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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Epiphanias, 06.01.2009

Predigt zu Matthäus 2:1-12, verfasst von Wolfgang von Wartenberg


Die Weisen aus dem Morgenland
2
1 Als Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: 2 Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten.
3 Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, 4 und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte. 5 Und sie sagten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten (Micha 5,1): 6 »Und du, Bethlehem im jüdischen Lande, bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.«
7 Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre, 8 und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr's findet, so sagt mir's wieder, dass auch ich komme und es anbete. 9 Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. 10 Als sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut 11 und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.
12 Und Gott befahl ihnen im Traum, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren; und sie zogen auf einem andern Weg wieder in ihr Land.

Liebe Gemeinde, 
1.
Erfüll mit deinen Gaben,
Herr Jesu, dieses Haus!
Tod, Krankheit, Seelenschaden,
Brand, Unglück treib hinaus!
 
Lass hier den Frieden grünen,
verbanne Zank und Streit,
dass wir dir fröhlich dienen
jetzt und in Ewigkeit!-
Volkstümlich
 
Liebe Gemeinde, so singen in diesen Tagen die Sternsinger. Vielleicht haben Sie die Sternsinger auch schon durch die Strassen ziehen sehen. Es sind meist Jungen und Mädchen aus den katholischen Gemeinden, die diesen schönen Brauch pflegen.
Das Sternsingen ist ein weitverbreiteter Brauch. Er entstand aus den Dreikönigsspielen in vielen Kirchen und Klöstern und stammt aus dem Mittelalter. Kinder ziehen als Könige verkleidet durch die Gemeinden und singen in den Häusern ein Lied. Sie tragen einen großen Stern mit sich und malen mit Kreide an den Türbalken die Jahreszahl und C+M+B. Diese Buchstaben sind nicht, wie man häufig meint, die Anfangsbuchstaben der Könige Caspar, Melchior und Balthasar, sondern die Anfangsbuchstaben der Segensformel: Christus Mansionem Benedictat: Christus segne dieses Haus.
 
2.
Dieser Brauch geht zurück auf eine alte Legende, die, wie wir gehört haben, im Matthäusevangelium festgehalten worden ist:
Drei Könige ziehen aus dem Morgenland, aus einem Land also, wo am Morgen die Sonne aufgeht, einem Land im Osten von Israel nach Jerusalem. Die wirkliche Anzahl der Könige ist ungesichert. Man schließt sie gemeinhin aus der Anzahl der drei Geschenke, die sie dem Kind machen werden. In der Überlieferung werden die Könige auch Sterndeuter, Weise oder Magier genannt. Matthäus war es wichtig, mit dieser Geschichte zu erzählen, wie Jesus schon bei seiner Geburt von Menschen anderer Völker und anderer Religionen wahrgenommen und verehrt worden ist. Damit nimmt er eine Perspektive des christlichen Glaubens vorweg, der sich nach dem Tod und der Auferstehung Jesu bekanntlich im ganzen Mittelmeerraum ausbreitete.
Ich will im Folgenden statt von den Königen von Sterndeutern reden. Es bedurfte und bedarf damals wie heute einer großen Gelehrsamkeit, am nächtlichen Himmel einen neuen Stern zu entdecken. Die Sterndeuter waren dazu in der Lage. Neuere Berechnungen lassen vermuten, dass es diesen Stern wirklich gegeben hat und mit dem seinerzeit erschienenen Halleyschen Kometen identisch war, den auch wir vor einigen Jahren am Nachthimmel beobachten konnten. Die Sterndeuter folgen dem Stern bis nach Jerusalem. Dort fragen sie: „Wo ist der neugeborene König der Juden, dessen Stern wir im Morgenland gesehen haben?"
König Herodes ist erschrocken. Die Schriftgelehrten, die sich in der Bibel auskennen, weisen hin auf ein Zitat inder Bibel, in dem die kleine Stadt Bethlehem als künftiger Geburtsort eines neuen Königs, des lang ersehnten Messias genannt wird.
König Herodes schickt die Sterndeuter nach Bethlehem mit dem Auftrag, wieder zu ihm zurück zu kehren, wenn sie den neugeborenen König ausfindig gemacht haben, damit auch er, wie er sagt, das Kind anbeten könne. Die Sterndeuter finden das Kind im Stall von Bethlehem. Sie sind voller Freude. Sie fallen auf die Knie, beten es an und überreichen ihm ihre Geschenke: Gold, weil er als der neue König gefeiert (Melchior), Weihrauch, weil er als Gottes Sohn verehrt (Kaspar), und Myrrhe, weil er als Mensch geboren wird (Balthasar).
In einem Traum werden die Sterndeuter aufgefordert, nicht zu Herodes zurückzukehren, sondern auf einem anderen Weg in die Heimat aufzubrechen. Das tun sie dann auch. 

