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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Sonntag nach Epiphanias, 25.01.2009

Predigt zu Matthäus 8:1-13, verfasst von Peter Lind

Meine Eltern sind immer auf Segelbooten zur See gefahren, und natürlich haben sie meine Geschwister und mich oft mitgeschleppt, und zwar bei allen Wetterlagen, von klarer Meeresstille bis zu dem, was jedenfalls in den Augen eines sechsjährigen Knaben mindestens ein wahrhaftiger Orkan war. Es war nicht immer lustig, wenn man da tief unten im Boot verstaut war und sich verzweifelt festklammerte, immer wenn der Wind das Boot gewaltig auf die Seite drückte. Erst saß man da und sah hinaus auf die weißen Schaumkronen, und im nächsten Augenblick sah man nahezu direkt hinab in die brausende Tiefe, während man sich mit seinem ganzen kleinen und nachgerade durchnässten Körper dagegen stemmte, damit sich das Boot wieder aufrichtete.

             Das hat das Boot immer getan, obwohl einem die sicherlich nur wenigen Sekunden, in denen das Wasser um die Reling der Leeseite spülte, wie eine Ewigkeit vorkamen. Und mit der Zeit begann ich geradezu Freude an diesen Segelfahrten zu haben und mich dabei völlig sicher zu fühlen.

             Ein wesentlicher Grund war, dass mein Vater souverän bestimmte, wenn wir unterwegs waren. Obwohl wir bestimmt eine Familie mit vielen Meinungen und großer Diskutierlust waren, so galt doch auf unseren Segelfahrten uneingeschränkt, dass mein Vater sagte, was zu tun war, und wir Anderen augenblicklich und ohne jede Diskussion gehorchten. Es funktionierte in der Tat recht gut, und wir waren z.B. imstande, mit hoher Fahrt und mit vollen Segeln in den kleinen, örtlichen Hafen zu gelangen und in wenigen Augenblicken die Segel herunterzunehmen, am Kai anzulegen und das Boot zu vertäuen, weil mein Vater die Befehle gab und und wir Anderen taten, was er sagte - und zwar prompt.

             Als ich das erste Mal mit meiner Freundin im Boot meiner Eltern auf See ging, da war ich so naiv zu glauben, dass ich jetzt Kapitän wäre und meine Befehle ohne Diskussion befolgt würden. Aber meine Freundin hatte keine Erfahrung mit einem Segelboot und kannte deshalb nicht die Vorzüge dieses Systems. Als ich dann zum ersten Mal den Befehl gab, sie sollte die Schot festhalten und geradeaus steuern, während ich das Segel hisste, fragte sie: "Warum?" Und als ich sie - sicher mit gehobener Stimme - bat, einfach zu tun, was ich befahl, sagte sie mit leicht beleidigter Stimme: "Sprich ordentlich mit mir!"

             Wir erlitten keinen Schiffbruch - weder mit dem Boot noch mit unserem Verhältnis; später heirateten wir und haben nun auch ein eigenes Boot, und wir genießen es, mit der ganzen Familie zu segeln, und es geht auch sehr gut, aber ich muss doch zugeben: auch wenn ich meine, ich sei der Kapitän an Bord, so bin ich nicht imstande, mich mit derselben effektiven und indiskutablen Autorität zu äußern, wie es seinerzeit mein Vater gekonnt hatte. Meine Frau und unsere Kinder tun gewiss, was ich sage, wenn wir unterwegs sind, aber nicht ausschließlich deshalb, weil ich es befehle, sondern weil sie den Sinn des Befehls erklärt bekommen und auf diese Weise selbst eingesehen haben, dass es vernünftig ist, so zu handeln.

