Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Sonntag nach Epiphanias, 25.01.2009

Predigt zu Matthäus 8:5-13, verfasst von Detlef Mucks-Büker

Sprich nur ein Wort!
Da kommt einer zu Jesus mit einer konkreten Bitte.
Und dahinter, damit verbunden steht eine schier unglaubliche Erwartung: so wird mein Knecht gesund.

Change! - eigentlich nur ein Wort
Aber ein Wort, das ebenfalls hohe Erwartungen geweckt hat.
Ein Wort, das Amerikas politische Kultur - und womöglich die politische Kultur der ganzen Welt ganz offenkundig schon verändert:
Seit gestern ist mit dem 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten der erste farbige Präsident in das Weiße Haus eingezogen.
Change! Was für eine Veränderung. Und was für Erwartung!

Sprich nur ein Wort. Du kannst es.
Change - yes, we can. Ja, wir können es.
In der Tat: Worte haben Macht.
Worte können entscheiden:
Über Leben und Tod. Über Freiheit und Gefangenschaft. Über Fluch und Segen. Über Krieg und Frieden.
Worte geben Orientierung. Worte können verführen. Worte verbinden und versöhnen. Mit Worten lässt sich leider auch viel Unheil anrichten. Mit Worten lässt sich die Welt erklären.
Manchmal können Worte auch heilen.

Der Hauptmann, der nicht zum Volk Israel gehört, braucht auffällig wenige Worte, um Jesus sein Anliegen vorzubringen. Er ist ja einer, der die Sprache der Befehle beherrscht. Befehlshabe sprechen nicht, sie bellen ihre Anweisungen. Kurz, knapp und präzise. Überraschenderweise reagiert Jesus positiv. Ihn abzuweisen, wäre die für damalige Leser und Hörer die zu erwartende Reaktion gewesen wäre. Ich erinnere an das Beispiel der syro-phönizischen Frau, die Jesus für ihre kranke Tochter um Hilfe bittet, Jesus sich aber lange ziert. Hier ist es anders.
Jesus kündigt sogar an, zu dem Hauptmann zu kommen um den Kranken „gesund (zu) machen". Wiederum überraschend beginnt der Bittsteller lang und breit zu argumentieren, dass es für Jesus doch gar nicht nötig sei zu kommen. Er sei es überhaupt nicht wert, dass Jesus sein Haus betrete, Jesus müsse nur ein Wort sprechen usw.

Für Martin Luther hat der Hauptmann „so schön und christlich disputiert, dass es genug wäre einem, der vier Jahre ein Doktor gewesen" (WA 41,26). Darum nennt er ihn auch einen theologus.
Theologus - einer, der von Gott redet.

Der Hauptmann von Kapernaum, ein Soldat, der in Diensten der römischen Besatzungsmacht steht; einer, der das Kriegshandwerk gelernt hat und militärische Gewalt ausübt; eindeutig auch kein Jude, sondern einer, von dem wir nicht wissen, was er glaubt, wenn er denn glaubt: ausgerechnet den nennt Luther einen Theologen.

Vielleicht lohnt es sich, einmal danach zu fragen, wie er denn von Gott redet. Und dabei auch uns selbst einmal danach zu fragen, wie wir denn von Gott reden.
Der Blick in den Text zeigt uns:
Die Worte des Hauptmanns richten sich an Jesus. Er tritt auf Jesus zu, seine Haltung hat eine Richtung, sie ist nicht distanziert.
In V. 5 heißt es: „der bat ihn": der Hauptmann tritt bittend auf Jesus zu.
Wie ist das mit uns? Ist das selbstverständlich, dass auch wir uns Gott so unmittelbar zuwenden, wie es hier geschieht? Mit einem konkreten Anliegen? In der Hoffnung, dass Gott uns ganz konkret hilft? Dass Gott jemanden gesund macht, der uns wichtig ist - auch wenn es schier ausweglos erscheint?  Wäre das nicht ein naiver Glaube? Eher etwas für Kinder?
Mein Endruck ist: das, was hier gemeinhin so leicht erzählt wird oder so leicht rüber kommt, dass sich jemand Jesus nähert und ihn mit einer konkreten Bitte anspricht, ist alles andere als kinderleicht. Ist in Wirklichkeit viel schwerer und komplizierter gewesen als uns die wenigen Sätze in dieser Geschichte vermuten lassen.

Ich glaube, der Hauptmann hat hier anstrengende Arbeit geleistet. Er hat Hindernisse überwinden müssen.
Hindernisse, die in ihm selbst gelegen haben: seine ethnische Herkunft, seine Nationalität, seine Zugehörigkeit zum feindlichen Militär, zur fremden Besatzungsmacht. Aber auch seine eigene Religion.

