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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Letzter Sonntag nach Epiphanias, 01.02.2009

Predigt zu Matthäus 17:1-9, verfasst von Mirjam Schmale

Liebe Gemeinde!

Zuerst kriecht dieses Lebewesen mühsam als Raupe über den Boden, dann hängt es wie leblos in einem Kokon irgendwo an einem Ast, dann kann es als schöner bunter Schmetterling durch die Lüfte fliegen. Ein-und-dasselbe Lebewesen verändert seine Lebensmöglichkeiten und damit auch seine Lebensräume. Diese Verwandlung der Gestalt kennen wir unter dem griechischen Fremdwort Metamorphose. In der Zoologie, in der Botanik und in der Geologie können wir das sehen. Bei einem Menschen  können wir diese Verwandlung nicht sehen. Aber vielleicht kennen Sie das auch, dass Sie eines Morgens aufwachen und sagen, ich bin ganz wie verwandelt, ich bin ein ganz anderer Mensch, es geht mir gut. Solche Erfahrungen machen wir manchmal, dass wir uns wie verwandelt vorkommen, sei es nach einer Kur, in der wir neue Energien bekommen haben, sei es nach einem ereignisreichen Urlaub, in dem wir neue Erfahrungen gesammelt haben, sei es, dass wir aus einer Angst oder Sorge plötzlich die Kraft haben das Leben neu zu gestalten, sei es auch nach einer überstandenen Krankheit, von der wir ganz und gar genesen sind: Ich bin ganz und gar wie verwandelt. Es geht mir gut, wie noch nie. Mein Leben ist ganz und gar anders. Es ist auf eine mir unerklärliche Weise wie verwandelt. Aber auch so eine Verwandlung können wir an unserer äußeren menschlichen Gestalt nicht sehen.

Einmal konnten Menschen das sehen. Wie ein Mensch sich verwandelte, wie eine Metamorphose geschah. Denn genau dieses griechische Wort verwenden die Evangelisten, als sie beschrieben, was einst Petrus und Jakobus  und Johannes sahen. Sie sahen, wie Jesus sich verwandelte. Martin Luther übersetzte dieses griechische Wort mit Verklärung. Und die Geschichte von dieser Verklärung, von der dieser Verwandlung, von dieser Metamorphose, wie sie uns Matthäus erzählt, ist heute der Predigttext. Es ist die Geschichte, wie zum ersten Mal so eine Metamorphose menschlichen Lebens passiert, die Metamorphose Jesu, wie Jesus ein anderer wurde, wie er verwandelt wurde und wie seine Jünger das sahen. Sie sahen, wie Jesu Antlitz zu leuchten begann wie die Sonne, sie sahen, wie er eine neue Gestalt bekam, so dass sogar seine Kleidung leuchtete, sie sahen ihn stehen inmitten der Größen ihrer Religion - dem Gesetzgeber Mose und dem Propheten Elia - sie sahen eine Wolke und hörten eine Stimme, die sagte: „Dies ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hören". Als diese Menschen die Metamorphose sahen, will einer von ihnen, will Petrus gleich etwas tun, er will Hütten, Stiftshütten, Behausungen bauen, als sie diese Verwandlung sahen, fielen sie erstmal nieder und erschraken, aber sie sahen eben denselben Jesus, den sie von vorher kannten, der zu Menschen sprach, der Menschen die Furcht nahm und der Menschen berührte. Es war derselbe vor und nach der Metamorphose und doch verwandelt.

