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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Heiliges Christfest - 1. Weihnachtstag, 25.12.2008

Predigt zu Lukas 2:15-20, verfasst von Katharina Wiefel-Jenner

Lukas 2, 15- 20

15 Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. 16 Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. 17 Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. 18 Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten. 19 Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. 20 Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

 

Ihr Lieben!

Die Nacht war kalt. Die Müdigkeit kroch in alle Glieder. Das Feuer wärmte nur in unmittelbarer Nähe und am Rücken strich weiter der eisige Wind vorbei. Die schützenden Decken hatten wir enger um den Leib gezogen. Es war kalt und mitten in der Nacht.

Wenn die Tiere nicht Anspruch darauf hätten, dass man sie bewachte - längst wären wir schon davon gelaufen. Um der Tiere willen hielten wir es in dieser Finsternis und in dieser elenden Kälte aus. Um der Tiere willen! Die Diebe, die kommen könnten, um sich der herrenlosen Herde anzunehmen, sind immer noch das geringste Übel. Aber da liegen Raubtiere auf der Lauer. Sie wollen sich alles Lebendige einverleiben und lassen sich dabei von Geschrei und Schmerz der Tiere nicht beeindrucken. Sie sind geschickt und stellen sich sogar anfangs harmlos. Nein, um der Tiere willen, mussten wir die Nächte am kleinen Feuer ausharren. Und außerdem, wie sollten die Kleinen klarkommen? Sie sind so hilflos, wenn sie in die Dornen geraten und in Erdspalten rutschen. Wer soll sie aus dem Gestrüpp befreien, wer sie zurückholen, wenn sie in die Irre gehen?

Nein, es gab keine Alternative zum Ausharren in der Nacht, in der Finsternis, in der Kälte. Wer, wenn nicht wir Hirten, sind dazu berufen, die Nacht zu ertragen?

Die Nacht war kalt. Doch das, was inzwischen geschah, machte die Nacht warm, obwohl sich äußerlich nichts verändert hatte.

Diese Nacht hätte selbst die brummeligsten Hirten zum Singen und die Maulfaulen zum Reden bringen müssen. Wir haben uns die Müdigkeit aus den Augen gerieben und sind mit hinkenden Beinen losgesprungen.

Die Nacht war kalt, aber sie strahlte vor Licht.

Wenn wir Hirten nur so elegante Worte hätten, um zu erzählen, was in dieser Nacht war!

Wer am Feuer sitzt und die Tiere gegen die eigene Müdigkeit und alles Böse dieser Welt beschützten möchte, hat zwar keine klugen Worte. Doch jede Menge Hoffnungen.

Dass Frieden werden möge. Wie lange schon schicken die Mächtigen Soldaten in Kriege, bluten Menschen, weil die Gewalt nicht aufhören darf. Dass Friede werde!

Und dass die elenden Raubtiere verschwinden. Warum können sie nicht auch Gras fressen? Warum können sie sich nicht mit dem begnügen, was sie haben? Warum müssen sie immer mehr und mehr haben und nach ihren Beutezügen eine Spur der Zerstörung hinterlassen? Dass die elenden Raubtiere verschwinden! Und dass Gerechtigkeit und Versöhnung herrschen!

Der ewige Streit wegen kleinster Winzigkeiten ist doch sinnlos. Aber immer wieder gibt es einen Anlass und erst werden die Augen hart und dann der Mund und am Ende ist alles Leben verschwunden. Dass sich Versöhnung ausbreitet und - damit ist alles gesagt - dass wir von all dem Elend befreit werden!

Die Nacht war kalt, aber sie strahlte voller Hoffnung. Wir Hirten haben keine so eleganten Worte. Himmlische Erscheinungen zu beschreiben, das ist keine Hirtenarbeit. Wir haben sie gesehen. Wir haben sie gehört. Von unseren Hoffnungen haben die Engel gesprochen. Von  ihrer Erfüllung. Die himmlischen Wesen haben vom Ende unseres Elends gesungen. Da bleibt die kälteste Nacht nicht kalt und finster.

