Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Sonntag nach Epiphanias, 25.01.2009

Predigt zu Matthäus 8:5-13, verfasst von Jennifer Wasmuth

Liebe Gemeinde,

es gibt nicht wenige, denen die Kirche als Sonderwelt erscheint: als eine Welt, die nicht zu ihrem Leben dazugehört, als eine Welt, die nicht wirklich mit dem etwas zu tun hat, was in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft geschieht. Ein Konfirmandenvater sagte mir neulich nach einem Gottesdienst: »Es ist mir alles so fremd hier, ich muss mich daran erst gewöhnen.«

Und in der Tat: die Kirche führt Traditionen fort, deren Sinn oft nicht mehr verstanden wird, sie legt Texte aus, die ihren Ursprung in einer fernen Zeit und an einem fernen Ort haben, sie benutzt eine Sprache, die oft nicht klar und zupackend ist.

Aus gutem Grund gibt es deshalb in unserer Kirche viele Bestrebungen, sich zu öffnen und Menschen den christlichen Glauben in anderer Form näher zu bringen. In unserer Gemeinde geschieht das zu einem guten Teil durch das Engagement der vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter. Gerade sie verstehen es, auf ganz unterschiedliche Weise zu vermitteln, was unser christlicher Glaube bedeuten kann: im Umgang miteinander, in gegenseitiger Hilfe und Fürsorge für andere, aber auch in der Lust, das Gemeindeleben reicher und schöner zu gestalten. Es sind so gerade unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter, die es unserer Gemeinde möglich machen, uns weit zu öffnen und immer wieder auch solche Menschen zu erreichen, die mit »Kirche« eigentlich nichts anfangen können. Und deshalb sei schon einmal an dieser Stelle allen unseren Mitarbeitern herzlich gedankt!

Es gibt dann allerdings auch immer wieder einmal eine überraschend andere Tendenz: Menschen zeigen sich tief verbunden mit der Kirche, fest verwurzelt im christlichen Glauben, von denen man es zunächst einmal gar nicht erwartet hätte. Von einem solchen Menschen handelt unser heutiger Predigttext: Es ist der Hauptmann von Kapernaum. Er war Befehlshaber von einer Hundertschaft und gehörte zu den damaligen römischen Besatzern, zu denen, die das Sagen hatten. Und dieser Hauptmann geht zu Jesus, einem Mann aus dem unterworfenen Volk. In unserem Predigttext wird die Begegnung folgendermaßen geschildert (Mt 8,5-13): 

(5) Als aber Jesus nach Kapernaum hineinging, trat ein Hauptmann zu ihm; der bat ihn 

(6) und sprach: Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen.

(7) Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen.

(8) Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.

(9) Denn auch ich bin ein Mensch, der Obrigkeit untertan, und habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem anderen: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut er's.

(10) Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden!

(11) Aber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen;

(12) aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen in die Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern

(13) Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht wurde gesund zur derselben Stunde.    

 

Liebe Gemeinde, die hier geschilderte Begegnung von dem Hauptmann von Kapernaum und Jesus überrascht: wir kennen Jesus als den großen Prediger des Friedens und der Barmherzigkeit. In der Bergpredigt, die nur wenige Kapitel vorher im Matthäusevangelium steht, werden gerade diejenigen selig gepriesen, die sanftmütig sind und unter Verfolgung zu leiden haben. Hier nun trifft Jesus auf einen Soldaten, jemand, der sich diese Friedfertigkeit gar nicht leisten kann.

Eine solche Begegnung überrascht - und hat vielleicht sogar Jesus selbst überrascht. Einige Ausleger vermuten, dass Jesu erste Reaktion nicht war: »Ich will kommen und ihn gesund machen«, sondern vielmehr die Frage: »Und ich soll kommen und ihn gesund machen?«

Am Ende jedoch heilt Jesus den Knecht, und der Hauptmann wird selbst zum Vorbild eines gläubigen Menschen. Und so scheint mir der Sinn unseres Predigttextes gerade in dem Überraschenden dieser Begegnung zu liegen: die Begegnung soll uns zeigen, dass die Botschaft Jesu nicht auf bestimmte Menschen beschränkt ist, Menschen eines bestimmten Alters oder eines bestimmten Berufes. Die Botschaft Jesu richtet sich vielmehr an alle, ob von Osten oder von Westen kommend, und entscheidend ist der Glaube, dieses unbedingte Vertrauen, wie es bei dem Hauptmann begegnet: dass bei Jesus die Kraft liegt zu heilen, die Dämonen der Krankheit zu vertreiben, dass er es ist, der über Tod und Leben herrscht.   

