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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Neujahr / Jahreslosung, 01.01.2009

Predigt zu Lukas 18:27, verfasst von Bert Hitzegrad

Predigt zur Jahreslosung 2009

 

Liebe Gemeinde!

Mit einer verheißungsvollen Losung gehen wir in ein Neues Jahr:

Was bei den Menschen  unmöglich ist, das ist bei Gott möglich! Lk 18,27

365 Tage voller neuer Möglichkeiten liegen vor uns. 365 unbeschriebene Kalenderblätter. 365 mal der Beweis, dass „Nichts unmöglich ist" wie uns die Werbung sagt.

Dabei soll weniger möglich sein - das sagt nicht die Werbung, sondern die Wirtschaftsweisen verkünden es mit ihren Prognosen. Die Bankenkrise des letzten Jahres wirft ihre Schatten auch nach 2009.  Die Wirtschaft stagniert, Kredite werden zurückhaltend gegeben, der Motor lahmt - sagen die Fachleute. Und gleich in den ersten Tagen des Neuen Jahres  müssen die Energiekosten nachgezahlt werden, für die die Abschläge 2008 nicht gereicht haben. Was wird da noch möglich sein? „Entdecke die Möglichkeiten" - auch das sagt uns die Werbung - nur wenn so vieles nicht mehr möglich sein wird?

365 Tage voller Möglichkeiten - das kann eben auch mal daneben gehen. Wie beim „Spiel des Lebens!" die Ereigniskarten. Natürlich - den Lottogewinn nehme ich gern mit und ziehe sechs Felder vor. Und auch der runde Geburtstag wird zu einem besonderen, einem beflügelndem Ereignis, weil ich spüre, dass viele an mich denken - es geht gleich fünf Felder vor, für jedes Jahrzehnt ein Feld. Aber dann lahmt das Spiel, wird langsamer: Kurzarbeit, eine Runde aussetzten. Das Auto kaputt - 5000 Euro an die Bank. Besuch beim Arzt und die Diagnose „Krebs", drei Runden aussetzen. Ob das Spiel danach weitergeht?

Bei einem Besuch im Krankenhaus bei einer Freundin teilte sie mir mit, dass die Ärzte ihr nur noch wenige Monate gaben. „Sie haben alle Möglichkeiten ausgeschöpft!" sagte sie mit Tränen in den Augen. „Meinst Du, dass Gott helfen kann?" so fragte sie mich. „Glaubst Du an Wunder?"

Wenn ich der Jahreslosung trauen kann, dann muss das, was bei Menschen unmöglich ist, noch immer bei Gott möglich sein! „Ja!", sagte ich zu ihr, „Ja, ich glaube an Wunder. Ich glaube aber, das größte Wunder ist, dass Gott uns seinen Himmel öffnet!"

War es das, was sie hören wollte? War es das, was der reiche junge Mann wissen wollte, als er sich an Jesus wandte. Ihm sagte Jesus die Worte, die uns nun ein Jahr lang begleiten werden, dann, wenn wir unsere Möglichkeiten entdecken und immer wieder an unsere Grenzen stoßen.

Der reiche Junge Mann spürte offenbar, dass es da eine Grenze gibt - den Tod. Auch mit allem Geld der Welt ist diese Grenze nicht aufzuheben, auch wenn es manch lächerlichen Versuch gibt. „Was muss ich tun, um diese Grenze zu überschreiten? Was muss ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?" Vielleicht ließ ihm dies Frage keine Ruhe. Als er die Chance hat, mit Jesus zu sprechen, da legt er los. Und er kann einiges Vorweisen - er kennt die Gebote und lebt danach. Er bemüht sich, ein guter Mensch zu sein und offenbar gelingt ihm das auch. Vielleicht hat er alle Möglichkeiten ausgeschöpft und hatte dabei Erfolg. Doch offenbar ist ihm der Erfolg noch nicht zu Kopf gestiegen, denn er lässt sich ein auf die Fragen des Lebens. Er lässt sich ein auf ein Gespräch mit Jesus. Vielleicht spürt er doch, dass seinen Möglichkeiten Grenzen gesetzt sind - „Ich habe alles, nur nicht das ewige Leben!"

Und Jesus, den der reiche Mann „gut", „guter Meister" nennt, weil er vielleicht in ihm Gottes Güte aufblitzen sieht, Jesus ist ungewöhnlich radikal und fordernd in seiner Antwort: „Dir fehlt noch Eines: Verkaufe alles, was Du hast und gebe es den Armen; dann wirst Du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach."

Was hatte wohl der reiche Jüngling erwartet? Fünf oder zehn Prozent seines Einkommens. Eine feste Summe, klar überschaubar - aber alles verkaufen, alles den Armen geben?

Vielleicht ließe sich auch noch etwas handeln. Das kennt er ja aus seinem Leben. Damit hat er auch sein Geld gemacht. Aber das hier überstieg seine Möglichkeiten - finanziell und ideell. Er wurde traurig.