Diese Stimme aus der Wolke hatte schon einmal gesprochen, als Jesus seinen Erden-und Wirkungsweg begann, bevor er zu predigen begann auf dem Berge und seine berühmten Reden hielt, in denen er das Gesetz Mose neu auslegte und alle selig pries, die der Gerechtigkeit und dem Frieden verbunden sind, bevor er Kranke gesund gemacht hatte und sich als Retter seiner Schüler im Sturm erwiesen hatte, bevor das Himmelreich auf Erden verkündet hatte, da hatte schon einmal die Stimme aus dem Himmel ihm zugesprochen: „Dies ist mein lieber Sohn". Nun, bevor Jesu Weg des Leidens und Sterbens begann, vor dem Weg zum Kreuz, aber auch vor dem Weg zur Auferstehung, stieg Jesus wieder auf einen Berg. Auf jenem Berge geschah jene erste Metamorphose, jene erste Verwandlung, die viele Verwandlungen menschlichen Lebens nach sich ziehen würde. Und er hatte seinen Jünger Petrus an seiner Seite und Jakobus und Johannes. Damit sie es weiter erzählen würden, wenn er einst seinen Weg vollendet hätte. Und sie hörten: „Den sollt ihr hören".

So geschah die erste Metamorphose. Von dieser Metamorphose Christi, von dieser neuen Gestalt in der menschlichen Geschichte wird uns erzählt, weil Menschen sie sahen und weil von dieser ersten alle anderen Metamorphosen ausgingen, alle anderen Neugestaltungen menschlichen Lebens. Paulus und Petrus, Johannes und Jakobus, Maria Magdalena und nach ihnen immer wieder wurden Menschen verwandelt und ließen sich verwandeln. Der Apostel Paulus verwendet dieses griechische Wort schon viel früher, bevor Matthäus und die anderen Evangelisten dieses Geschaute erzählten (Röm 12,1-2; 2. Kor 3,17.18). Er schrieb den Menschen in den Gemeinden in Rom und in Korinth davon. Denn die ersten Christen haben eine solche Erfahrung gemacht, dass sie verwandelt wurden. Solche Metamorphosen geschahen im Leben von Christen. Paulus spricht von so einer totalen Verwandlung, so dass man uns fast nicht wieder erkennen kann, uns, die wir vorher waren, vor der Begegnung mit Christus und uns, die wir nachher waren, nachdem uns Christus zu neuen Menschen gemacht hat. Durch den Geist Gottes erneuert hat, mit einem neuen Bewusstsein ausgestattet hat, wir sind nicht wie verwandelt, wir sind verwandelt.

Und er schreibt in seinen Briefen, wozu Menschen verwandelt werden, wenn sie in Christus sind. Wenn unser äußerlicher Mensch zugrunde geht, so wird unser innerlicher Mensch von Tag zu Tag erneuert, und: Gott hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung von der Erkenntnis der Klarheit Gottes in dem Angesichte Jesu Christi. In uns, schrieb er, die wir in Christus neue Kreaturen geworden sind, neu geschaffen, zum zweiten Mal geboren, in uns allen spiegelt sich die Herrlichkeit Christi. Wir sind nicht wie  verwandelt, wir sind  verwandelt, wir sind Verwandelte. Und im Römerbrief leitet er das Kapitel, in dem er Ratschläge gibt über den christlichen Glaubens, wie Christen denn in dieser Welt leben und wirken sollten, was sie lassen und was sie tun sollten, ein mit den Worten: So lasst euch nun verwandeln. Stellt euch nicht dieser Welt gleich, lasst euch umgestalten, lasst mit euch geschehen, was Christus in euch bewirkt hat, all das Gute, all das Wohlgefällige, das Vollkommene, das, was Gott will. Lasst euch verwandeln, lasst euch neu gestalten.

So ein Wunder passiert, wenn Menschen vom Geist Christi umgestaltet werden, wenn sie diese Metamorphose erleben. Das kann man sehen. Solche Menschen kriechen nicht mehr auf dem Boden, sie hängen auch nicht wie leblos an irgendeinem Ast, nein, sie können fliegen wie ein bunter Schmetterling. Und es ist schön, sie anzusehen. Herr, hier ist es gut sein, schön, nützlich, sagt Petrus nach dem er den

verwandelten Jesus gesehen hatte, sein Licht und sein Leuchten.