             Henrik Jensen von der Universität Roskilde hat nun schon eine Zeitlang über die "vaterlose Gesellschaft" gesprochen und geschrieben - d.h. darüber, wie die väterliche Autorität im Lauf des 20. Jahrhunderts ihre wesentliche Bedeutung in der Gesellschaft verloren hat. Das gilt nämlich nicht bloß, wenn ich mit meiner Familie auf hoher See bin, sondern es gilt auf allen Ebenen der Gesellschaft. Die Jugendrevolte vom Ende der 60er Jahre wird oft als Ursache für den allgemeinen Autoritätsverlust angeführt, aber die Jugendrevolte war eher ein Ausdruck für den Verlust und nicht Ursache dafür. Die Autoritäten, die zuvor völlig unantastbar gewesen waren, werden heute immer wieder angefochten und herausgefordert; wenn sie überhaupt als Autoritäten überlebt haben. Z.B. die Politiker, die Ärzte, die Polizei, die Lehrer, die Eltern und eigentlich auch die Pastoren und viele, viele Andere. Es ist durchaus eine Entwicklung, die in vielerlei Hinsicht gut und notwendig gewesen ist, weil die Autorität in vielen Fällen eher eine wahrhafte Tyrannei gewesen ist. Aber es hat auch heute noch einen sehr hohen Preis, dass die Autoritäten in unserer Gesellschaft abgebaut- vielleicht sogar geradezu völlig verschwunden sind. Genau wie wenn man auf See ist und man den Befehlen des Kapitäns notwendigerweise gehorchen muss, wenn man keinen Schiffbruch erleiden will, so ist es natürlich auch in vielen anderen Zusammenhängen zwingend notwendig, einem Befehl zu gehorchen, damit die Gesellschaft nicht ganz und gar ins Stocken gerät. Denn man kann nicht immer ungehemmt selbst bestimmen und tun, was man will. Aber man stelle z.B. die Frage an die Lehrer, was ihre Schüler dazu meinen?

Was bedeutet dieser Autoritätsverlust für unsere Auffassung von Pflicht, Verantwortung und Schuld?
Was bedeutet er für unsere Auffassung vom Glauben?
Was bedeutet er für unsere Auffassung von Gott?
Und was bedeutet das nun für uns?      

Die beiden Heilungsgeschichten, von denen der Evangelist Matthäus im heutigen Text berichtet, handeln von einem ganz und gar bedingungslosen und indiskutablen Glauben an die Autorität Gottes. Der Aussätzige, der sich Jesus zu Füßen wirft, tut dies, weil er daran glaubt, dass ihn Jesus mit seiner göttlichen Autorität gesund machen kann; es hängt ausschließlich vom Willen Jesu und damit Gottes ab; "Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen." Der Aussätzige hat keinerlei Zweifel, dass Jesus es tun kann. Denn Jeus ist als der Sohn Gottes die absolute Autorität, und der Aussätzige macht das nicht allein durch seine Bitte an Jesus deutlich, sondern er bezeugt es zugleich gegenüber den Priestern im Tempel, als er nach seiner Heilung Gott seine Opfergabe darbringen soll.

             Dieser Glaube an die Autorität Gottes wird noch stärker in dem folgenden Bericht von dem Offizier dargestellt, der zu Jesus kommt, damit er seinen Diener heile. Sein starker Glaube an die Autorität Jesu und damit Gottes wird nicht allein veranschaulicht durch seine eigenen Erfahrungen mit dem autoritären, militärischen System, in dem die Befehle der Offiziere von den Soldaten blind befolgt werden, sondern er hat auf Grund seiner Erfahrung von Autorität auch das Vertrauen, dass er Jesus bitten kann, nur ein Wort zu sagen, und sein Diener wird geheilt. Und das Eindrucksvollste ist wohl, dass der Offizier so sehr an die Autorität Jesu glaubt, dass er ganz einfach davongeht, als Jesus gesagt hat: "Geh hin, dir geschehe, wie du geglaubt hast!" Er verlangt keine weitere Bestätigung von Jesus, dass der Diener gesund geworden ist. Er wartet auch keine Nachricht von zu Hause ab, dass die Lähmung des Dieners geheilt worden ist. Er wendet sich nur um und geht davon - im Glauben an das Wort, das gesagt worden ist.