So sind wir aufgebrochen, haben uns auf den Weg gemacht und sind da angekommen, wo keiner von uns Friede, Gerechtigkeit, Versöhnung und Erlösung vom Elend dieser Welt gesucht hätte. Wir sind beim Kind angekommen, bei dem Kind. Wir beteten es an und haben gesungen. Einfach gesungen.

An dieser Stelle ist die Gemeinde eingeladen EG 36, 1+5+6+9 zu singen:

Fröhlich soll mein Herze springen
dieser Zeit, da vor Freud
alle Engel singen.
Hört, hört, wie mit vollen Chören
alle Luft laute ruft:
Christus ist geboren!

Nun er liegt in seiner Krippen,
ruft zu sich mich und dich,
spricht mit süßen Lippen:
„Lasset fahrn, o liebe Brüder,
was euch quält, was euch fehlt;
ich bring alles wieder."

Ei so kommt und lasst uns laufen,
stellt euch ein, groß und klein,
eilt mit großen Haufen!
Liebt den, der vor Liebe brennet;
Schaut den Stern, der euch gern
Licht und Labsal gönnet.

Die ihr arm seid und elende,
kommt herbei, füllet frei
eures Glaubens Hände.
Hier sind alle guten Gaben
Und das Gold, da ihr sollt
Euer Herz mit laben.

Wir sind umgekehrt und jede Sekunde dieser Nacht haben wir für alle Zeiten als Besitz. Nichts kann uns jemals davon wieder genommen werden. Wir haben das Kind und seine unvergleichliche Macht gesehen. Nichts ist nun noch, wie es war. Kinder haben wir schon viele gesehen, aber bei keinem Neugeborenen haben wir es verstanden, was Gott uns mit einem Kind sagen will. Nicht das Große und Gewaltige hat wirkliche Macht in der Welt. Nicht das Gewalttätige und Räuberische wird Recht haben. Nicht das Elend ist das Letzte. Das Kind war so klein, aber es brachte ein Licht mit, das nur bei Neugeborenen zu finden ist. Es war so klein, aber niemand konnte die Augen von ihm abwenden. Es konnte noch nicht greifen, nicht sprechen, nicht laufen. Aber es herrschte ohne Worte und Taten. So unmissverständlich können sich nur Neugeborene ausdrücken. So mächtig war nur dieses Kind. So gewaltig ist nur dieses Kind, da im Stall.

Warum haben wir das nicht schon früher gewusst. Unsere Augen waren blind. Erst der Engel musste uns von dem in Windeln gewickelten Kind erzählen und die Heerschar der Engel musste erst Gott loben. Erst da haben wir es verstanden. Erst da war es klar. Die Ohren waren bisher taub gewesen. Diese Nacht hat uns die Augen geöffnet und die Ohren geweckt. Mit einem Kind verändert Gott die Welt. Die Macht eines Kindes bringt Erlösung, die Liebe eines Kindes schafft Versöhnung, die Gegenwart eines Kindes stoppt die Beutezüge der Räuber. Mit einem Kind unterbricht Gott die gewalttätigen Spiele der Mächtigen. Mit diesem Kind, denn dieses Kind ist Gott selbst.

Wir Hirten haben es gesehen. Mit eigenen Augen. Wir haben es mit unseren Ohren gehört. Mit unseren Händen haben wir es berührt. So haben wir Gott erkannt und die Rettung für alle Menschen.

Die Nacht blieb kalt und dunkel. Aber so finster konnte sie nie mehr werden, als dass wir uns nicht doch des Kindes und der Erlösung erinnern könnten und von ihr singen und sagen wollten.

Amen.



Pfarrerin Katharina Wiefel-Jenner
Berlin
E-Mail: wiefel_jenner@hotmail.com

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