Der reiche junge Mann, er lässt uns leicht einstimmen in die Reichenschelte dieser Zeit. So als würde Jesus die Macher und Manager der Finanzmärkte, der Firmen und Banken in ihre Grenzen weisen. Es ist auch nicht hinzunehmen, dass der eine alle Möglichkeiten hat und bei dem dritten Luxusauto jubelt „Nichts ist unmöglich!" Und der andere keinen Strom mehr hat, weil er die hohen Energiekosten nicht bezahlen kann. Es kann nicht nur um Gewinne und Renditen gehen, sondern es muss auch um den Menschen gehen, der Mensch, der Mitarbeiter ist, der Mensch, der seinen Sinn und seine Zukunft in der Arbeit sieht, der Mensch, der sich ein bisschen Sicherheit erhofft. Doch tendenziell, latent ist doch die Gier überall verbreitet, ob im Millionen- oder Hunderterbereich. Jeder Mensch hält sich an dem fest, was ihm am Nächsten ist.

Deshalb - wer kann es denn dem reichen jungen Mann verübeln, dass er nicht loslassen kann? Würde nicht jeder von uns so reagieren - traurig, enttäuscht, vielleicht auch entlarvt - ja so sind wir ... „Ja, so bist du,  Mensch, Du kommst an Deine Grenzen, nicht nur am Ende des Lebens, sondern schon mittendrin. Es ist eben nicht alles möglich für Dich!"

„Und für die Reichen ist es schwer in das Reich Gottes zu gelangen!" Eine nüchterne Feststellung, die Jesus da trifft? Oder mitfühlende Anteilnahme an der Trauer des jungen Mannes? Nein, er schont ihn nicht und setzt noch eine Unmöglichkeit hinzu: „Es ist leichter, dass ein Kamel durch in Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Reich Gottes kommt!"

Will er ihn jetzt auch noch lächerlich machen, diesen traurigen, reichen jungen Mann! „Wärst Du ein Kamel, Du hättest größere Chancen in Deinem Leben und in dem Leben danach!"

Doch das empört nun auch diejenigen, die das Gespräch belauschen. Sie spüren vielleicht, dass die Worte nicht nur denen mit dem großen Bankkonto gilt, sondern auch allen, denen es schwer fällt auf das im Leben zu verzichten, was ihnen wichtig ist. Wer kann schon leichten Herzens die vierte Strophe von Luthers Protestlied „Ein feste Burg" mitsingen, wenn der Reformator sagt und singt: „Nehmen sie den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib, lass fahren dahin, sie haben kein' Gewinn, das Reich muss uns doch bleiben!"

Geben wir so leicht das eine für das andere. Können wir alles aufgeben, was unser Leben bis auf den heutigen Tag ausmacht? Und müssen wir das?

 „Wer kann dann selig werden?" Die Umherstehenden schätzen plötzlich ihre Möglichkeiten ebenfalls realistisch ein - wie der jungen reiche Mann. Gemeinsam sind sie an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gekommen. Bis hierhin und nicht weiter.

Vielleicht ist das ja der Sinn des Gespräches und das Ziel, das Jesus verfolgt: Dass wir unsere Grenzen erkennen und uns und unsere scheinbaren Möglichkeiten ganz zurücknehmen. Dann kann man auch seine schroffen und ablehnenden Worte verstehen - verstehen letztendlich als eine Einladung, eine Einladung, die Hand anzunehmen, die Gott uns reicht:

„Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich!" Also auch, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht? Oder dass ein Reicher in den Himmel kommt?

Auf jeden Fall sollten wir mit dieser Möglichkeit rechnen, auch wenn wir immer wieder schmerzhaft feststellen müssen, dass wir Gott nicht gerecht werden, dass der Weg in den Himmel sich nicht erkaufen lässt und dass Grenzen dazu da sind, uns auch unsere eigenen Grenzen aufzuzeigen.

Nur Gott selbst kann das, was wir uns wünschen, dass aus dem Unmöglichen eine Möglichkeit wird. Für Gott ist nichts unmöglich - als Kind kommt er auf diese Welt, „wird niedrig und gering und nimmt an sich eins Knecht Gestalt, der Schöpfer aller Ding!" (EG 27,3) In einem ohnmächtigen Kind zeigt der Mächtige seine Macht und Möglichkeiten. In den Kindern, die Jesus segnet, zeigt er uns, wer das Reich Gottes ererben wird: Diejenigen, die von Gott alles erwarten, die ihre Grenzen kennen und akzeptieren und die sich ganz auf ihn verlassen.

So als wollte der Evangelist Lukas uns mit der ablehnenden Haltung gegenüber dem Reichen versöhnen, stellt er dem Gespräch die Segnung der Kinder voran. Sie sind die wahren Reichen. Ihnen stehen alle Möglichkeiten offen.

Und uns - in einem neuen Jahr? „Entdecke die Möglichkeiten!", der Spruch aus der Werbung kehrt sich für mich um: „Entdecke deine Grenzen und vertraue dem, für den nichts unmöglich ist!" 

Ein neues Jahr mit 365 Möglichkeiten hat begonnen. Auch mit der Möglichkeit, unseren Reichtum zu teilen und denen nahe zu sein, denen alle materiellen Möglichkeiten verbaut sind. Ein Jahr, in dem wir auch an unsere Grenzen kommen werden. Ein Jahr, in dem Gott das Unmögliche möglich macht. - er ist bei uns, jeden Tag neu. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus zum ewigen Leben. Amen.




Pastor Bert Hitzegrad
Cadenberge
E-Mail: BHitzegrad@aol.com

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