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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Septuagesimae, 08.02.2009

Predigt zu Matthäus 20:1-16, verfasst von Katharina Wiefel-Jenner

1 Denn das Himmelreich gleicht einem Hausherrn, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter für seinen Weinberg einzustellen.
2 Und als er mit den Arbeitern einig wurde über einen Silbergroschen als Tagelohn, sandte er sie in seinen Weinberg.
3 Und er ging aus um die dritte Stunde und sah andere müßig auf dem Markt stehen
4 und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg; ich will euch geben, was recht ist.
5 Und sie gingen hin. Abermals ging er aus um die sechste und um die neunte Stunde und tat dasselbe.
6 Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere und sprach zu ihnen: Was steht ihr den ganzen Tag müßig da?
7 Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand eingestellt. Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg.
8 Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei den letzten bis zu den ersten.
9 Da kamen, die um die elfte Stunde eingestellt waren, und jeder empfing seinen Silbergroschen.
10 Als aber die Ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; und auch sie empfingen ein jeder seinen Silbergroschen.
11 Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn
12 und sprachen: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und Hitze getragen haben.
13 Er antwortete aber und sagte zu einem von ihnen: Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen? 14 Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem Letzten dasselbe geben wie dir.
15 Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin?
16 So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.


Ihr Lieben,

alles wird gut - dieses Versprechen ist Wunsch, Hoffnung und Zusage zugleich. Ja, alles wird gut - wenn nicht jetzt, so doch wenigstens am Ende. Wie das dann aussehen wird? Eigentlich so wie in unseren besten Zeiten, nur alles besser. Von allem Guten mehr! Alles in vollendeter Form, alles perfekt, ohne Macken und Kratzer. Vollkommen eben und ohne Abstriche. Und um das Wichtigste nicht zu vergessen: Absolut gerecht ist es, wenn endlich alles gut ist.
Wie sollten wir uns darauf nicht freuen?

Jesus erzählt uns in immer wieder verschiedenen Geschichten, wie das sein wird. Alle werden wir an einem Tisch sitzen, satt werden wir, hochzeitliche Kleider werden wir tragen, von überall werden wir zusammenströmen, keine Tränen werden wir mehr vergießen, keine Tränen vor Schmerzen und keine vor Verzweiflung. Die Wut über die ungerechten Verhältnisse in dieser Welt wäre vorbei, denn auch die Ungerechtigkeit ist vorbei. Wenn doch schon jetzt alles gut sein könnte! Aber in manchen Geschichten ist da etwas Fremdes, etwas, das so gar nicht zu unseren Hoffnungen passt. So hätten wir es doch nicht erwartet! Denken wir nur an diese Geschichte, die unser heutiges Evangelium ist. Im Himmelreich soll es so sein, wie Jesus uns es über die Arbeiter im Weinberg berichtet? Eigentlich müsste es anders sein, wenn alles gut wird. Wenn wir uns den Himmel ausmalen könnten, dann sähe das vermutlich ein wenig anders aus. Wir hätten vor allem andere Vorstellungen davon, was gerecht ist.

Ginge es nach uns, wäre der Weinbergbesitzer ein vorbildlicher Arbeitgeber. Gleichgültig ob gerade eine Finanzkrise herrscht oder eine Rezession droht - der Weinbergbesitzer würde nicht nur den Mindestlohn zahlen. Mit einem Silbergroschen pro Tag kommt man kaum aus. Um vernünftig zu leben, müsste man das Gehalt noch aufstocken. Mindestlöhne sind wahrlich keine himmlischen Tarifgewohnheiten. Der Weinbergbesitzer müsste zumindest denjenigen mehr zahlen, die den ganzen Tag gearbeitet haben und zwar deutlich mehr, als den Hungerlohn, mit dem man kaum über die Runden kommt. Das wäre gerecht. Wenn der Weinbergbesitzer unbedingt am Tagesmindestlohn festhalten will, dann nur bei denen, die er kurz vor Sonnenuntergang angestellt hat. Diejenigen, die wirklich hart gearbeitet haben, sollten mehr von ihm bekommen. Hätten wir im Himmel etwas zu sagen, würden wir unsere Leute nicht mit einem einfachen Silbergroschen abspeisen. Warum ist der Weinbergbesitzer nur so wenig sozial?

