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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Epiphanias, 06.01.2009

Predigt zu Matthäus 2:1-12, verfasst von Hans Uwe Hüllweg

Binde deinen Karren an einen Stern

 

Liebe Gemeinde,

wo sind eigentlich die Geschenke geblieben? Man hat nie wieder etwas von ihnen gehört! Haben Maria und Josef sie auf den Dachboden verbannt, wie es bei uns ja auch mit Weihnachtsgeschenken geschieht, mit denen wir nichts anfangen können? Ach nein, dazu sind sie zu kostbar.

Oder haben Maria und Josef sie, eben weil sie so kostbar sind, in einem Bankschließfach verwahrt, bis das Jesuskind volljährig und damit verfügungsberechtigt wäre?

Oder haben sie sie vielleicht gleich ins Pfandhaus zum Geldverleiher getragen? Gebrauchen hätten sie‘s können, arm wie sie waren!

Umtausch am Tag nach Weihnachten in etwas Praktischeres wäre angesichts der königlichen Qualität dieser Geschenke wohl ebenfalls nicht in Frage gekommen.

Sie merken schon, mit solchen Fragen kommen wir nicht weiter, obwohl es natürlich schon wichtig wäre zu wissen, ob und wenn ja was der Beschenkte mit ihnen anzufangen weiß.

Bei diesen Geschenken kommt es jedoch offenbar weniger auf den Materialwert als vielmehr auf den Symbolwert an. Sie sind weniger ein Armutsbekämpfungsprogramm als vielmehr theologische anschauliche, begreifbare Argumente.

Wenn wir aber wissen wollen, was sie bedeuten, müssen wir uns erst einmal um die Identifizierung der so großzügig Schenkenden bemühen.

Was sind das für Leute, die die Lutherbibel bis heute „Weise" nennt, die Einheitsübersetzung und die Gute Nachricht „Sterndeuter" und die katholische Volksfrömmigkeit „Die Heiligen drei Könige"?

Die Zahl „drei" kennt die Bibel nicht. In der außerbiblischen Tradition, zum Beispiel auf frühen Gemälden, schwankt die Zahl sogar von zwei bis acht Besuchern im Stall von Bethlehem. Wahrscheinlich ist die „Drei" von den ausdrücklich genannten drei Geschenken entliehen.

Könige waren sie schon gar nicht. Das Wort für die Besucher im griechischen Originaltext, das wir in dieser Geschichte vorfinden, lautet „magoi", und dem entspricht unser Wort „Magier". Das sind aber keine Zauberkünstler, die mit allerhand Tricks ihr Publikum zu unterhalten wissen, sondern Angehörige einer persisch-babylonischen Zunft, die sich als Priester, Philosophen, Ärzte und Gelehrte betätigen. Außerdem befassen sie sich mit Astrologie, also Sternenkunde. Nach damaligem Verständnis konnte man aus dem Lauf der Sterne durchaus geschichtliche Ereignisse herauslesen. Klammer auf: Manche glauben das sogar heute noch, sogar was ihr persönliches Schicksal angeht! Dazu aber kann ich nur wiederholen, was ein Professor für Astrophysik einmal gesagt hat: „Die Sterne lügen nicht - sie schweigen." Oder Martin Luther: „Sternenglaube ist Aberglaube, denn er ist gegen das erste Gebot." Klammer zu.

Damals aber stehen diese „Magier", diese Astrologen in hohem Ansehen. Der zeitgenössische griechische Historiker Strabo schildert, dass es zu ihren Aufgaben gehört, den jeweils neuen König zu bestimmen. Sie waren also von Berufs wegen „Königsmacher". Ausgerechnet sie, die Fremden von weit her, lassen sich von einem hellen Stern auf einen Weg leiten, von dem sie lange nicht wissen, wo er enden wird.