Liebe Gemeinde, ich habe mich gefragt, inwiefern diese Begegnung einen Einzelfall darstellt: ob es heute auch noch solche Begegnungen gibt? Am liebsten hätte ich dazu einen Vertreter der Bundeswehr befragt, aber da das nicht so einfach möglich ist, ich auch niemanden persönlich kenne, der bei der Bundeswehr arbeitet, habe ich mich an die Militärseelsorge gewandt, also diejenigen in der evangelischen Kirche, die sich speziell um die Streitkräfte kümmern. Ein Militärseelsorger hat sich gleich Zeit für ein Gespräch genommen, und ich fand dann doch sehr interessant, was ich von ihm erfuhr. Denn er erzählte mir, dass die Führungskräfte der Bundeswehr entweder evangelisch oder katholisch sind und zu ihrem christlichen  Glauben auch stehen. Für sie stellt es gerade keinen Konflikt dar, Soldat und Christ zu sein, sie verstehen ihren Auftrag vielmehr ganz im Sinne der Bergpredigt, als Beitrag zur Friedenssicherung im In- und Ausland. Und deshalb sehen sie auch mit großer Sorge, dass es immer mehr Soldaten gibt, die weder kirchlich noch überhaupt religiös gebunden sind. Denn sie fragen sich, wie sie Soldaten in die schwierigen Auslandseinsätze schicken sollen - Soldaten ohne ein sicheres ethisches Fundament.

Der christliche Glaube spielt bei den Führungskräften der Bundeswehr tatsächlich also eine ziemlich bedeutende Rolle. Diese Entdeckung aber hat mich auf die Frage gebracht, wie es wohl in anderen Bereichen aussieht, Bereichen, die scheinbar auch anderen Gesetzmäßigkeiten folgen, als es der christliche Glaube verlangt, in der Politik etwa oder der Wirtschaft. 

Hier nun habe ich eine Fülle von interessanten Äußerungen gefunden. Denn anders als Vertreter der Bundeswehr, die mit ihrem persönlichen Bekenntnis wohl ungern in der Öffentlichkeit auftreten, gibt es viele prominente Persönlichkeiten, die bereit sind, über ihren Glauben zu reden. Darunter sind nicht wenige, die Schwierigkeiten mit dem christlichen Glauben haben, für die vieles fraglich ist. Aber es gibt auch immer wieder welche, die überraschend tief mit der Kirche verbunden, fest im christlichen Glauben verwurzelt sind. So habe ich bei einem erfolgreichen Unternehmer den Ausspruch gefunden »Ohne Glauben geht fast nichts. Aus diesem Grunde ist der Glaube für mich das A und O. Ich bin Christ und stehe dazu.« Ein Politiker, der von sich selbst sagt, dass er regelmäßig in den Gottesdienst geht und betet, begründet seinen gesamten politischen Einsatz mit dem christlichen Menschenbild: »Ich versuche«, so heißt es bei ihm, »ein christliches Fundament, das christliche Menschenbild in meiner Politik zu realisieren. Die Menschenwürde ist unteilbar, unabhängig, ob jung oder alt, Mann oder Frau, gesund oder krank, unabhängig davon auch, ob jemand Deutscher oder Ausländer, Jude oder Christ, Weißer oder Schwarzer ist.« Und eine der in Deutschland bestbezahlten Unternehmensberaterinnen bekennt schließlich: Jesus ist, auch für uns heute, unentbehrlich, denn er ist der Mittler zu Gott - wobei für sie die Einsicht, einen solchen Mittler zu brauchen, einen, der »wie wir ist, Mensch ist und damit die Rettung auch tatsächlich wirksam machen kann« in der heutigen Zeit ein wohl noch viel schwierigeres Geheimnis als in früheren Zeiten ist.  

Liebe Gemeinde, ich selbst fand all diese Beispiele sehr ermutigend: Sie zeigen, dass der Hauptmann von Kapernaum keinen Einzelfall darstellt, sondern vielmehr mitten in unserer Gesellschaft ist. Sie zeigen, dass der christliche Glaube eine bleibende Anziehungskraft besitzt, ja, dass von ihm eine viel größere Ausstrahlung ausgeht, als uns manches Mal vielleicht bewusst ist. Sie zeigen, dass wir mit unserem christlichen Glauben etwas haben, das auf dieser Welt sonst so nicht zu haben ist.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.



Jennifer Wasmuth

E-Mail: wasmuthj@cms.hu-berlin.de

(zurück zum Seitenanfang)