Unweigerlich sehe ich die gegenwärtigen Kriegsschauplätze in der Welt vor mir: Gaza und Irak, oder die  Truppen der Bundeswehr in Afghanistan. Gerade sie sind angetreten als Befreier und Aufbauhelfer für eine demokratische Gesellschaft. Und sehen sich zunehmend als Ziel von gewalttätigen Anschlägen extremistischer Gruppierungen. Wer von denen käme auf die Idee, für einen erkrankten Freund und Untergebenen zu einem afghanischen oder paschtunischen Heiler zu gehen? Möglicherweise hatte der römische Hauptmann damals keine vergleichbare Sanitätseinheit zur Verfügung wie die Einheiten der Bundeswehr heute.
Aber selbst wenn wir es in der biblischen Geschichte mit einem akuten Notfall zu tun haben sollten, zeigt die Haltung, die der Hauptmann Jesus entgegen bringt, dass es hier nur vordergründig um die Heilung an sich geht.
Tiefgründig steht nicht der am Ende geheilte Diener des Hauptmanns im Mittelpunkt, sondern der glaubende Hauptmann und der, an den er glaubt: Jesus.

Darum stelle ich mir vor, musste der Hauptmann auch all seine Vorstellungen von Glauben und Religion, auch von der Religion des fremden Landes, in dem er seinen Dienst tat, überwinden. Er musste Vertrauen fassen in die Kraft eines Gottes, den er nicht kannte. Musste vertrauen auf die Kraft eines Gottes, der ihm fremd war.
Dass ihm das möglich war, das ist ein Wunder.
Dass er Jesus um Hilfe bitten konnte, das ist das Wunder dieser Geschichte. Dass hier Glaube geschieht, ist das Wunder. Und ein Geschenk von Gott.

Sprich nur ein Wort.
Worte haben Kraft zur Veränderung.
Vielleicht haben wir das auch schon mal selbst erfahren.
Dass da etwas geschieht, das ganz groß und unfassbar ist. Und wir dabei ganz klein werden.
Der Hauptmann, bei dem ja als solchen erstmal Macht und Gewalt liegen, spricht Jesus als Herrn an, als kyrios. Der Evangelist Matthäus hat sich etwas dabei gedacht, dass er diesen ausländischen Besatzer Jesus als Herrn anreden lässt: im Kern ist hier schon die Gotteskindschaft aller Völker vorgezeichnet, auch über das heilige Volk Israel hinaus. Darum kann Jesus auch von der himmlischen Tischgemeinschaft sprechen, von der im Angesicht Gottes kein Volk der Welt ausgenommen wird. Jeder und jede, die Jesus als den Herrn bekennt, gehört dazu.
So ist die Haltung des Hauptmanns, mit der er Jesus begegnet, kein gezwungenes sich Kleinmachen vor Jesus. Wenn er sagt: Ich bin nicht wert, dass du zu mir kommst, mag der Hauptmann gefühlt haben: hier stehe ich vor einem, der größer ist als alles andere.
Das ist christlich verstandene Demut. Sie erinnert mich an das Rüstgebet am Anfang unserer Gottesdienste, wenn wir gemeinsam sprechen: Der allmächtige Gott erbarme sich unser, er vergebe uns unsere Sünde und führe uns zum ewigen Leben.
In der katholischen Messliturgie sind die Worte des Hauptmanns sogar in die Vorbereitung auf den Empfang der heiligen Kommunion aufgenommen worden. Da spricht die Gemeinde gemeinsam: "Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund."
Sprich nur ein Wort. Wenn der Glaube spricht, werden wir ganz klein und Gott wird ganz groß. 
Wenn der Glaube spricht, fallen Grenzen: zwischen Oben und Unten, zwischen Macht und Ohnmacht, zwischen Freund und Feind. Und Stricke des Todes, die reißen entzwei.
Wenn der Glaube spricht, dann lässt Gott die Grenzen fallen zwischen ihm und den Menschen. Dann will Gott zu mir kommen, unter mein Dach, in mein Haus. Glauben heißt, dass Gott in mir wohnen will. Und mein Leben verändern.
Auch in diesem Horizont höre ich noch einmal den Klang der Jahreslosung: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich. Hoffen wir also auf das, was unmöglich ist, und bitten wir um das, was möglich ist: dass Gott uns Glauben schenkt durch sein Wort. Denn er kann es. Amen.



Superintendent Detlef Mucks-Büker
Kirchenkreis Gladbeck-Bottrop-Dorsten
E-Mail: Detlef.Mucks-Bueker@kk-ekvw.de

(zurück zum Seitenanfang)