Zunächst landen sie im Palast des Herodes, denn dort, wo sonst, müsste der neue Kronprinz doch wohl zu finden sein! Was die Weisen offenbar nicht wissen: Herodes ist ein grausamer Despot, der nicht davor zurück schreckt, auch enge Familienangehörige und Freunde töten zu lassen, wenn es seinem Machtkalkül dient. Saddam Hussein lässt grüßen. Weil er selbst kein Jude ist, sondern Edomiter, fürchtet er in jedem Augenblick um seine Macht und sein Leben im jüdischen Lande. Ein neugeborener König? Da ist Gefahr im Verzug. Da muss er unverzüglich handeln, und zwar mit List und mit Härte! So gibt er eiskalt den Befehl, der vermutlich sogar seinen Schergen das Blut in den Adern gefrieren lässt - vorsichtshalber alle neugeborenen Kinder in Bethlehem zu ermorden. Ob das historisch so geschehen ist, wissen wir nicht, aber zuzutrauen war es ihm schon.

Aber noch ist es nicht so weit. Die Weisen sind noch nicht am Ziel. Sie müssen noch nach Bethlehem. „Binde deinen Karren an einen Stern" soll Leonardo da Vinci, das große Universalgenie, einmal gesagt haben. Das heißt, lass dich von einer Kraft ziehen, die nicht von dieser Welt ist. Und das tun diese Magier aus dem Osten, diese bemerkenswerten Gestalten:

- Sie machen sich auf eine tausende Kilometer lange Reise durch die heiße, trockene, lebensfeindliche Wüste, um einen Säugling zu finden. Binde deinen Karren an einen Stern!

- Sie suchen den „neugeborenen König der Juden", der sie als Angehörige einer wissenschaftlichen, politischen, geistigen Hochkultur weit weg von Israel eigentlich wenig kümmern müsste. Binde deinen Karren an einen Stern!

- Sie beugen die Knie vor dem Kind und beten es an. Binde deinen Karren an einen Stern!

- Sie werden zu direkten Ansprechpartnern Gottes, hören seine Weisungen und - folgen ihnen. Auf dem Weg nach Hause meiden sie den Königspalast des Herodes. Binde deinen Karren an einen Stern!

Das alles zusammen lässt nur einen Schluss zu: Diese Magier aus dem Osten, im Sprachgebrauch der Juden und der Bibel „Heiden", also Ungläubige, erkennen und anerkennen zuerst und als einzige die wahre Bedeutung des Kindes, das da in die Welt gekommen ist. Sie hören als erste und zunächst einzige auf Gottes Stimme. Sie beten das Kind an und proklamieren es damit zum Retter der Welt.

Nicht die Staatsspitze, Herodes - der will das Kind beseitigen, weil er in ihm eine Gefahr sieht; nicht die Priester und Schriftgelehrten, die es doch eigentlich wissen müssten; nicht die Eliten der damaligen Gesellschaft, denen man doch sonst hohe Intelligenz und kluge Weitsicht unterstellt - sie alle nicht, sondern Fremde, Ausländer, Ungläubige erkennen das Welten wendende Ereignis der Geburt des Gottessohnes, machen sich auf den Weg, brechen zu neuen Horizonten auf, huldigen dem Kind und verbinden Himmel und Erde. Der Stern als Zeichen Gottes hilft ihnen, ist ihnen Wegweiser auf ihrer Reise - aber gehen mussten sie selbst.

Diese Geschichte erzählt uns, wie die frohe Botschaft von der Ankunft Gottes in unserer Welt in einem einzigen Augenblick, durch das Ausziehen der Magier aus ihrer Heimat in die Fremde, ihrerseits auszieht aus dem kleinen Provinznest Bethlehem, auch aus dem jüdischen Lande, sogar auch aus dem Römischen Reich, hinaus in die ganze Welt. Wir können mit Fug und Recht, um einen modernen Ausdruck zu gebrauchen, von „Globalisierung" sprechen, von der Globalisierung des Evangeliums. Dieses Wort kennt Matthäus noch nicht, aber die Sache schon.