An so einem Licht und an so einem Leuchten können wir tatsächlich auch eine Metamorphose bei Menschen sehen. Es geschieht nicht immer auf einem Berg und eine Wolke ist auch nicht immer zu sehen und nicht die Stimme aus dem Himmel zu hören, aber wenn Menschen Licht sind und wenn Menschen leuchten sehen wir so eine Verwandlung. Im Jahr 1993 wurde in Budapest der „Club von Budapest" gegründet, ihm gehören Künstler, Politiker, Wissenschaftler, Philosophen und Friedensnobelpreisträger an, unter ihnen Hans Küng und Friedrich von Weizsäcker, Michail Gorbatschow, Sir Peter Ustinov, Eli Wiesel und der Dalai Lama, Václav Havel, Yehudi Menuhin, Desmond Tutu, viele andere berühmte Leute aus Politik und Wirtschaft, aus den verschiedensten Ländern, Religionen und Kulturen der Erde, sie alle verkündeten eine Botschaft und die lautete: You can change the world. Ihr könnt, du kannst, die Welt verändern, verwandeln. Sie gaben ihrer Botschaft ein Bild mit. Das „o" in dem Wort „you" gestalteten sie als Weltkugel um, sie wird umfasst und gehalten von zwei Händen. Und diese Weltkugel formten sie um in ein Her: Du bist die Welt und du kannst die Welt in Liebe verwandeln. Diese Menschen, die verwandelt waren und die verwandeln wollten, beschrieben Wege zu einem verwandelten Denken und zu einem verwandelten Leben. Sie formulierten eine Vision von einer Welt, die nicht in Schrecken enden würde, sie forderten eine andere Politik, eine andere Nutzung der Technik, eine andere Art zu leben von allen, von jedem Einzelnen. „Wir müssen nicht warten, bis die Krise unserer Gesellschaft einen noch dramatischeren Punkt erreicht, wir müssen jetzt handeln! Wir müssen handeln!" Vor über fünfzehn Jahren wurde dieser Club gegründet, vor über fünfzehn Jahren wurde diese Botschaft in die Welt gebracht: Wir müssen handeln. Wenn jeder seinen Anteil übernimmt, können wir gemeinsam die nötige Wandlung erreichen. Wenn jeder und jede sich verwandelt lässt. Dann kann von uns ein Licht ausgehen.

Kennen Sie da, liebe Gemeinde, dass man sich wie verwandelt vorkommt, dass sie eines Morgens aufwachen und sagen: Ich bin ganz wie verwandelt, ich bin ein ganz anderer Mensch, es geht mir unheimlich gut? Wollen Sie auch das kennen lernen, wie das ist, wenn man verwandelt ist? Sie können es. Lassen Sie es einfach mit sich geschehen. Lassen Sie diese Metamorphose an sich geschehen. Wir sind das Licht der Welt. Lasst uns leuchten. Damit alle Menschen sehen, dass etwas zu tun ist an Gutem, was getan werden kann als der Wille Gottes. Lasst uns Lichter sein, die am Himmel leuchten. „Yes, we can", „ja, wir können das, ja, wir schaffen das", so schallte es in den letzten Tagen durch die Vereinigten Staaten von Amerika. Und der Vorsitzende des Lutherischen Weltbundes begrüßte die Wahl von Barack Obama als einen tiefgreifenden Wandel. Da waren Menschen vom Wandel ergriffen. Fernsehsender dokumentierten, wie Menschen Sehnsucht haben nach einem Wandel, nach einer totalen Verwandlung. Barack Obama ist nicht Christus, aber sein Aufstieg ist Ausdruck dieser Sehnsucht von immer mehr Menschen nach jener Metamorphose, nach jener Verwandlung, die nicht nur einmal geschah, sondern nach millionenfacher Wiederholung heute, gerade heute, wieder verlangt.