Liebe Gemeinde, wir wissen, wie die Geschichte im Matthäusevangelium weiter erzählt wird:
Herodes lässt die Nachricht, dass ein König neu geboren sein soll, nicht in Ruhe. Er fühlt sich in seiner Herrschaft bedroht. Schließlich schickt er seine Soldaten mit dem Befehl, alle Kinder bis zum zweiten Lebensjahr zu töten, nach Bethlehem.
Die Eltern Jesu sind zu diesem Zeitpunkt längst auf der Flucht nach Ägypten. Sie kehren erst nach dem Tod des Herodes wieder nach Israel zurück, als das Leben des Jesuskindes nicht mehr bedroht ist.
Liebe Gemeinde, diese Geschichte von den heiligen Sterndeutern beginnt so schön und endet dann schrecklich. Jesu Tod am Kreuz deutet sich bereits hier bei seiner Geburt an.

3.
Liebe Gemeinde, der heutige Dreikönigstag wird auch Epiphanias, der Tag der Erscheinung des Herrn genannt, weil Gott dieser Welt in seinem Sohn erschienen ist. Die Sterndeuter suchen das Kind auf, sie sind von großer Freude erfüllt, als sie es im Schoß seiner Mutter sehen, sie fallen auf die Knie und beten es an.
Sie haben offensichtlich etwas erfasst von dem Geheimnis dieses Kindes.
Darf ich fragen: Was haben wir erfasst?

Die Sterndeuter kommen vom König Herodes. Aber nicht ihn beten sie an, sondern dieses Kind. 
Jesus wird später selbst „König", ja, mehr noch: „Messias", bzw. „Christus"  genannt. Ein ganz eigener, besonderer Mensch von König, der nicht auf einem Streitross, sondern auf einem Esel in die Stadt Jerusalem hinein reiten wird. Ein milder König, wie es einmal heißt.

Aber gefährlich genug für die Herrschenden, so dass sie, wie wir wissen, Jesus verfolgen und töten lassen.
Das ist so unbegreiflich - und doch so begreiflich für diejenigen, die den häufig bösen Lauf der Welt an sich selbst erlebt haben.

Was zeichnet diesen König aus?
Dazu drei Beobachtungen:

1. Jesus verleiht königliche, ja, sogar göttliche Würden nicht an die Vitalen, die Starken und an die, die sich rücksichtslos durchsetzen können, sondern an die, die arm sind und für seinen Geist bereit, die an einem Leid zu tragen haben, die geduldig sind und mit dem Hoffen nicht aufhören, an die, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit, an die Barmherzigen, an die, die reinen Herzens sind, die Frieden stiften, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden.  Sie sollen getröstet und gestärkt werden. Sie werden Gott schauen, wie es verheißungsvoll heißt. Ihnen gehört die Liebe Gottes und sein Reich.

2. Jesus setzt neue Maßstäbe. Er misst den Wert eines Lebens nicht am Erfolg, an der Karriere und am Besitz,  sondern am Tun des Guten. „Was ihr von den Menschen erwartet, das tut auch für sie. Das ist alles, was Gott von euch will", sagt Jesus einmal Matth. 7,12.

Und 3. Jesus lebt nicht abgehoben. Er hat keine Soldaten, die ihn beschützen, und verheißt auch keine Soldaten für die, die sich an ihn halten. Aber er verspricht, dass wir bei ihm Frieden finden für unsere Seelen und auch in der Not geborgen sind bei Gott, dem himmlischen Vater.

Das Jesuskind ist für die Sterndeuter aus dem Morgenland also nicht irgendein Kind, sondern ein Gotteskind, ein von Gott ausgezeichnetes, besonderes Kind, das eine ganz besondere Aufgabe zu bewältigen hat. 
Es steht für Gott selbst - übrigens nicht nur in Israel und nicht nur in den christlichen Kirchen, sondern in der ganzen bewohnten Welt.