Damit hören wir hier einen Widerhall der Engelsbotschaft aus der Weihnachtsgeschichte des Lukas: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird..." Und der alte Simeon, von dem Lukas ja auch erzählt, Simeon, der sein Leben lang auf den Gottessohn gewartet hat, singt bei der Begegnung mit dem Jesuskind:

„Herr,... meine Augen haben deinen Heiland gesehen, den du bereitet hast vor allen Völkern und zum Preis deines Volkes Israel."

Wie zur Beglaubigung bringen die Magier den neugeborenen König ihre Geschenke, Gold, Weihrauch und Myrrhe. Es komme weniger auf ihren Material-, als auf ihren Symbolwert, so sagt ich oben. Was bedeuten sie denn nun?

Gold, das Metall der Könige, aus dem ihre Kronen geschmiedet werden, für ein Kind im kleinen und armen Bethlehem! Nicht Herodes und den anderen Potentaten dieser Welt gebührt es, sie gehen leer aus. Gott manifestiert sich nicht auf Fürstenthronen und in Marmorpalästen, nicht in Festungen und nicht einmal in Domen, sondern in einem Menschen, in einem kleinen Kind, seinem Sohn - ein Widerspruch, mit dem wir es auch heute noch schwer haben.

Viele sähen ja auch heute noch am liebsten Gott machtvoll erscheinen, an der Spitze der himmlischen Heerscharen, wie er das Böse vernichtet und die Sünde auslöscht, der Gewalt ein Ende setzt und den Terrorismus zur Hölle schickt. So aber kommt er nicht. Die Weisen wissen, in diesem Kind zeigt sich Gott. Und schon der eben erwähnte Simeon prophezeit, dass das Kind ein Zeichen Gottes sei, allerdings ein Zeichen, dem widersprochen werden wird. Dieser Widerspruch fällt am Ende blutig aus und bringt ihn ans Kreuz.

Weihrauch, ein wohlriechendes Harz, das bis heute vorwiegend aus den Trockengebieten am Horn von Afrika, aus Oman und aus dem Jemen importiert wird, erinnert an den kultischen Gebrauch in Tempeln und Kirchen. Schon zu alttestamentlichen Zeiten verbrennen es Priester unter Gebeten in den Gottesdiensten. Der duftende Rauch, der daraus quillt und zum Himmel steigt, wird so zum Symbol der Gebete, die aus den Mündern und Herzen der Menschen zum Himmel, in die Sphäre Gottes, emporsteigen. Jesus wird damit in die Tradition der jüdischen Geschichte gestellt. Er ist der Hohepriester, der sich selbst für die Schuld der Menschen opfert. Ich erinnere mich daran, dass der Hebräerbrief später diesen Gedanken ausführlich entfaltet.

Myrrhe schließlich, ein Bitterkraut, das damals in der Medizin als Heilpflanze verwendet wird. Die Magier deuten damit auf Jesus als den Arzt, den Heiler, den „Heiland", wie auch die Weihnachtsgeschichte des Lukas ihn nennt: „Euch ist heute der Heiland geboren."

Wo sind die Geschenke geblieben, so fragte ich am Anfang. Jetzt wissen wir, wo sie geblieben sind. Sie verbergen sich in Jesus selbst, dem Geschenk Gottes für uns, in ihm, dem so ganz anderen König, dem ohnmächtigen; in ihm, dem so ganz anderen Priester, der sich selbst opfert, in ihm, dem Heilbringer, geboren für alle Völker.

Binde deinen Karren an einen Stern, sagt Leonardo da Vinci. Wir binden unseren Karren an einen Stern, sagen die Weisen. Binden auch wir unseren Karren an seinen Stern! Dann kann 2009 ein gutes Jahr werden.

Amen.



Pfarrer i.R. Hans Uwe Hüllweg
Münster
E-Mail: huh@citykom.net

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