das Leben: Der Tote, der Gekreuzigte ist nicht hier, wo ihr ihn sucht wie den Toten; er ist auferstanden. Geht hin und sagt den Jüngern, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa - von wo ihr gekommen seid, wo ihr ihn zum ersten Mal in eurem Leben gesehen habt, wo alles für euch seinen Anfang genommen hat. Dort werdet ihr ihn sehen - lebendigen Leibes - wie er es euch verheißen hat. Es geht um euer Leben. In eurem Leben bekommt ihr jetzt eine Verheißung, dass nicht mehr der Tod dem Leben ein Ende setzt, sondern dass das Leben dem Tod und allem, was mit ihm verbunden ist, ein Ende setzt.

Zwar bewegen wir uns auf den Tod und das Aufhören zu, aber das Leben braucht nicht damit zu enden; zwar vergeuden wir viel von unserem Leben und zerstören es immer wieder für uns selbst und für einander, aber das braucht uns nicht davon auszuschließen, dass wir über das Leben hinausreichen; zwar kann die Angst vor dem, was uns bevorsteht, in was wir uns verwickeln, und davor, ob wir das Leben bewältigen, dazu führen, dass wir uns selbst und einander mit allen möglichen Formen der Bemühungen belasten, die Kontrolle zu gewinnen; aber das braucht dem nicht im Wege zu stehen, dass wir uns vom Leben überraschen lassen. Alle hoffnungslosen "Karfreitage", um im Bilde von Ostern zu bleiben, können wir sein lassen, was sie sind, ohne vor ihnen zu fliehen oder uns in ihnen zu begraben. Denn die Verheißung der Auferstehung ist nun hinzugekommen, damit wir uns daran halten können, dass, so wie Jesus Menschen entgegenkam und ihnen Leben und Möglichkeit und einen neuen Anfang gab, während er auf Erden wandelte, - dass die Wirklichkeit so auch jetzt für alle Menschen gilt, zu jeglicher Zeit, im "Galiläa" eines jeden von uns. Wie die Frauen in ihr Galiläa zurückkehren sollten, wo alles seinen Anfang nahm, so ist jetzt ein solcher Anfang mit allem verbunden, was uns im Leben und im Sterben begegnet.

Und: Wie denn? wird sicherlich jemand einwenden. Die Auferstehung auf diese Art ist doch nur eine Behauptung. Wie so viele andere Behauptungen. - Das ist wahr. Aber nicht nur das. Die Auferstehung ist auch eine Verheißung von Gott. Und das heißt: das Glaubwürdige dieser Behauptung ist, dass wir der Verheißung der Auferstehung in dem Leben begegnen, das wir erfahren, in dem Galiläa, das das unsrige ist im Jahre 2007, und zwar nicht nur als Vorstellung von einem Leben nach dem Tode.

Vorstellungen machen wir uns doch so viele: Von einer unsterblichen Seele, vom einem Tag des Gerichts, die Ungerechtigkeit des Daseins aufzuwiegen, von Reinkarnation in dem leidvollen Gefängnis des Lebens und alle die naturwissenschaftlichen Theorien von Leben und Tod. Das hat alles seinen guten Sinn! Derartige Vorstellungen können doch auch als Erklärungen dienen. Schon von Kindesbeinen an lieben wir Erklärungen; sie vermitteln uns das Gefühl, die Dinge etwas mehr im Griff zu haben.

Aber das Leben, die Tatsache, dass wir leben, das können wir nicht erklären oder mit noch so vielen Erklärungen in den Begriff bekommen. Wir müssen das Leben leben, solange wir es haben, es beobachten und beschreiben, wie es ist, so gut wir können; mehr vermögen wir nicht. Und die Wirklichkeit des Todes: sie können wir aus guten Grunden nicht leben oder beobachten, bevor wir tot sind.

Deshalb bekommen wir die Auferstehung als eine Verheißung. Eine Verheißung verlangt keine Erklärung, auf ihrer Grundlage können wir leben. Wenn wir einander unsere Liebe versprechen, kann das eine Ermunterung sein, gemeinsam ins Leben zu gehen und es miteinander zu teilen; aber unsere Liebe zu erklären würde bedeuten, sie zu schwächen.

Oder wenn wir versprechen, die Wahrheit zu sagen, kann das Anlass zu gegenseitigem Vertrauen und Respekt sein; aber wenn wir unser Versprechen, die Wahrheit zu sagen, begründen sollen, dann haben wir bereits die Wahrheit angefochten.

Die Versprechen führen uns ins Leben und können uns Mut zum Leben geben, wie das kleine Kind vorbehaltlos ins Leben strebt und es auf sich nimmt im Vertrauen auf das lebendige Versprechen der Liebe und Fürsorge von Seiten der Eltern. Versprechen machen so vieles möglich, was ohne sie für uns unerreichbar wäre.

Ein solches Versprechen ist die Auferstehungsbotschaft am Ostermorgen. Und von Gott, also nicht ins Blaue, sondern von der Voraussetzung dafür, dass wir existieren. Dieses Versprechen ist der neue Ausgangspunkt, an den sich die Menschen in ihrem Leben halten können, der das Leben, wie es nun einmal ist, umfassen kann. Es ist nicht nur Licht und Finsternis, Gut und Böse im gegenseitigen Verhältnis, in einem endlosen Kampf, in dem wir nie genau wissen, was wir zu erwarten haben. Denn es ist die Verheißung der Auferstehung, dass wir Leben erwarten dürfen und uns jetzt daran halten können, dass wir dem Licht begegnen können, wo Finsternis ist, dem Leben, wo Tod ist, der Freude, wo Trauer ist, dem Frieden, wo Verzweiflung ist - an all den Orten, wo wir von uns aus das Gegenteil sagen würden, oder christlich gesprochen: dass wir Gott und seinem Leben in unserem Galiläa begegnen können, mitten im ungewissen und unvorhersehbaren Leben.

Wenn die Frauen am Grabe - und die Jünger auch - vor der Verheißung erschraken, so dass sie davonliefen und darüber schwiegen und wenn man seitdem die Verheißung mit einem Fragezeichen versehen hat, dann hängt das damit zusammen, dass unsere Vorstellungen und Erklärungen, mit denen wir versuchen, die Dinge in den Griff zu bekommen, die Verheißung nicht fassen und umfassen können. Und das ist ganz richtig. Denn es bedeutet, dass die Auferstehungsbotschaft dann auch nicht durch irgendetwas von dem, worin wir unser Leben sonst zu verstehen und zu fassen versuchen, erfasst oder angefochten werden kann. Wir können das Versprechen nur annehmen und ihm glauben, im Vertrauen darauf, dass es dann all das in sich fassen kann, was wir nicht kennen und nicht verstehen und dem wir dennoch ausgesetzt sind. Das Leben Gottes erwartet uns in dem Versprechen, in jeder Generation, an jedem Ostern, im Leben wie im Sterben. Die ersten Christen wählten, alles daran zu setzen, die Verheißung des Lebens herrschen zu lassen. Die Frage von Ostern ist nun, welche Wahl wir treffen und in unserem Leben herrschen lassen. Amen



Bent Arendt
Larsen-Ledets Gade 1
DK-8000 Århus C
Tel.: ++ 45 - 86 12 21 36
E-Mail: brar@os.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier

Text der dänischen Perikopenordnung


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