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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Letzter Sonntag nach Epiphanias, 01.02.2009

Predigt zu Matthäus 17:1-9, verfasst von Jens Arendt

Die Epiphaniaszeit ist eine Zeit, in der Jesus mehr und mehr seine Kleidung und sein Aussehen ändert, bis er in leuchtenden weißen Kleidern dasteht, viel weißer noch, als man es durch Bleichen erzielen kann. Es gibt eine Geschichte von einem kleinen Mädchen, das mit seinem Vater in die Kirche geht. Beide sehen zu einem Glasmosaik auf. Und der Vater sagt: "Das dort ist Jesus!" Die Tochter fragt: "Wer ist Jesus?" Aber bevor der Vater noch etwas sagen kann, gibt sie selbst die Antwort: "Jetzt weiß ich's, das ist der, durch den das Licht hindurchscheint".

            Man geht in der Epiphaniaszeit sozusagen hinauf auf den Berg der Verklärung. Da sind die Berichte über die weisen Männer, die mit Geschenken kommen. Über Jesus, der sich im Tempel sonderbar beträgt.

            Jesus verwandelt Wasser in Wein und hat die Macht über Sturm und Meer; bis er als Gott selbst zwischen Moses und Elia steht.

            Es ist, wie wenn man einen Berg besteigt. Irgendwann geht man im Nebel; aber in Wirklichkeit geht man in Wolken. Plötzlich bricht das Licht hervor, und man steht mitten in der strahlenden Sonne. Aber wenn man einen Berg besteigt, muss man auch wieder hinuntergehen. Und das geschieht sogleich. Jesus und die Jünger kommen herab zu dem mondsüchtigen Knaben, wo Jesus dann sagt: "O ihr ungläubiges und verwirrtes Geschlecht, wie lange muss ich euch noch aushalten?" (Mt. 17,17).

            Es geht bergab, bis Jesus Petrus und Jakobus und Johannes wieder mit auf eine einsame Wanderung auf einen Berg nimmt, diesmal auf den Ölberg. Der Ort ist der Garten Gethsemane. Und diesmal sind die Jünger nicht so sehr interessiert, allzu lange dort zu bleiben, denn der Abschnitt endet damit, dass alle Jünger ihn im Stich ließen und flohen. (Mt. 26,56)

            Die Geschichte von der Verklärung auf dem Berg ist mit Ostern verknüpft. Die einzelnen Teile hängen bei Matthäus zusammen; wie ja auch die Bibel in Wirklichkeit einen Zusammenhang bildet. Die Bibel ist keine Anthologie, keine zufällige Sammlung.

            Viele Menschen stellen sich vor, das Neue Testament sei als eine Art System von Kartothekskarten entstanden. Es bestehe aus losen Elementen, die nach und nach immer dichter zusammengebunden worden sind. Aber in Wirklichkeit besteht ein Zusammenhang in den Evangelien. Die Bibel ist ein Zusammenhang. In der Geschichte existiert ein Zusammenhang, weil die Geschichte Gottes Geschichte ist.

            Man kann das, was auf dem Berg geschieht, immer Ostern gegenüberstellen. Hier, auf dem Berg, hörst du, wie Jesus vor den Augen der Jünger verwandelt wurde, sein Angesicht strahlte so hell wie die Sonne. Aber wenn wir am Karfreitag von dem Berg heruntergekommen sind, dann hören wir, "dass seine Gestalt keine Schönheit hatte, dass wir ihn sahen, dass uns aber nicht gefiel, was wir sahen, ... einer, vor dem man sein Gesicht verbarg". (Jes. 52,13-53,12)

            Hier hören wir von seinen strahlend weißen Kleidern. Am Kreuz aber ist er nackt, weil man um seine Kleider das Los wirft. Hier ist er unter den größten Heiligen, dort aber hängt er zwischen zwei Räubern.

            Hier erscheint Elia. Aber am Kreuz spotten die Anderen und sagen: "Lasst uns doch sehen, ob Elia kommt und ihn rettet". (Mt. 27,49)

            Hier sind sie von Licht auf dem Berg umgeben. Karfreitag aber heißt es, dass von der sechsten Stunde an eine Finsternis über das ganze Land kam.