Liebe Gemeinde, wie einige von Ihnen vielleicht wissen, feiern wir (in der württembergischen Landeskirche) am heutigen Tag den sog. Weltmissionstag. Der christliche Missionsauftrag lebt von dieser Überzeugung, dass es der Welt, dass es allen Menschen gut tun würde, wenn wir uns stärker von diesem Jesus prägen ließen!

Es ist doch dies, was in allen Weihnachtslieder auf ganz verschiedene Weisen gesungen wird: Der große, unendliche und unvorstellbare Gott beugt sich zu uns herab und schenkt uns seinen Sohn. Nicht irgendeinen Boten. Das wäre ja auch schon was. Nein, seinen Sohn. Da wird von einer ganz innigen Beziehung gesprochen. So eng, so unmittelbar will Gott mit uns zu tun haben. Was muss das für eine Liebe sein!
Wenn diese Gewissheit, dass Gott zu uns gekommen ist, „mir zur Seite steht still und unerkannt", in diesen Tagen gestärkt worden ist, liebe Gemeinde, dann können wir uns glücklich schätzen. Diese Vergewisserung ist das größte Geschenk, das wir Weihnachten erfahren können.


4.
Die Sterndeuter überreichen dem Kind ihre Geschenke, weil sie es würdigen, weil sie Gott danken wollen.
Liebe Gemeinde, es ist für Sie hoffentlich keine zu verrückte Vorstellung: Gibt es ein Geschenk, das wir überreichen können?
Ich meine: Ja.
Unser Geschenk, das wir Gott machen könnten, könnte unser Gottvertrauen sein, könnte sein, dass wir im Hinblick auf unsere Zukunft gelassener werden.

Der Übergang in das neue Jahr fällt nicht immer leicht. Da gibt es so viele Fragen und Sorgen. Was wird es uns bringen? Können wir weiterhin so leben, wie wir gerade leben? Bleiben wir gesund? Wie geht es weiter mit der Mutter, dem Vater, mit der Schwester, dem Bruder, mit dem Kind?
Zumal in der jetzigen Zeit: Behalten wir unsere Arbeitsstelle oder -  finden wir eine neue? Reicht unser Geld zum Leben?
Werden die Kinder, Angehörige, Freunde, Kollegen und Kolleginnen, die Schwestern und Pfleger, die Ärzte...  weiterhin zu uns stehen und da sein, wenn wir sie brauchen?
Liebe Gemeinde, so viele Fragen am Beginn des Neuen Jahres.

Vielleicht hilft es, sich an das Vorbild der Sterndeuter zu halten. Auch sie werden unsicher gewesen sein bei ihrem Aufbruch im Morgenland. Aber ihre Zuversicht war stärker als ihre Angst. Sie folgten ja nicht irgendeinem Stern. Sie folgten einem Stern, der sie näher an das Geheimnis Gottes und an sein Licht heran führen würde.
Nichts anderes wird von uns erwartet. Der Weg in das Neue Jahr ist nicht irgendein Weg. Es ist der Weg, den Gott uns führen will. Wir können uns von der Gewissheit tragen lassen, dass Gott mit uns ist auf allen Wegen, sie mögen leicht oder schwer sein. Unser Weg führt nicht weg von Gott, sondern immer hin zu ihm. Vielleicht  erfahren wir dabei, dass wir auf unserem Weg das Geheimnis und das Licht Christi immer deutlicher erfassen und erkennen, dass wir auf unserem Weg geborgen sind, in allem Glück, aber auch in aller Not.

5.
Da fragte einer, der an der Pforte des Jahres stand, den Engel: „Gib mir ein Licht, damit ich sicheren Fußes der Ungewissheit entgegen gehen kann!" Der Engel antwortete: „Geh nur in die Dunkelheit und lege deine Hand in die Hand Gottes; das ist besser als ein Licht und sicherer als ein bekannter Weg."
 
Das ist es, was wir tun können: Unsere Hand in die Hand Gottes legen, getrost und zuversichtlich mit ihm gehen in das neue Jahr hinein. Schritt für Schritt, Tag für Tag.
Amen




Wolfgang von Wartenberg

E-Mail: wolfgang@von-wartenberg.de

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