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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Epiphanias, 06.01.2009

Predigt zu Matthäus 2:1-12, verfasst von Jochen Arnold

Liebe Gemeinde!
Ein vertrautes Bild: Drei Könige ziehen schwer bepackt mit Geschenken auf ihren Kamelen über Dünen und durch Oasen in Richtung heiliges Land. Der Erste - man erkennt es an seiner dunklen Hautfarbe - ist ein junger Afrikaner in einem leuchtend orangenen Gewand. Der Zweite ist, was man an seinen prägnanten Augen sehen kann, offenbar ein Asiate mittleren Alters, der Dritte ein älterer Europäer, ganz offensichtlich ein Gelehrter mit langem weißem Bart. So kenne ich sie von meiner Krippe aus Kinderzeiten: Caspar, Melchior und Balthasar, die drei Könige aus den drei Erdteilen der alten Welt. Deshalb schreiben die Sternsinger, die heute in vielen Gemeinden unterwegs sind, bis heute die Buchstaben CMB über die Türen der Häuser: (Christus mansionem benedicat=Christus segne das Haus). Doch was ist dran an die-ser schönen Legende? Hören wir auf Worte aus Matth. 2 ,1-12


TEXT


Die heiligen drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar, liebe Gemeinde, sind also eine, wenn auch schöne, Zutat zur biblischen Erzählung. Wenn sie aufmerksam zugehört haben, kamen gerade weder ihre Namen, noch ihr Königtum noch ihre Dreizahl vor. Kein Wunder also, dass noch in der römischen Domitilla-Katakombe vier statt der üblichen drei und in syri-schen Traditionen bis zu 12 Weise dargestellt sind.
Was war der wirkliche Beruf, was war ihre Religion und Nationalität? Mit letzter Sicherheit können wir das nicht sagen. Wahrscheinlich kamen sie aus Persien, wo man seit alters den Begriff Magos (Magier) für einen Angehörigen der Priesterkaste verwendet hat. Später konnte er einen Philosophen, Naturwissenschaftler, ja sogar einen Zauberer bezeichnen. Jedenfalls waren es keine Menschen jüdischen Glaubens, wahrscheinlich auch keine Priester im engeren Sinne. Eher Esoteriker, halb Astronomen, halb Astrologen, oder ganz einfach:  gebildete fromme Heiden. Interessant ist auch eine Spur, die in den Kölner Dom führt: die Stoffreste aus dem Kölner Dreikönigsschrein sind quasi identisch mit Gewebestoffen aus Palmyra im heuti-gen Syrien, wo besonders ein Sonnen- und ein Mondgott verehrt wurden. Eine heiße Spur.
Der Weissagung der alttestamentlichen Lesung „Sie werden aus Saba alle kommen und Gold und Weihrauch darbringen" (Jes 60) sowie die damit verbundene Vermutung, dass es sich um Äthiopier handelte, ist also eher unwahrscheinlich.  
Tja, und jetzt werden Sie natürlich auch noch nach dem Stern fragen, über den es - ähnlich wie über den Herkunftsort der Weisen - schon einige Meter an Literatur gibt: Geläufig sind besonders zwei (naturwissenschaftliche) Deutungen:
a) Es könnte sich um eine Erscheinung des Halleyschen Kometen des Jahres 12/11 v. Chr. gehandelt haben, der zuletzt im Jahr 1910 eindrucksvoll im heiligen Land zu sehen war.
b) Wahrscheinlicher ist allerdings die Jupiter-Saturn-Konstellation, die im Jahre 7/6 v. Chr.  insgesamt dreimal auftrat und von babylonischen Astronomen vorausgesagt worden war. Sie passt auch deshalb so gut, weil Jupiter als Königsstern und Saturn als Stern des Sabbats der Stern der Juden war.
Ich habe mich über diese Entdeckungen gefreut, liebe Gemeinde. Keinesfalls alles, was uns in dieser Geschichte begegnet, ist Legendenbildung: im Gegenteil, etliche Elemente scheinen auf deutlich nachweisbare historische Gegebenheiten zurückzugehen. Und dennoch bleibt diese Geschichte erstaunlich, ja beinahe unfassbar. Sie spricht zu uns nicht aufgrund ihrer Fakten, sondern weil sie eine Glaubensgeschichte ist, mit der uns Matthäus den Glauben und den Mut frommer Heiden vor Augen stellen und schon am Beginn seines Evangeliums signa-lisiert: diese Botschaft geht alle Menschen an, aus Osten und Westen, Norden und Süden, welche Religion und Nationalität, welchen Bildungsstand sie auch immer haben.
Hören wir dazu auf ein Gedicht(fragment) von Dorothee Sölle:

ich würde die reisenden loben
mich ihrer freuen und
so es noch leuchtet das ungewöhnliche licht
ansehen lange und öfters
um ihretwillen
mit der dringlichen hoffnung
auf veränderung

