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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Heiliges Christfest - 2. Weihnachtstag, 26.12.2008

Predigt zu Johannes 1:1-18, verfasst von Rolf Wischnath

Der in des Vaters Schoß ist

[Vorbemerkung: Zu diesem schönen und schweren Text hat Otfried Hofius (Neutestamentler in Tübingen) eine Auslegung[1] und eine Predigtmeditation[2] geschrieben. Wer etwas ganz und gar Klärendes für das Verständnis von Johannes1 in der Predigtarbeit lesen will, greife zu diesen beiden Texten. Sie machen aber auch deutlich, dass es nicht möglich ist, ohne rigorose Auswahl eine Predigt über Johannes 1 zu schreiben und zu halten. Ich wähle darum den Vers 18 als Schlüssel zum Ganzen, auch wenn die Liturgische Kommission der Ansicht ist, die beiden Verse seien nicht mehr hinzuzunehmen.]

 

Predigt

Wir hören als Weihnachtstext zur Predigt aus dem Evangelium nach Johannes, den Christus Hymnus:
Johannes 1, die Verse 1 - 18:
1 Im Anfang war das Wort - das ist Jesus Christus -, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
2 Dasselbe war im Anfang bei Gott.
3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.
4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen.
6 Es war ein Mensch, von Gott gesandt, der hieß Johannes.
7 Der kam zum Zeugnis, um von dem Licht zu zeugen, damit sie alle durch ihn glaubten.
8 Er war nicht das Licht, sondern er sollte zeugen von dem Licht.
9 Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.
10 Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht.
11 Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf.
12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben,
13 die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.
14 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
15 Johannes gibt Zeugnis von ihm und ruft: Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich.
16 Und von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.
17 Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.
18 Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat ihn uns verkündigt.

 

Liebe Gemeinde!

Dieser biblische Text ist womöglich der bedeutendste des ganzen Evangeliums. Auf jeden Fall aber ist dieses Stück aus dem Evangelium das älteste und wichtigste Weihnachtslied überhaupt. Martin Luther schreibt einmal dazu:

„Dies ist das höchste Evangelium unter allen, doch nicht wie etliche meinen, finster oder schwer. Denn allhie der hohe Artikel von der Gottheit Christi auf's allerklarste gegründet ist, was billig alle Christen wissen sollen und auch wohl verstehen mögen .... Es bedarf nicht viel spitziger, scharfsinniger Untersuchung, sondern nur des einfältigen, schlichten Aufmerkens auf die Worte."[3]

So wollen wir das einfältige, schlichte Aufmerken an diesem langen Predigttext üben:

Ich wähle den letzten Vers und schaue von dort aus auf dieses ganze biblische Weihnachtslied. Es endet mit dem Satz:

„Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat ihn uns verkündigt."

Der Schlusssatz, mit dem der Evangelist diesen Hymnus beendet, birgt ein tiefes, wunderbares Bild in sich: Es ist das Bild eines Kindes, das auf dem Schoß seines Vaters sitzt. Dieses Bild verweist auf etwas, was im Stall von Bethlehem nicht zu sehen war.

Dass nämlich dieses Kind in der Krippe zu Bethlehem in letzter Wahrheit aus einem zweifachen Schoß geboren wurde - dem seiner Mutter und seines Vaters, des himmlischen Vaters. So steht es jedenfalls in der Bibel:

Unmittelbar nachdem der Evangelist Johannes zum ersten Mal den Namen des Kindes ausspricht - „Jesus Christus" -, bringt er das Unabbildbare seiner Herkunft ins Licht des Wortes: „Kein Mensch hat Gott je gesehen, nur der Einziggeborene, der selbst Gott ist, der in des Vaters Schoß ist, der hat die Offenbarung gebracht," Zuvor hat Johannes der Evangelist mit dem Hymnus gesagt, dass das ewige Sein des Wortes Gottes - das ist der ewige Sohn - Mensch wird. Unerhört und unglaublich ist diese Grundbotschaft der Bibel und der ganzen Christenheit.

Wie mit einem Brennglas gebündelt wird mit diesem Wort die Weihnachtsbotschaft ausgeleuchtet und erkannt: nämlich dass in der Geburt Jesu von Maria ein Kind zur Welt gebracht worden ist, welches als der erstgeborene Sohn dieser Mutter zuvor und von Ewigkeit her der „Einziggeborene" Gottes des Vaters ist: der Sohn, „der selbst Gott ist", Gott von Art: eben „der in des Vaters Schoß ist".

Geradezu skandalös ist hier von einem Vater mit einem mütterlichen Schoß die Rede! Und dessen „Einziggeborener" kommt nicht nur aus dem Vaterleib, wie er als der erste Sohn der Maria aus ihrem Mutterleib kommt und dahin nicht zurückkehrt. Sondern er „ist in des Vaters Schoß". Das heißt, er war dort schon immer und er bleibt dort auch als der auf Erden Lebende und Sterbende; auch als der aus der Erde des Todes Auferstehende und in die Unsichtbarkeit des Vaters Zurückkehrende ist er „in des Vaters Schoß". Von dorther wird er einmal wiederkommen und mit ihm die Toten und die Lebenden in der Auferweckung von den Toten.

