Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach Epiphanias, 11.01.2009

Predigt zu Matthäus 3:13-17, verfasst von Christiane Borchers

V 13 Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe.

V 14 Aber Johannes wehrte ihm und sprach: „Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde und du kommst zu mir?"

V 15 Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: „Las es jetzt geschehen! Denn so gebührt es  uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er's geschehen.

V 16 Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist wie eine Taube herab fahren und über sich kommen. 

V 17 Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe."

Liebe Gemeinde!

Bevor Jesus vom Geist in die Wüste geführt wird, wird er getauft. Derselbe Geist, der ihn in die Wüste führt, wo er versucht wird, fährt bei der Taufe vom Himmel herab und kommt über Jesus. Die Taufe stärkt ihn, der Versuchung standzuhalten. Die Taufe gehört zu den Wegmarkierungen in der Epiphaniaszeit. Die Herrlichkeit Gottes wird offenbar. Christus wird zur Rechten Gottes sitzen und als Weltenrichter Recht sprechen und für Gerechtigkeit sorgen. Wird Weihnachten die Geburt Gottes in Gestalt des in Armut geborenen Kindleins in der Krippe gefeiert, so wird an Epiphanias die Herrlichkeit Gottes betont. Zu den traditionellen Bibeltexten für Epiphanias und den folgenden Sonntagen nach Epiphanias gehören Die drei Weisen aus dem Morgenland, Die Taufe Jesu und Die Hochzeit zu Kana. Die drei Weisen beten das Kind als den König der Welt an, durch die Taufe wird Jesus öffentlich als Sohn Gottes proklamiert, die Hochzeit zu Kana kündet von der überfließenden Heilsgabe Gottes. Die überreiche Menge des Weins symbolisiert die überreiche Gnade Gottes.

Jesus geht wie viele andere auch, an den Jordan, um sich von Johannes dem Täufer taufen zu lassen. Jesus steht ganz in jüdischer Tradition. Johannes ist ein Bußprediger. Er hat scharfe Worte für die Gläubigen. Die frommen Juden können sich nicht auf ihre Erzväter berufen. Auf die Früchte ihres Glaubens kommt es an. Es ist die Axt schon den Bäumen an die Wurzel gelegt. Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen (Mt 3,10). Er fordert die Menschen seiner Zeit auf, Buße zu tun, denn das Himmelreich, die Endzeit und das Gericht, sind nahe. Sie sollen ihre Sünden bekennen, sich bekehren, ablassen vom unrechten Weg. Wer dazu bereit ist, der wird vom ihm getauft. Der Taufe durch Johannes geht ein Sündenbekenntnis voraus. Jesus geht zum Jordan zu Johannes genauso wie die Menschen, die dort ihre Sünden bekennen. Bevor Jesus anfängt zu wirken, geht er zunächst zu Johannes, dem Bußprediger, um sich taufen zu lassen. Johannes wehrt ab. Ihm ist klar, wer da kommt. Jesus ist der Stärkere, er soll ihm den Weg bereiten. Er, Johannes, ist nur der Vorläufer eines Größeren. Von ihm hat er bereits gesprochen und die Verhältnismäßigkeit zu sich selbst hergestellt: Ich taufe euch mit Wasser zur Buße, der aber nach mir kommt, ist stärker als ich und ich bin nicht wert, ihm die Schuhe zu tragen (Mt, 3,11). Über Johannes selbst wird gesagt, dass er mehr ist als ein Prophet. Er kündigt ein scharfes Gericht Gottes an, fordert radikale Umkehr. Dadurch, dass Jesus sich von ihm taufen lässt, schließt er sich dem Kreis an, die sich um Johannes geschart hat. Jesus selber wird radikale Umkehr fordern und die Gesetze des Mose verschärfen.