Was gibt es zu loben an den Weisen? Inwiefern können uns diese frommen und klugen Men-schen ein Vorbild für unseren Glauben sein? Ja gar die dringliche Hoffnung auf Veränderung in uns entfachen? Oder noch grundsätzlicher: Können sie uns helfen mit unseren aktuellen Fragen klarzukommen: Warum bin heute hier, wo möchte ich morgen sein? Wo zieht es mich hin - in meinem Leben mit Gott anno Domini 2009?
Vier Stationen möchte ich uns skizzieren:

Station 1: Der Stern im Osten oder:  heilsame Ver-rückung
Aufmerksam waren sie die Magier, aufmerksam und achtsam im Blick auf das, was in der Welt passiert, was sich in Natur und Geschichte ereignet. Tagsüber betrachten sie genau die Strahlen der Sonne und ihre Wirkung. Nachts sitzen sie wie ihr Urahne Abraham unter Gottes weitem Sternenhimmel: sie schauen, lauschen, staunen. Sie haben alte chaldäische Weissa-gungen gelesen und wissen, dass demnächst ein Königsstern am Firmament erscheinen soll, der sich mit dem Stern der Juden (Saturn) kreuzt. So beobachten sie die Natur und deuten die Zeichen der Zeit, achten auf Klima- und Naturveränderungen, kosmisch und politisch.
Und dann passiert es. Einen so hellen Schein, ein so strahlendes Leuchten, haben sie noch nie gesehen. Dies Leuchten setzt sie in Bewegung.. Der neue Stern am Firmament  ist eine Provo-kation, eine „Herausrufung", sie werden durch ihn buchstäblich ver-rückt.
Welcher Stern könnte das in unserem Leben sein, der zum Aufbruch und zu neuen Wegen veranlasst? Der uns herauslockt aus den lieb gewordenen Sicherheiten unseres Alltags? Ein Stern, der uns an ein unbekanntes, neues Ziel bringt? Der schillernde Komet wieder steigen-der Aktien? Der zwielichtige Fixstern eines neuen Konjunkturpakets?
Ich bewundere die Weisen aus dem Morgenland, dass sie neugierig und zuversichtlich aufbre-chen und einfach losziehen. Ohne modernes Navigationssystem, ohne genaue Landkarte geht es los in Richtung Westen. Ich wünsche mir für das neue Jahr eine solche Aufbruchstimmung für mich, für unsere Kirche, ja auch für unsere Welt: ein neues Fragen nach dem Wesentli-chen, nach dem Stern, der zu Christus hinführt. Weg von den falschen Sternen der Gewalt und des Geldes, die wie abstürzende Meteoriten am Verglühen sind.  

Station 2: Penetrante Fragen - überraschende Weisung
Sie gehen einen weiten Weg. Mehrere Tagreisen waren es mindestens. Zunächst kommen die Königspilger ins Zentrum der römischen Provinz Juda. Sie treffen auf die weltlichen und geistlichen Machthaber, auf das Jerusalemer Establishment in Palast und Tempel: König He-rodes zum einen, die Hohenpriester und Schriftgelehrten zum anderen. Sie tun nicht mehr als einfach zu fragen. „Wo ist der neugeborne König?"  Johann Sebastian Bach inszeniert dies in seinem  Weihnachtsoratorium kunstvoll, wenn er den Chor gleich neunmal „Wo, wo, wo? Wo ist der neugeborene König der Juden?" rufen lässt. Erstaunlicherweise wird den Gefragten daraufhin angst und bange. Der rücksichtslose Provinztyrann und der opportunistische Prie-steradel lassen sich von friedlichen Reisenden völlig aus der Fassung bringen.
Ich sinne nach: Könnte das auch unsere Stimme, unsere (penetrante) Frage an die Welt sein? Wo ist bei euch in Wirtschaft und Politik etwas von dem neugeborenen, friedlichen, so gänz-lich anderen König zu sehen und zu spüren? Wo, wo, ja wo ist denn der Geist der Versöhnung und der Güte?
Dann kommt wieder eine überraschende Pointe: Bethlehem kommt ins Gespräch. Auf das Zitat der Schriftgelehrten hin ändern sie ihre Reiserichtung.
Ich denke mir dabei: Ohne das biblische Wort aus dem Propheten Micha hätten sie womög-lich ihr Ziel - wenn auch knapp - verfehlt. Welche Religion diese Männer auch immer hatten, sie sind bereit auf die Worte der (jüdischen) Heiligen Schrift zu hören. Ohne das biblische Wort (auch aus dem Munde derer, die nicht an Christus glauben!) bliebe der Stern ein bloßes Orakel. Doch weiter, die Zeit drängt. Bethlehem ist im Visier.

