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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach Epiphanias, 11.01.2009

Predigt zu Matthäus 3:13-17, verfasst von Thomas Bautz

Liebe Gemeinde!

Johannes und Jesus - zwei Persönlichkeiten, deren Beziehung von gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist. Einer erkennt des anderen Bedeutung an. Johannes ist der Wegbereiter Jesu und meint, er sei „nicht gut genug, ihm die Schuhe auszuziehen" (Mt 3,11).[1] So wundert es nicht, dass Johannes zunächst versucht, Jesus davon abzubringen, dass dieser sich von ihm taufen lasse: „Ich müsste von dir getauft werden, und du kommst zu mir (3,14)?"

In seiner Rolle als Wegbereiter ist Johannes für Jesus mehr als ein Prophet (Mt 11,9f). Johannes sei bedeutender als irgendein Mensch, der je gelebt hat. - „Und trotzdem: Der Geringste in der neuen Welt Gottes ist größer als er" (11,11). Jesus möchte den Täufer nicht glorifizieren, aber schon dessen Bedeutsamkeit hervorheben.

So identifiziert Jesus den Johannes mit Elija, dessen Kommen vorausgesagt war (11,14), wobei auch Elija in der Tradition mitunter als Vorläufer des Messias angesehen wird.

Nun haben Johannes und Jesus etwas Entscheidendes gemeinsam, was nämlich ihren Auftrag zur Verkündigung betrifft (Mt 3,1f; 4,17): „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbei-gekommen!" - „Ändert euer Leben! Gott will jetzt seine Herrschaft aufrichten und sein Werk vollenden!"

Johannes tauft mit Wasser zur Buße („damit ihr euer Leben ändert"); über Jesus sagt er, dass dieser mit heiligem Geist und mit Feuer („des Gerichts") taufen wird (Mt 3,11).

Nun symbolisiert die Wassertaufe eine rituelle Reinigung - ähnlich wie das Feuer (des Gerichts) eine Läuterung bedeutet. Bei der Taufe schwingt aber auch der Gedanke der Wiedergeburt aus dem Wasser mit, wie er bereits im Alten Ägypten vertreten wurde.

In der Täufer- wie in der Jesusbewegung bis in den ersten christlichen Gemeinden werden Menschen bei der Taufe untergetaucht, was auch der Bedeutung des griechischen Wortes „baptizein" entspricht; das Substantiv dazu heißt „baptisma", wovon sich das entsprechende Wort im Englischen ableitet. Die symbolische Bedeutung des Untertauchens liegt auf der Hand: Der ganze Mensch wird gereinigt, wenn nicht sogar erneuert.

Ganz profan: Wer fühlt sich nicht nach einem wohltuenden Bad manchmal wie neu geboren?!

Eine andere Frage ist, wie beständig die Auswirkung der „Wassertaufe zur Buße" ist. Offenbar erahnt Johannes ihre Begrenztheit oder eingeschränkte Wirksamkeit. Jedenfalls verweist er nachdrücklich auf die Taufe, die Jesus „mit heiligem Geist und Feuer (des Gerichts)" vollziehen wird.

Ich muss dabei an die Begegnung zwischen Jesus und Nikodemus denken, die der Evangelist Johannes erzählt (Joh 3,1ff) - zwei Antworten Jesu während des Dialogs:

„Amen, Amen, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen. [...] Amen, Amen, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen" (3,3.5).

Verwandt scheint mir auch eine Aussage im Rahmen der Begegnung zwischen Jesus und der Samaritanerin, von der das Johannesevangelium (Joh 4,1ff) erzählt:

„Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten" (4,24).

Freilich „weht der Geist, wo er will; [...] du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist" (Joh 3,8).

Dieses Geborenwerden aus Wasser und Geist ist wohl die tiefgründigste Erneuerung, die ein Mensch von innen her erleben kann; sie vollzieht sich nicht auf einmal, sondern ist ein lebens-langer Prozess. Diese Erfahrung beinhaltet auch die Gewissheit, dass ein Mensch sich von Gott bedingungslos angenommen wissen darf. Wer darauf vertraut, dass Gott barmherzig ist und aus Liebe Vergebung schenkt, darf erfahren, was es heißt, „Kind Gottes" zu werden.

In gewissermaßen einzigartiger Weise erlebt Jesus eine solche Wiedergeburt - gerade weil er sich von Johannes taufen lässt: „[...] Das ist es, was wir jetzt zu tun haben, damit alles geschieht, was Gott will" (Mt 3,15).