Immer mehr Menschen spüren, dass die Welt, die Welt der Menschen sich verändern, ja, sich verwandeln muss, dass wir uns verwandeln lassen müssen, dass wir nicht dazu geboren sind, wie eine Raupe auf dem Boden zu kriechen, sondern dass wir fliegen können wie ein Schmetterling und nur wenn wir das Fliegen auch lernen, auch praktizieren, nur wenn wir uns erheben aus dem Staub, unsere Verwandlung und die Verwandlung der Erde vor sich gehen kann, können wir neue Lebensmöglichkeiten und neue Lebensräume entdecken. „Yes, wie can", nicht weil wir Amerikaner sind, was wir ja nicht sind, „Yes, we can", weil wir Menschen sind. Wir können fliegen. Wir sind verwandelt und Verwandelte. Es müsste so ein Ruck durch die Christenheit gehen: „Yes, we can",  „we can change the world". Wir sind Verwandelte und wir verwandeln die Welt. Wir können es, weil Christus uns verwandelt hat. Wir können es, wir können unser Licht leuchten lassen vor den Menschen, wir können Frieden machen, anstatt Soldaten in fremde Länder zu schicken, wir können Gerechtigkeit schaffen, anstatt immer mehr Wohlstand haben zu wollen. Wir können barmherzige Samariter sein, anstatt immer nur zuerst an uns zu denken und daran, dass wir mehr haben. Wir müssen nicht schnelle Autos fahren, wir können die Erde schonen. Wir müssen nicht jeden Morgen unter die Dusche steigen und Wasser und Energie vergeuden. Wir müssen nicht jeden Tag Fleisch essen, wenn pflanzliche Nahrung den Hunger in der Welt beseitigen könnte. Wir brauchen auch nicht das neueste Handy und den neuesten PC auf dem Schreibtisch, solange wir nicht wissen, wie man den ganzen Elektromüll entsorgen soll. Wir können ein reines Herz bekommen. Yes, wie can, Wir können sanftmütig sein und barmherzig. Und wir können auch am Leiden derer teilnehmen, die heute noch unter Krieg und ungerechter Wirtschaftsordnung leiden. Ja, wir können das, wir haben dieses neue Bewusstsein, wir haben den Geist Christi, wir sind verwandelt worden, wie einst Jesus verwandelt wurde. Und diese Metamorphose können andere Menschen uns ansehen. Ich möchte schließen mit Worten von Hanns Dieter Hüsch, der in seinem Gedicht „Utopie" darüber schreibt, was wir sehen können.


Ich seh ein Land mit neuen Bäumen
Ich seh ein Haus aus grünem Strauch
Und einen Fluß mit flinken Fischen
Und einen Himmel aus Hortensien seh ich auch

Ich seh ein Land von Schuld weiß
Und einen Berg, der unberührt
Im Tal des Friedens geht ein junger Schäfer
Der alle Tiere in die Freiheit führt

Ich hör ein Herz das tapfer schlägt
In einem Menschen den es noch nicht gibt.
Doch dessen Ankunft mich schon jetzt bewegt
Weil er erscheint und seine Feinde liebt.

Das ist die Zeit die ich nicht mehr erlebe
Das ist die Welt die nicht unsrer Welt
Sie ist aus feingesponnenem Gewebe
Und Freunde glaubt und seht sie hält

Das ist das Land nach dem ich mich so sehne
Das mir durch Kopf und Körper schwimmt
Mein Sterbenswort und meine Lebenskantilene
Dass jeder jeden in die Arme nimmt
Amen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Hanns Dieter Hüsch, Utopie, in: In höchsten Tönen, Hg.: Karl Otto Conrady, Aufbau-Verlag Berlin 2005, S. 158
Ervin Laszlo, Report des Club of Budapest, You can change the world, Horizonte Verlag Stuttgart 2002, Klappentext und Coverbild



Mirjam Schmale

E-Mail: MirjamSchmale@gmx.de

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