Johannes möchte verhindern, dass Jesus von ihm getauft wird. Er, der Schwächere, müsste doch von ihm, dem Stärkeren, getauft werden. In dieser Frage entwickelt sich ein Gespräch zwischen Johannes und Jesus. - Alle vier Evangelisten berichten von der Taufe Jesu, aber Matthäus ist der einzige, der einen Dialog überliefert. Jesus bestärkt Johannes, die Taufe zu vollziehen. „Lass es geschehen", sagt er zu ihm. Jesus begründet die Taufhandlung durch Johannes mit den Worten: „Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen." Taufe wird mit Gerechtigkeit in Verbindung gebracht. Gerecht ist, wer die Gebote Gottes, so wie sie in der Tora überliefert sind, befolgt. Wer die Taufe durch Johannes begehrt, hat die Erkenntnis, dass er gesündigt hat. Er ist bereit, Buße zu tun und umzukehren. Die Taufe ist ein sichtbares Zeichen für einen Neuanfang. Durch die Taufe ist der Täufling von seinen Sünden gereinigt. Als neuer Mensch taucht er wieder aus dem Wasser auf. Seine Sünden sind ihm abgewaschen. Jesus ist aber der Sündlose. Muss er sich überhaupt taufen lassen? Er ist ja schon rein. Jesus erfüllt alle Gerechtigkeit. Er vollzieht als der Reine ein für alle Mal die Umkehr, stellvertretend für alle, so wie er am Kreuz zur Vergebung der Sünden gestorben ist. Jesu Taufe verweist auf seinen Tod. Mit Jesus ist das Gesetz Gottes, die Tora, nicht aufgehoben, sondern erfüllt. Alle Gerechtigkeit bezieht sich auf alle Gebote Gottes der Tora. Jesus hat alle Gebote erfüllt, indem er sich ganz dem Willen Gottes hingab.  

Beide, Johannes und Jesus, stehen in derselben Tradition. Das „uns", wie Matthäus formuliert, verbindet den Vorläufer mit dem Sohn Gottes, der sein Volk von seinen Sünden erretten wird. „So gebührt es uns."  Johannes und Jesus sind keine Gegensätze. Johannes vollzieht die Taufe, an Jesus wird die Gerechtigkeit Gottes offenbar. Durch Jesus gewinnen die Menschen einen Neuanfang, durch Jesus gewinnen sie das Leben.

„Lass es jetzt geschehen! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er's geschehen." Als Jesus aus dem Wasser heraufstieg, siehe, da tat sich der Himmel auf." Jesus wurde der Himmel geöffnet. Jetzt geht die Bewegung von oben nach unten, nachdem sie zuvor von unten nach oben ging. Dadurch, dass Jesus sich taufen ließ, nahm er seine Sendung an. „Siehe" lenkt die Aufmerksamkeit auf das, was jetzt geschieht: Der Himmel tut sich über Jesus auf. Göttliches wird offenbar. Der Geist Gottes kommt wie eine Taube aus dem Himmel herab. Die Taube ist ein Bild für Reinheit (vgl. Mt 10,16). Tauben werden als Opfertiere für Reinigungsrituale verwendet (vgl. 3. Mose 12,6ff.). Der göttliche Geist ist von Anfang an da. Er schwebt über den Wassern, bevor Gott die Welt erschuf. Die Weisheit, deren Symbol die Taube ist, ist bei der Schöpfung dabei. Sie spielte vor ihm, längst bevor Gott dem Meer seine Grenze setzte und die Grundfesten der Erde legte (vgl. Sprüche 8,22 ff.). In Persien steht die Taube für die göttliche Kraft, die den König erfüllt.

Ein zweites „Siehe" hebt die Bedeutung dessen hervor, was jetzt kommt: Eine Stimme vom Himmel sprach. Es ist die göttliche Stimme, die vernommen wird. Zum Sehen kommt das Hören. „ Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe." Die Stimme richtet sich nicht an Jesus, sondern an alle, die bei der Taufe dabei sind. Neben Johannes sind das alle anderen, die zu Johannes dem Täufer gekommen sind, um sich taufen zu lassen. Ihnen eröffnet sich ein Himmelsereignis. Jesus wird als der Sohn Gottes proklamiert. Der Öffentlichkeit wird kundgetan, was schon zu Weihnachten einem engeren Kreis offenbart wurde. Nicht erst durch die Taufe wird Jesus der Sohn Gottes, das ist er schon bei der Geburt. Dass er der geliebte Sohn ist, zeigt sich jetzt vor den Augen der Welt. Er ist der Auserwählte, an dem Gott Wohlgefallen hat, dem er seinen Geist gegeben hat, der das Recht zu den Völkern bringt. Jesus ist der erwartete Messias, so wie er schon beim Propheten Jesaja angekündigt wird (Jes, 42,1ff). In der Taufe wird die Messianität Jesu ausgerufen. Der messianische König ist zugleich der Leidende, der Heil und Leben bringt, ein Gerechter, ein Retter und Richter.