Da öffnet sich der Himmel, und er sieht den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. Und eine Stimme aus dem Himmel sagt: „Dies ist mein Sohn, ihm gilt meine Liebe, ihn habe ich erwählt" (3,16.17).

In Vorderasien stand die Taube im Zusammenhang mit der Fruchtbarkeitsgöttin Ischtar bzw. in Phönikien mit dem Astarte-Kult und diente als Botenvogel der Liebe. In Griechenland war sie der Liebesgöttin Aphrodite zugeordnet. Im Hohenlied Salomos werden die Blicke der Geliebten mit „Tauben" verglichen (Hld 4,1), was so viel bedeutet wie: „Deine Blicke sind Liebesboten", oder „Du bist schön, und deine Blicke künden von Liebe und Bereitschaft zur Liebe".

So hat Gottes Bestätigung und Erwählung seines geliebten Sohnes bei der Taufe des Johannes auch etwas Zärtliches, Liebevolles. Deshalb ist es durchaus zulässig, wenn wir uns Gott u.a. auch als liebevollen und zärtlichen Vater und Mutter vorstellen. Wer sich so bei Gott geborgen weiß, dessen Leben hat bereits eine entscheidende Umkehr, Wende, ja, Erneuerung oder Wiedergeburt erfahren. Was dann folgt - konsequenterweise, ist ein Leben aus Gott, das Früchte des Heiligen Geistes trägt.

Es ist die innige Gemeinschaft Jesu mit seinem himmlischen Vater, die ihn zu diesem Leben und dem Weg bis ans Kreuz befähigt, wie es aus den Evangelien noch bis zu uns heute hindurchschimmert.

Wenn wir uns wiederum zu diesem Jesus bekennen und ihm nachfolgen, wird er uns bevollmächtigen, dass auch wir „Gottes Kinder werden" (Joh 1,11.12).

Allerdings muss ein bewusster Anfang gemacht, eine konkrete Umkehr vollzogen werden.

Je mehr die Mauer der Angst oder des Zweifels zwischen mir und Gott auch von meiner Seite aus abgebaut wird, desto eher wird auch das Trennende zwischen mir und meinen Mitmenschen von meiner Seite aus aufgelöst.

Deshalb darf die Bedeutung der Taufe des Johannes zur Buße nicht geschmälert werden, zumal Jesu und Johannes' Verkündigung darin - wie wir gehört haben - übereinstimmen:

„Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!" - „Ändert euer Leben! Gott will jetzt seine Herrschaft aufrichten und sein Werk vollenden!"

Johannes hat - ähnlich wie später Jesus - soziale, diakonische und friedensethische Aspekte eines Lebens unter der Herrschaft Gottes angesprochen; beide fordern Werke der Barmherzigkeit. Jesus ist allerdings noch radikaler, weil er immer wieder daran erinnert, wie die Barmherzigkeit, die Liebe und die Vergebung Gottes seine Kinder dazu verpflichtet, ihrerseits barmherzig, liebevoll und vergebend zu sein.

Es gehört zu Gottes Erbarmen und entspricht der durch Jesus verliehenen Vollmacht, dass wir tatsächlich erst Gottes Kinder werden - welch ein Trost: Wir dürfen auch mit uns selbst Geduld haben und brauchen uns nicht mit guten Vorsätzen (nicht nur zum neuen Jahr) zu überfordern. Lebendiger Glaube muss reifen; Spiritualität will wachsen.

In einem jeden von uns ist etwas vom Himmel auf die Welt gekommen - gleichsam aus einer anderen Dimension, unableitbar, unerklärbar, etwas Kostbares und wunderbar Schönes, und dieses Geheimnis eines jeden Menschen, dieses Moment, an dem er oder sie einzig Gottes Kind ist, gilt es zu schützen und lebendig zu erhalten.[2]

Amen.



[1] Um der besseren Verständlichkeit willen, wird hier wie im Folgenden häufig Die Bibel in heutigem Deutsch. Die Gute Nachricht, (Sonderausgabe), Stuttgart o.J. - neben der Lutherübersetzung - zitiert.

[2] Vgl. Eugen Drewermann: Das Matthäusevangelium. Erster Teil: Mt 1,1-7,29. Bilder der Erfüllung, Olten 1992, 324.



Pfarrer Thomas Bautz

E-Mail: thomas.bautz@ekir.de

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