Wollte ein Künstler das Bild vom Vaterschoß veranschaulichen, müsste er ein auf dem Schoß, dem „Mutterleib" eines liebevollen Vaters spielendes, mit den Armen gehaltenes Kind malen, das zugleich kein Kind bleibt und die Züge des Vaters selber trägt. Aber hier kommt jedes Bild an die Grenze, denn „kein Mensch hat Gott je gesehen". Und auch das Wort ist an seiner Grenze: Denn der einzigartige und ewige Sohn des Vaters, kommt ganz auf die Seite der Menschen - von der menschlichen Mutter Maria zu ihrer Zeit geboren und so sichtbar für alle -; und er bleibt zugleich ganz auf der Seite des ewigen Gottes - in dessen Unsichtbarkeit. Ein Widerspruch?

„Offenbarung" nennt Johannes, was der Einziggeborene aus des Vaters Schoß bringt und was uns an die Grenze des Darstellbaren führt. Und der Evangelist meint mit „Offenbarung", dass uns in Jesus Christus ein Licht aufleuchtet von jenseits der Grenze, aus der Ewigkeit vom unsichtbaren Gott her: das Hellste und Klarste, was Menschen wahrnehmen und erfahren können: Wer davon je etwas Wahres hört und dieser Wahrheit Glauben schenkt, der erkennt in ihm den wahren Gott und den wahren Menschen und dessen Leben ist gerettet aus aller Verzweiflung. Und in seinem Licht werden alle, die sich in Unwissenheit und Unglauben, in Schmerz und Leiden krümmen, aufgerichtet und aufstehen. Denn: „..... mit seinem hellen Scheine / vertreibt's die Finsternis; wahr‘ Mensch und wahrer Gott, / hilft uns aus allem Leide, / rettet von Sünd und Tod."[4]

Amen.

Gebet oder Lied (nach der Predigt)

Du wesentliches Wort
Vom Anfang her gewesen,
du Gott, von Gott gezeugt,
von Ewigkeit erlesen
zum Heil der ganzen Welt,
o mein Herr Jesu Christ,
willkommen, der du mir
zum Heil geboren bist.
Du bist das Wort,
wodurch die ganze Welt vorhanden,
und alle Dinge sind
durch dich zum Licht erstanden.
Ach so bin ich, mein Heil,
auch dein Geschöpf und Gab‘,
der ich ja, was ich bin,
von dir empfangen hab‘.
Das Leben ist in dir
Und alles Licht des Lebens.
Laßt mir an deinem Glanz,
mein Gott, nicht sein vergebens;
weil du das Licht der Welt,
sei meines Lebens Licht,
o Jesu, bis mir dort
dein Sonnenlicht anbricht!
                      Laurentius Laurenti

Zu singen nach den Melodien von „O Gott du frommer Gott, du Brunnquell aller Gnaden" - EG 495]

Als Glaubensbekenntnis am Zweiten Weihnachtstag unbedingt verwenden:

Das Nizänische Glaubensbekenntnis mit dem zweiten Artikel, in dem in größter Vollkommenheit das christologische „Grund-Dogma" entfaltet ist:

Wir glauben
an den einen Herrn Jesus Christus,
Gottes eingeborenen Sohn,
aus dem Vater geboren vor aller Zeit:
Gott von Gott,
Licht vom Licht,
wahrer Gott vom wahren Gott,
gezeugt, nicht geschaffen,
eines Wesens mit dem Vater;
durch ihn ist alles geschaffen.
Für uns Menschen und zu unserem Heil
ist er vom Himmel gekommen,
hat Fleisch angenommen
durch den Heiligen Geist
von der Jungfrau Maria
und ist Mensch geworden.

(Aus dem Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel 325/381)

Und zum Schluss:

Das Lied von Nicolaus Herman 1560:
Lobt Gott, ihr Christen alle gleich .............
(EG 27, 1-6 - besonders die Strophen 2 +4)

 



[1]  Otfried Hofius und Hans Christian Kammler, Johannesstudien, Tübingen 1996, S. 1 - 32.

[2]  Otfried Hofius Predigtmeditation über Johannes 1 . 14, in: GPM 1996/97, 1. Band, S.  62 - 68.

[3] D. Martin Luthers Evangelien-Lesung IV, Göttingen, 2. Auflage 1961, 1ff.: 1 (Weihnachtsposstille

[4]  Aus Vers 3 vom  Weihnachtslied „Es ist ein Ros entsprungen", EG 30, V. 3.



Prof. Dr. Rolf Wischnath
Gütersloh
E-Mail: rolf.wischnath@t-online.de

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