            Karfreitag hört man vom leidenden Knecht des Herrn, aber der Ausdruck, den wir hier hören: "Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe", ist fast ein Zitat von der Stelle, die den Abschnitt über den leidenden Knecht des Herrn in Jes. 42 einleitet: "Siehe, das ist mein Knecht - ich halte ihn - und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat."

            Mose und Elia sind die beiden Größten unter den heiligen Männern im Alten Testament. Man sagte, sie seien die Einzigen, die von Gott direkt in den Himmel aufgenommen worden seien. Mose und Elia waren die Einzigen, die auf einem Berg mit Gott gesprochen haben. Und in Wirklichkeit wiederholt sich das hier. Jetzt sprechen sie wieder mit Gott selbst, d.h. sie sprechen mit Jesus.

            Mose und Elia waren Gott auf dem Horeb begegnet. Jetzt begegnen sie keiner anderen religiösen Persönlichkeit, wie sie es selbst sind, sondern es ist wiederum Gott, dem sie begegnen.

            "Dies ist mein Sohn. Hört ihn!"

            Jesus ist nur eine Lehre über Gott, sondern er ist Gott. Wenn wir Gott hören sollen, sollen wir zu Jesus gehen. Wenn wir Gott anderswo suchen als in Christus, werden wir früher oder später von unserem eigenen Gottesbild angefochten. Wir stellen legitime Fragen über die Schöpfung, das Leiden; das Böse und das Gute. Wir werden angefochten. Was uns anficht, ist unser eigenes Bild von Gott. Wir machen ein Bild von Gott, wenn er nicht dem Bild entspricht, das wir gemacht haben.

            Kommt der Glaube von dem, was hier auf dem Berg geschieht?? Nein!!

            Auf der Erde, zwischen all dem, was uns anficht, Krankheit, Sünde und Tod, kommt der Glaube.

            Petrus hat unmittelbar vorher seinen Glauben und seinen Unglauben bekannt. Jesus hat gesagt: "Nicht Gottesgedanken, sondern Menschengedanken hast du im Sinn."

            Das wiederholt sich jetzt in der Aussage des Petrus: "Herr, schön ist es, hier zu sein. Wenn du willst, mache ich hier drei Hütten..." Jesus reagiert ja nicht auf das Angebot des Petrus, Hütten zu bauen und auf dem Berg bleibende Wohnung zu nehmen. Er baut Hütten bei uns. Wir sollen keine Hütten bei ihm bauen. Er lehnt es vielmehr ab, die Klarheit des Augenblicks festzuhalten. Jesus hat nicht den Wunsch, dass wir ihm in der himmlischen Klarheit begegnen sollen, wo alle Zweideutigkeit und Finsternis verbannt ist.

            Er steigt wieder hinab von dem Berg - hinab zum Alltag - hinab zu dem epileptischen Jungen, zu dem verwirrten Geschlecht. Er geht hinab zu dem Vater, der ruft: "Ich glaube, hilf meinem Unglauben!" Er geht hinab zu denen, die ihm nach dem Leben trachten, und zu denen, die ihm höhnisch den Rücken kehren, weil sie in seiner Person und in seinem Wirken nicht die geringste Klarheit und nicht den geringsten Funken von Licht sehen.

            Jesus will m.a.W. unten in der Welt sein, die wir nur allzu gut kennen, - und nicht auf dem strahlenden Berg der Verklärung. Er kommt zu uns in all unserer Skepsis und begrenzten Auffassung dessen, was Sinn und Klärung schafft. Er hat seine Hütte bei uns gebaut.

            Es geschieht auf den verstaubten Wegen des Lebens, aber er ist mit uns auf dem Weg. Deshalb endet der Bericht von heute auch mit der Aufforderung Jesu an seine verwirrten Jünger: "Steht auf und fürchtet euch nicht!"

            Nach diesen Worten geht er selbst vom Berge hinab und folgt von da dem Weg, der zu seiner wahren Verklärung führt - dem Weg durch das Kreuz und den Tod zum Leben der Auferstehung. Und erst als er dieses Ziel erreicht hatte, konnten die Jünger sehen, wer er war - Gottes geliebter Sohn - und erst da wurde das erklärt, was bis dahin ein tiefes und unergründliches Rätsel verblieben war.

Amen



Dompropst Jens Arendt
Roskilde (Dänemark)
E-Mail: jea@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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