Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Altjahrabend, Silvester, 31.12.2008

Predigt zu Lukas 12:35-40, verfasst von Christian Tegtmeier

Laßt eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen 36 und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wann er aufbrechen wird von der Hochzeit, damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sogleich auftun. 37 Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet. Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich schürzen und wird sie zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen. 38 Und wenn er kommt in der zweiten oder in der dritten Nachtwache und findet's so: selig sind sie. 39 Das sollt ihr aber wissen: Wenn ein Hausherr wüßte, zu welcher Stunde der Dieb kommt, so ließe er nicht in sein Haus einbrechen. 40 Seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr's nicht meint.

Unsere Lebenserfahrung, die Botschaft des Glaubens und „ des Jahres letzte Stunden" - das führt uns jetzt zusammen, leibe Gemeinde. Und bei jedem unter uns sind das sicher recht verschiedene Gefühle und Gedanken, die uns bestimmen, die  Zeit ausfüllen und uns als nachdenkliche Menschen Rückschau halten lassen auf das, was gewesen ist. Am Altjahresabend erleben wir die Zeit bewusster -wieder ist ein Jahr vergangen. Manches haben wir erreicht in den vergangene Tagen und Monaten, anderes entglitt unseren Möglichkeiten. Aber wir spüren, dass uns Zeit geschenkt worden ist. Wir durften sie empfangen und nach unseren Möglichkeiten nutzen und gestalten, so wie es der Beter des 31. Psalms empfindet:  

                        „Meine Zeit, Herr, liegt in deinen Händen." (Ps. 31, 16)

Im Rückblick auf das Jahr erinnere ich mich an viele schöne und gute Stunden: der Urlaub an der See mit den Kindern - Momente am Strand, am Hafen, auf dem Schiff oder dann der Herbst, als wir fröhlich Drachen steigen ließen. Es gab Zeit, um Menschen wieder zu treffen, die ich lange nicht gesehen habe - in meiner früheren Gemeinde , aus der Familie oder überraschend in der Stadt. Glückliche Augenblicke, lichte Stunden bei aller Normalität der Tage und Wochen. Aber auch die dunkeln Stunden vergesse ich nicht: die ungute Nachricht von der Krankheit unserer Tochter, bange Stunden, unruhige Nächte, Hoffen und Bitten, um dann dankbar die Nachricht „alles wird gut" entgegen nehmen zu können. Jahresende, Jahreswende - das gibt mir die Chance, mich dem Erlebten noch einmal zu stellen, Rückschau zu halten.

Das Evangelium spricht da eine eigene Sprache: bereit sein, wach und aufmerksam, zu bestimmter Stunde, zur zweiten oder dritten Nachtwache. Solche Aufmerksamkeit im Glauben gilt dem Kommen Gottes, erinnert mich an die Schnittpunkte, an denn e sich meine und seine Wege kreuzen. Auch im Evangelium wird  von bewusst erlebter Zeit gesprochen, besonders von der, die noch vor uns liegt: Gottes Zeit mit uns und unsere Zeit mit ihm. Die Griechen nennen das den Kairos, den günstigen, beglückenden Augenblick. Christen sprechen vom Heil, von der Erlösung. Der Friede Gottes  - Shalom Jahwes - kommt über sie.

„Siehe, jetzt ist die angenehme Zeit des Heils, jetzt ist der Tag des Heils."

Mir wird schmerzhaft bewusst, dass auch von Gott geschenkte Zeit verloren ging - unwiederbringbar. Da wäre Zeit gewesen für Gespräche, für Begegnungen - in der Familie, zwischen den Generationen, Zeit für Menschen, die mich brauchten und auf mich warteten. Und in manchen Augenblicken wäre ich Gott gerne näher gekommen. Vielleicht, liebe Gemeinde bin ich nicht bei den Knechten, die beim Eintreffen ihres Herrn bereit sind, vielleicht finde ich mich bei denen, die die Stunde des Heils verschlafen haben und werde darum nicht glücklich gepriesen.