Station 3: Sternstunde der Menschheit oder: fröhliche Verzückung
(Sprichwörtlich heißt es ja: „Der Weg ist das Ziel." Das mag im einen oder anderen Falle zu-treffen. Ich halte - ehrlich gesagt - nicht viel davon. Für die Magier ist gerade nicht der Weg, sondern der neugeborene König das Ziel. )
Kommen sie mit! Lassen sie uns mit den Weisen aus dem Morgenland das göttliche Kind wieder entdecken. Ein Kind, in dem sich die Koordinaten Gottes und der Menschen in wun-derbarer Weise kreuzen und vereinen. Der Stern zeigt es an, er bleibt über dem Stall stehen. Wir werden Augenzeugen einer Sternstunde der Menschheit.
Maria ist allein mit ihrem Kind. Maria betrachtet es, sieht es an mit den Augen der Liebe.
In dieser heiligen, andächtigen Stille geschieht es, das Wunder des Glaubens. Die klugen, weit gereisten Männer werden in der Tiefe ihres Herzens angerührt und von einer gigantischen Freude überwältigt. „Sie freuten sich mit einer riesengroßen Superfreude." So könnte man den griechischen Text hier wörtlich wiedergeben. Vielleicht braucht es da den Dialekt zur Ver-stärkung des Verbs: „Obacha, saumäßig, donderschlächtig" sagt man in meiner schwäbischen Heimat. Oder einfach „Boa ei, ich fasse es nicht..." Von einem Freudentanz ist zwar nicht die Rede, auch von keinem vier-, fünf, oder achtstimmigen Halleluja, aber von einer körperlichen Geste: Sie werfen sich nieder vor dem Kind und beten es an, liefern sich ihm gleichsam aus.
Sie bringen das, was dem königlichen, nein: dem göttlichen Kind ihrer Meinung nach ge-bührt: Gold, das Geschenk für den ewigen König, Weihrauch, das Geschenk für den wahren Priester und Myrrhe, das Geschenk für den rechten Arzt. Das alles ist er jetzt schon und wird es ewig für sie und für uns sein. Heilender Arzt, priesterlicher Mittler und ewiger Friedenskö-nig. Eine theologisch höchst aufgeladene Szene.
Ja, die Weisen haben es kapiert, auf die Freude und die Freigiebigkeit, auf die totale Hingabe kommt es an. Ganz da sein. Ich bin überwältigt.

 Station 4: Metamorphose im Stall - eine Begegnung mit Folgen
„Sie zogen auf einem anderen Weg wieder in ihr Land." Mit diesem recht prosaischen Satz schließt unsere Erzählung. Gott selbst - so heißt es - habe zu ihnen im Traum geredet. Ich verstehe diese Wendung sehr grundsätzlich: Hier ist Epiphanias passiert. Eine Gotteserschei-nung ganz im Kleinen und Verborgenen. Die Geschichte zeigt:
Wer Gott begegnet ist, kann nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und ausgetretene Pfa-de wieder begehen. Wer berührt und überwältigt ist von der Leuchtkraft des Evangeliums, tut nicht mehr mit bei den Ränken der Mächtigen, ganz gleich ob in Washington oder Moskau, Jerusalem oder Teheran, sondern muss einen anderen Weg einschlagen, eine Kursänderung vornehmen in seinem Leben. Metamorphose im Stall - welch eine Chance!
Erleuchtet von der Liebe des Kindes werden auch wir verwandelt und auf das Wesentliche ausgerichtet, dass wir nicht nur geistliche „Sterngucker" werden, sondern auch fröhlich unser Herzen verschenken. Epiphanias heißt: Gott erscheint uns. Und wir sind mit unserem ganzen Herzen bei IHM und bei den Menschen.
Lasst uns beten:
O König aller  Ehren, / Herr Jesu, Davids Sohn, / dein Reich soll ewig währen, im Himmel ist dein Thron; / hilf, dass allhier auf Erden den Menschen weit und breit / dein Reich bekannt mög werden / zur Seelen Seligkeit.



Jochen Arnold

E-Mail: Jochen.Arnold@michaeliskloster.de

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