             Welch großer Glaube an die Autorität Jesu von Seiten des Aussätzigen bzw. des Offiziers! Und beide werden für ihren großen Glauben belohnt; ihre Bitten um Heilung wurden erhört und erfüllt.

             Es besteht eine große Gefahr, wenn man diese beiden Berichte über den so starken Glauben an Gottes Autorität hört. Sie können sehr leicht so ausgelegt werden, dass die Heilungen von dem starken Glauben der Betreffenden abhängig sind. Also, wenn der Aussätzige und der Diener des Offiziers geheilt werden, hat das seine Ursache darin, dass der Aussätzige bzw. der Offizier einen so großen Glauben leisten können. Und dann läge es ja ungeheuer nahe, folgenden Schluss zu ziehen: wenn wir heute unsere Bitten um Heilung von furchtbaren Krankheiten und Unglück nicht erfüllt bekommen können, dann hat das seinen Grund darin, dass unser Glaube nicht groß genug ist. Es wäre dann unsere eigene Schuld, weil wir keinen größeren Glauben leisten können.

             So ist es aber nicht. So kann es ganz einfach nicht sein, weil es ja bedeuten würde, dass man mit einem solchen Verständnis die Autorität Gottes anfechten würde. Gottes Macht und Wille hängen nicht von unserem Glauben ab - ungeachtet, ob der Glaube groß oder klein ist, weil Gott die absolute und souveräne Autorität ist. Er tut, was er will. Und es ist dann eine konstante Herausforderung an unseren Glauben, dass wir akzeptieren, dass er nicht tut, was wir wollen.

             Nicht zuletzt, weil wir uns so sehr daran gewöhnt haben, uns selbst als die größte Autorität im Dasein aufzufassen. Denn natürlich hat der allgemeine Autoritätsverlust in der Gesellschaft unsere Auffassung von der Autorität Gottes geprägt. Vielleicht hat diese ganze Entwicklung in Wirklichkeit ihren Anfang mit einem geschwächten Glauben an die Autorität Gottes genommen. - Aber es ist unmöglich, eine christliche Kirche zu sein und an Gott zu glauben, wenn wir nicht akzeptieren können, dass Gott die größte Autorität ist. Sonst wäre es sinnlos, dass wir mit unseren kleinen Kindern in die Kirche kommen, um sie taufen zu lassen. Sonst wäre es sinnlos, dass die jungen Menschen in die Kirche kommen, um ihre Taufe durch die Konfirmation zu bestätigen. Sonst wäre es sinnlos, dass wir Trauungen, Beerdigungen und Beisetzungen haben. Oder dass wir zum Gottesdienst zusammenkommen. Denn all dies macht nur Sinn, wenn wir hierher kommen können, um das Wort von der souveränen Autorität Gott zu hören, und wieder von hier weggehen können im Glauben und in der Hoffnung, dass Gott die Autorität ist, die so unfassbar viel größer ist als wir selbst; eine Macht, die die unbedingt größte und stärkste ist.

             Es ist keine tyrannische Autorität, die ihre furchterregende Macht durch große, gewaltige Zeichen und Wunder demonstrierte. Es ist die Autorität, die ihre Macht in ihrem Wort zeigt und es zu Gehör bringt zum Glauben und zur Hoffnung. Denn Gottes Wort ist Jesus Christus, der in der Weihnachtsnacht als ein Mensch geboren wurde; der am Karfreitag starb und begraben wurde und der am Ostermorgen auferstand. Gott hat seine Autorität ein für alle Mal vor 2000 Jahren gezeigt, indem er sein machtvolles Wort als seinen eigenen Sohn souverän in unsere Welt gesprochen hat. Wenn wir das WORT im Vertrauen auf Gottes Autorität hören, dann können wir im Glauben und in der Hoffnung ins Leben gehen, dass es zu uns gesprochen ist - dass wir durch dieses WORT vom Tode und von der Sünde erlöst worden sind.

Amen



Pastor Peter Lind
Middelfart (Dänemark)
E-Mail: pli(a)km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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