 

Das führt mich zum Zweiten, zu der Gemeinschaft, vor allem der Gemeinschaft mit Jesus Christus, meinem Erlöser. Wer schläft, der hebt die Gemeinschaft auf, der lebt für sich allein, ist für niemand anderen da. Jesus hat das sehr schmerzhaft erlebt und erfahren damals im Garten Gethsemane. Kurz vor seiner Verhaftung, kurz vor dem Verrat suchte er, brauchte er Beistand, Zuspruch, Trost, leibende Hände. Er bat darum. Doch seine Gefährten ließen sich von Müdigkeit und Schlaf überwältigen. Jesus blieb allein in dieser Zeit, einsam.

Im Evangelium des heutigen Tages  wird davon gesprochen, dass die Knechte wachen. Sie haben sich  ganz bewusst und gewollt Zeit genommen, wollen hellwach sein, wenn ihr Herr kommt. Sie wissen nicht genau wann erkommen wird, aber sie wissen, dass er kommen wird. Auf diese Ankunft warten sie, darauf sind sie vorbereitet.  An einem solchen hellwachen Warten haben sie Freude. Dafür erfahren sie später, dass ihr erwartungsvolles Warten belohnt wird, denn der Herr wird für sie da sein, wenn sie ihn brauchen. Darauf können sie sich verlassen. Dieses Bewusstsein stärkt das Vertrauen, weckt Liebe und Güte und lässt den Horizont der göttlichen Barmherzigkeit erahnen.

„Selig sind die Knechte, die wo der Herr kommt und wachend findet, ... er wird ihnen dienen."

Das sagt uns: wer wach ist, wird getröstet werden. Die Last des Lebens, dieser Zeit wird ihnen aus den Herzen und von den Schultern genommen. Da wünsche ich mir, dass ich um Gottes Willen aufmerksamer in der Gemeinschaft mit Gott werde, ihn wahrnehme und ihm die Zeit schenke, die wir beide benötigen: mein Vater im Himmel und auf Erden und ich armseliger, trostbedürftiger Mensch. Dass Gott mir nahe ist, das weiß ich seit Weihnachten und habe es in meiner Taufe persönlich zugesprochen bekommen - nur vergessen darf ich es nicht.

Lebenserfahrung, die gute Nachricht und die Zeit in den letzten Stunden des fast vergangenen Jahres 2008 - sie verbinden sich. In die Zeit, die anbricht, in das neue Jahr entlässt uns Gott mit einer schönen und liebevollen Aufgabe. Er sagt:

„Bleibt nicht allein, seid füreinander da. Habt Zeit."
Deshalb beten Menschen, deshalb warten sie auf sein  Kommen, um dann mit ihm und durch ihn für ihr eigenes Leben ein schützendes, bergendes Zuhause geschenkt zu bekommen.
Das erinnert mich  auch an die Zusage, die uns Jesus zu Beginn dieses Jahres gab:
„Ich lebe und ihr sollt auch leben."

Damit bejaht er unsere Weg. Aus diesen Worten öffnet sich mir eine Zukunft ohne Ängste und Sorgen. Denn mein Retter und Erlöser kommt gewiss. Das darf ich spüren und weitergeben. An meine Nächsten, in der Familie, den Kindern,  einfach allen denen  ich verbunden bin. So bin ich zu jeder Zeit bereit und hellwach, um den besonderes Gast zu empfangen.

Als Losung für „des Jahres letzte Stunden" nehme ich mir einen glauben mit auf meine Weg, der die Lebensgemeinschaft mit Jesus Christus nicht missen oder gar verlieren möchte. Denn er ist mein Heiland.

Da möge mir die Hoffnung nie fehlen, dass er kommt, denn darauf freue ich mich und dass möchte ich unter keinen  Umständen versäumen. Und ich brauche eine Liebe, die mir sagt: allein wirst du es nicht erreichen. Nur miteinander werdet ihr glücklich werden und bleiben.

So möge in unseren Herzen nachklingen, was wir im Advent in den Worten des Ambrosius  und ihrer Übertragung ins Deutsch durch Martin Luther  vom Heiland gesungen haben:

Er ging aus der Kammer sein,
dem königlichen Saal so rein,
Gott von Art und Mensch, ein Held;
sein' Weg er zu laufen eilt.

Amen.



Pfarrer Christian Tegtmeier
Kirchberg
E-Mail: gabriele.tegtmeier@t-online.de

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