Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Neujahr / Jahreslosung, 01.01.2009

Predigt zu Lukas 18:27, verfasst von Peter Taeger

Predigt zur Jahreslosung 2009 


Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.

Das ist ein erstaunlicher Satz mit unendlicher Sprengkraft. Er sprengt unsere Ordnungssysteme. Er sagt: Bei Gott gelten andere Maßstäbe.

In welchem Zusammenhang stehen diese Worte in der Bibel?
Es lohnt sich nachzulesen.

Und es fragte ihn ein Oberer und sprach: Guter Meister, was muss ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe? Jesus aber sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein. Du kennst die Gebote: Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren!
Er aber sprach: Das habe ich alles gehalten von Jugend auf.
Als Jesus das hörte, sprach er zu ihm: Es fehlt dir noch eines. Verkaufe alles, was du hast und gib`s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach!
Als er das hörte, wurde er traurig; denn er war sehr reich.
Als aber Jesus sah, dass er traurig geworden war, sprach er: Wie schwer kommen die Reihen in das Reich Gottes! Denn es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Reich Gottes komme.
Da sprachen, die das hörten: Wer kann dann selig werden? Er aber sprach: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.

Ich mag den Dichter Christian Morgenstern. In seinen Galgenliedern findet sich auch ein Gedicht, was auf diese Passage Bezug nimmt:


Die Probe

Zu einem seltsamen Versuch
Erstand ich mir ein Nadelbuch.

Und zu dem Buch ein altes zwar
doch äußerst kühnes Dromedar.

Ein Reicher auch daneben stand,
zween Säcke Gold in jeder Hand.

Drauf Petrus sprach: „Geschrieben steht,
dass ein Kamel weit eher geht

durchs Nadelöhr, als du, du Heid,
durch diese Türe groß und breit!"

Ich, glaubend fest an Gottes Wort,
ermunterte das Tier sofort,

ihm zeigend hinterm Nadelöhr
ein Zuckerhörnchen als Douceur.

Und in der Tat! Das Vieh ging durch,
obzwar sich quetschend wie ein Lurch!

Der Reiche aber sah ganz stier
und sagte nichts als „Wehe mir!"


Ich fürchte, so stehen wir alle da. Wehe mir!

Der Mensch, der Jesus anspricht, einer von den Oberen, fragt und sehnt sich nach dem ewigen Leben, nach dem Reich Gottes.
Jesus antwortet mit dem Hinweis auf die Befolgung der Gebote. Hier kann der Mensch mit der Sehnsucht im Herzen antworten, dass er sich von Jugend auf schon daran hält. Trotzdem bleiben die Fragen, die Sehnsucht und letztlich auch der Zweifel.
Einen Rat hat Jesus noch: Verkaufe alles und gib es den Armen und folge mir nach.
Hier hört die Argumentation auf und die Emotion setzt ein. Er wurde traurig, denn er war sehr reich.

Wehe mir!
Auch wenn wir unterschiedlich reich sind und vielleicht sogar so ernsthaft bemüht, wie der fragende reiche Mensch, komme ich um die Erkenntnis nicht herum, dass diese Aussage mir gilt. Wie eindeutig bin ich in der Nachfolge. Kann ich alles verkaufen und nur aus dem Vertrauen leben dass Gott mich erhalten wird? Warum überhaupt hat es der Reiche so schwer?

Es gab und gibt Menschen, die christusförmig werden wollen und tatsächlich diesen von Christus dem Reichen angeratenen Weg gehen, wie Franziskus, Elisabeth von Thüringen
oder Mutter Theresa und viele andere, die nicht so bekannt werden.  Aber ich denke, das sind exemplarische Wege, die stellvertretend gegangen werden. Sie sind unbedingt notwendig. Aber alle können so nicht leben. Schon die Heilige Elisabeth musste ihre Kinder weggeben, um diesen Weg gehen zu können, was uns heute nicht ganz leicht fällt, zu verstehen.
Die meisten von uns sind eingebunden in die Zusammenhänge dieser Welt und können sich ihnen aus familiären oder beruflichen Gründen nur sehr bedingt entziehen.

Was aber will Jesus dann?

Ich denke, das Schlüsselwort heißt Vertrauen.
Wir leben in der Regel aus unseren Sicherungssystemen heraus. Sie sind mehr oder weniger gut ausgebaut. Das Vertrauen darauf, dass ich richtig handle, nach den Geboten lebe, dass ich geachtet bin, meinen Platz in der Gesellschaft habe, dass ich ein Guter bin und natürlich, dass ich für mich und meine Familie sorgen kann, dass ich etwas für das Alter und für ein Dach über dem Kopf zurückgelegt habe, dass ich eine ordentliche Versicherung habe, die mich im Zweifelsfall schützt usw. Kann ich das aufgeben und beginnt Nachfolge erst an der Stelle, wo ich das alles aufgebe? Hier gerate ich an Grenzen.

Ich ahne mit Luther, dass der Weg, der sich über meine Leistung definiert ins Leere führt.
Wie weit ich ihn auch treibe, er führt mich nicht ins Reich Gottes.
Darum hat es auch ein Reicher besonders schwer. Sein Reichtum erlaubt es ihm, wunderbare eigene Sicherungssysteme zu bauen, die so engmaschig sind, das für alles gesorgt scheint. Besitz gibt uns Sicherheit aber er nimmt uns auch gefangen.
Wer diese Sicherungssysteme nicht hat, wird viel schneller aus der Erfahrung leben, dass ihm gar nichts anderes übrig bleibt, als darauf zu vertrauen, dass Gott Zukunft bereit hält.
Nicht umsonst gilt Jesu ungeteilte Zuwendung den Armen und Bedürftigen.

Der Reiche wurde traurig. Vielleicht, weil er wusste, dass er sich nicht von seinem Reichtum trennen kann. Vielleicht ahnte er auch, dass sein Weg nicht zum Ziel führt.

Jesus reagiert auf diese Trauer, denn sie ist ja Ausdruck der unerfüllten Gottessehnsucht des Reichen.
Mit dem Bild vom Nadelöhr, redet er von der Unmöglichkeit für einen Reichen in das Reich Gottes zu kommen.

Wehe mir, rufen da auch die Umstehenden. Wer kann dann selig werden?
Und jetzt kommt unsere erlösende Jahreslosung.
Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.

Dieser Satz ist pures Evangelium, sola gratia, sola fides.
Unser Heiland Jesus Christus öffnet den Himmel.
Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis;
der Cherub steht nicht mehr dafür. Gott sei Lob Ehr und Preis.
So dichtet Nikolaus Hermann.

Trotzdem bleibt die Frage der Nachfolge und der Christusförmigkeit, die unserem Leben Tiefe gibt und es herausfordernd in Spannung hält.
 



Superintendent Peter Taeger
Rudolstadt
E-Mail: Peter_Taeger@gmx.de

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