Matthäus hebt die Einsetzung als Gottessohn vor der Welt hervor, wenn er schreibt: „Dies ist mein lieber Sohn...". Bei Markus und Lukas spricht die Stimme direkt zu Jesus: „Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen." Bei Markus und Lukas wird Jesus in seine Gottessohnschaft eingesetzt. Stehen bei Markus und Lukas die Adoption Jesu als Sohn Gottes im Vordergrund, so legt Matthäus den Schwerpunkt auf die Proklamation der Gottessohnschaft vor der Öffentlichkeit. Nun wird endgültig klar, weshalb sich Johannes als der Schwächere und Jesus als der Stärkere erweist. In der Taufe setzt sich fort, was bereits bei der Geburt Jesu angekündigt wird. Er ist der Heiland, der Retter der Welt.

Johannes und Jesus sind von unterschiedlicher Qualität, aber sie sind nicht gegeneinander auszuspielen. Gerechtigkeit nach der Tora, die Johannes der Täufer vertritt und Errettung durch Jesus Christus sind miteinander verbunden. Die Tora ist geradezu Inhalt des Auftretens Jesu. Jesus sagt selbst vom Gesetz: „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen, ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen" (Mt 5,17). Jesus stellt sich eindeutig hinter die Tora.    

Ist die Taufe für uns Christinnen und Christen überflüssig geworden, wenn durch Jesus das Gesetz erfüllt ist? Ist es noch nötig, dass wir unsere Kinder zur Taufe bringen? Hat Jesus doch ein für alle Mal für unsere Sünden vollkommen bezahlt? Wenn Jesu Taufe gewiss etwas anderes bedeutet als unsere Taufe, so ist unsere Taufe dennoch nicht überflüssig. In der Taufe wird uns unverbrüchlich Gottes Liebe und Vergebung persönlich zugesagt. Für uns ist es gut, dieses äußerliche Zeichen, das für einen inneren Vorgang steht, zu haben. Die Taufe ist eine Liebeserklärung Gottes an uns. Es ist auch gut und sinnvoll, Kinder zu taufen, obwohl sie noch nicht erfassen können, um was es geht. Bevor ein Mensch etwas tun kann, bevor er glauben und entscheiden, ja oder nein sagen kann, ist Gott schon da mit der Entscheidung für uns. Gott kommt uns mit seiner Gnade zuvor. Er sagt auch zu uns: Du bist mein lieber Sohn, du bist meine liebe Tochter, an dir habe ich Wohlgefallen.

Selbst wenn wir uns nicht mehr an unsere eigene Taufe erinnern können, so wissen wir doch darum und können uns darauf berufen. Wir erleben nicht nur gute und glückliche Tage, wir erleben auch Dunkelheiten und Tiefen. Wir geraten in Anfechtung und fragen nach dem Sinn. Wir können hin und hergeschleudert werden, der Boden droht uns mitunter unter den Füßen verloren zu gehen, wir wissen manchmal nicht mehr ein noch aus und zweifeln an uns selbst, verlieren jegliches Vertrauen. Die Taufe kann zu einem Licht in der Dunkelheit werden. Sie vergewissert uns der Zuwendung und Barmherzigkeit Gottes. Sie ist uns ein sicheres Unterpfand, dass Gott an unserer Seite steht und uns nicht fallen lässt. Sie stärkt uns, Anfechtungen standzuhalten und Versuchungen zu widerstehen, die an uns herangetragen werden. Die Zusage „Gott hat an dir Wohlgefallen" gibt ein stabiles Fundament, verschafft Sicherheit und Geborgenheit. Nach seiner Taufe führte Jesu Weg in die Wüste, den Ort der Kargheit und Bewährung. Auch uns ist nicht dauerndes Glück und immerwährender Erfolg versprochen, aber wir sollen wissen, dass Gott uns nicht verlässt. Wir sind getauft und uns seiner Gnade gewiss. Die Taufe stellt uns sichtbar vor Augen, wie groß die Liebe Gottes ist. Sie ist Licht in der Nacht. Sie bringt Hoffnung und Zukunft, ist Trost und Kraft in Bedrängnis und Ängsten. Die Herrlichkeit Gottes wird offenbar. Amen.   



Pfarrerin Christiane Borchers

E-Mail: christiane.borchers@web.de

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