Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Heiliger Abend, 24.12.2008

Predigt zu Matthäus 1:18-25, verfasst von Gabriele Arnold

Liebe weihnachtliche Gemeinde!

Heute Abend werden Sie endlich alle gelüftet - die großen und kleinen Geheimnisse. Und auch wenn wir Erwachsene nicht mehr so gespannt und verzaubert sind wie die Kinder, so freuen wir uns eben doch über das große Paket der Tante und das kleine Päckchen der Liebsten. Endlich werden die Geheimnisse gelüftet.

Nur das eine, das ganz große Geheimnis bleibt geheimnisvoll, fern und irgendwie unerreichbar. Jedenfalls dann, wenn wir dieses Geheimnis mit unserem kleinen begrenzten Verstand und unserer Logik entschlüsseln wollen.
Dieses Geheimnis erschließt sich uns nur in unserem Herzen.

In unserem Predigttext haben wir von diesem großen Geheimnis gehört.
Gehört von Josef, der fassungslos glaubt einem dunklen Geheimnis auf der Spur zu sein. Seine Freundin ist schwanger und er weiß nicht von wem. Was liegt näher, als sie zu verlassen.

 Da muss schon ein Engel kommen um Mutter und Kind zu schützen, ein Engel um Josef in das Geheimnis einzuweihen.

Aber das Geheimnis wird nun erst recht geheimnisvoll. Der Engel steht Rede und Antwort. Aber die Antwort ist nicht die eines Privatdetektivs der Maria auf die Schliche gekommen ist. Und es ist auch nicht die Antwort eines Mediziners. Deswegen sind ja auch alle so ratlos, die diese Geschichte historisch erklären wollen oder sie auf das historisch Erfahrbare und das menschlich Mögliche reduzieren wollen.

Was der Engel sagt ist zum einen ganz normal- ein Kind ist unterwegs und zugleich ist es ganz und gar unmöglich. So unmöglich wie der Glaube überhaupt.  So bringt der Engel als Antwort Gottes ein Geheimnis, das Geheimnis des Glaubens.
Ein bisschen so ist es ja bei jedem Kind, es ist ganz einfach und ganz normal und zugleich ist es wunderbar  und geheimnisvoll, dass da neues Leben entsteht. Und bei jedem Kind, dass in unserer Familie geboren wird, staunen wir aus Neue und können nicht fassen, dass da ein neuer Mensch ist - noch ganz klein und doch vollendet und schön.

Das Kind aber, das Maria zur Welt bringen wird ist etwas besonderes, ist der Besondere, es ist der, auf den die Menschen Jahrhunderte gewartet haben. Es ist der Retter, der Messias, der Erlöser. So viele Hoffnungen haben sich seit Jahrhunderten mit ihm verbunden.
Die Hoffnung auf Frieden, auf Befreiung, auf das Ende von Hunger, Schrecken und Gewalt. Das Alte Testament ist voller Hoffnung und Verheißung, ist voller Erwartung auf den einen.
Viele dieser Erwartungen wird das Kindlein, dass wir heute feiern nicht erfüllen können. Noch immer toben Kriege, noch immer hungern Menschen, die Saat der Gewalt geht täglich aufs Neue auf. Und noch immer werden Kinder in Notunterkünften und auf der Flucht geboren.

So vieles hat sich nicht erfüllt, aber erfüllt hat sich etwas ganz und gar unerwartetes, etwas was wir nie zu träumen gewagt haben.
In diesem Kind kommt Gott selbst zur Welt. „Gott wird Mensch, dir Mensch zu Gute. Gottes Kind, das verbind sich mit unserem Blute."
 
Gott wird Mensch. Er nähert sich uns nicht nur freundlich an, er schaut auch nicht nur und greift ab und zu ein, er bleibt nicht länger weg, kommt, kommt als Mensch, ist sich nicht zu schade für ein ganz normales kleines Menschenleben in einem unbedeutendem Land, am Rand der Wüste vor 2000 Jahren.
Das hat Matthäus gehört und geglaubt. In diesem Jesus war Gott ganz gegenwärtig und wie sollte Matthäus es besser ausdrücken als mit der Mutterschaft Marias ohne Mann.

Ein Bild für die Einwohnung Gottes bei uns. Intimer, näher geht es nicht. So kommt Gott also in die Welt im Bauch einer Frau, so bleibt er in der Welt und bleibt auch bei uns. Das ist das Geheimnis von Weihnachten und wer es mit dem Verstand begreifen will, wird's nicht verstehen.

Viel zu klein ist unser Verstand für die unmöglichen Unmöglichkeiten Gottes.
„Oh dass mein Sinn ein Abgrund wär' und meine Seel ein weites Meer, dass ich dich möchte fassen."

Singend, feiernd, betend können wir das Geheimnis erahnen und genau deshalb singen wir auch an Weihnachten, deshalb feiern wir, weil da unser ach so kluges Herz angerührt wird und wir wieder zart und behutsam werden und dann recht mit diesem Geheimnis umgehen können.
Dem Josef erschließt sich das Geheimnis im Traum.
Im Traum wo die engen Grenzen unserer Wahrnehmung weit werden. Im Traum, wo wir uns nicht panzern können; im Traum, wo wir verletzlich sind und sehnsüchtig.

Als Josef aufwacht, da kann er es fassen in seinem Herzen und tun was nötig ist. Maria und das Kind nehmen, bewahren, behüten und beschützen.
Und Josef wird dem Kind die Namen geben: Jesus, der Retter, und den zweiten Namen Immanuel, damit ist alles gesagt: Immanuel: Gott mit uns. In diesem Kind ist Gott mit uns.
Was wir nie zu träumen gewagt hätten erfüllt sich in diesem Kind.
Denn auch wenn unsere Welt noch immer schrecklich und grausam ist, wenn noch immer so viele Tränen geweint werden so ist doch unsere Welt nicht mehr gottlos, sind wir nicht mehr gottlos.
Seit jenem Weihnachten geht Gott mit uns, geht mit uns durch die Tage des Glücks und des Lachens, scheint auf im Glück und im Glanz unserer Liebe, geht aber aber auch mit uns durch die Tage der Trauer und der Angst.

Nun wird es nichts mehr geben, was mich von Gott trennen könnte: meine Schuld nicht, mein Scheitern nicht, die bange Todesangst nicht, ja nicht mal mein eigener Tod. So nah ist mir Gott gerückt.
"Er wird sein Volk retten von ihren Sünden" sagt der Engel und meint damit dass jetzt einer da ist, der mir so nah ist, dass selbst meine Schuld und das Unrecht, selbst mein kaltes Herz Gott nicht mehr schrecken können.

Und so bleibt er in der Welt, in seinem Wort und in den Geschichten und in meinem Leben bis heute. Und so will er heute Abend zu uns kommen und Wohnung bei uns nehmen.

Meister Eckhart, einer der großen Lehrer der Kirche hat es so schlicht und schön gesagt.
" In dem Augenblick, in dem du bereit bist, geht Gott in dich ein ohne Verzögerung und ohne Zögern.....
Du musst ihn nicht eigens suchen, weder dort noch hier. Er ist ja nicht weiter weg als vor der Tür deines Herzens."

So will Gott in uns geboren werden. Heute Nacht. Amen



Pfarrerin Gabriele Arnold
Stuttgart
E-Mail: ele.arnold@arcor.de

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