Ginge es nach uns, wäre der Weinbergbesitzer auch ein klügerer Arbeitgeber. Er würde ohne Unternehmensberater und ihre Ratschläge alle Arbeitskräfte optimal einsetzen. Keine Zeit würde verschwendet, weder seine eigene noch die der Arbeiter. Mit ein wenig Planung und unternehmerischem Überblick könnte er schon am Morgen erkennen, wie viele Arbeitskräfte nötig sind. Kein erfolgreicher Unternehmer käme auf die Idee, alle paar Stunden bei der Arbeitsagentur oder bei seiner Zeitarbeitervermittlung anzurufen. Gleich früh würde er klar die nötige Anzahl an Arbeitskräften anfordern. Dann hätte er auch sofort alle auf dem Weinberg, die er so erst kurz vor Schluss einstellt. Die Arbeit wäre von Anfang an richtig verteilt worden. Niemand hätte die beste Zeit des Tages vergeuden müssen und stundenlang darauf gewartet, ob er noch eine Chance bekommt. Vernünftige Planung sorgt auf diese Weise auch für gerechtere Verhältnisse und vor Sonnenuntergang könnten sich alle zufrieden auf den Feierabend freuen. Hätten wir im Himmel etwas zu sagen, dann würde die Arbeit gerecht verteilt.  In unserem Himmel würden nicht die einen von morgens bis abends schuften und die anderen nicht wissen, wie sie ihre Zeit totschlagen sollen.
Warum ist dieser Weinbergbesitzer nur so unvernünftig?

Jesus erzählt und er bringt mit seiner Geschichte nicht nur unsere Vorstellungen vom Himmel in Unordnung. Alle, die diese Geschichte hören, stutzen und reiben sich an ihr. Sogar die Menschen in der Geschichte selbst sind genauso irritiert wie die, denen die Geschichte erzählt wird. Sie fragen sich genauso wie wir, ob das Verhalten des Weinbergbesitzers gerecht ist. Schon mitten in der Geschichte vergleichen sie ihre Hoffnungen auf gerechte Arbeitsverhältnisse mit denen des Weinbergbesitzers. Sie beklagen sich und meckern rum. Im Prinzip stellen sie sich die Gerechtigkeit als die Verwirklichung ihrer Überzeugungen vor. Und damit verführen sie schließlich uns als Hörende dazu, von ihrer kleinen Hoffnung auf das Himmelreich zu schließen.  Aber wird wirklich alles gut sein, wenn nur das Heute ein bisschen besser wird? Ist der Himmel nur das?

Jesus erzählt eine widerborstige Geschichte, die quer zu allen kleinen Hoffnungen auf den Himmel und zu allen Überzeugungen über die vollkommene Gerechtigkeit steht. Der Himmel ist mehr, als nur das Vertraute in optimaler Ausführung. Der Himmel und seine Gerechtigkeit schauen nicht auf die Leistung der einzelnen. Der Himmel und seine Gerechtigkeit interessieren sich nicht dafür, was wir untereinander aushandeln. Gerechte Verhältnisse sind nicht die Verlängerung unserer Ideen vom gerechten Leben. Wirkliche Gerechtigkeit ist so, wie Gott ist.  Gott in der Gestalt des Weinbergbesitzers bezeichnet sich selbst als gütig. Gott ist voller Güte und Barmherzigkeit. Der göttliche Weinbergbesitzer setzt seine Güte gegen alle Zweifel an seinen unternehmerischen Fähigkeiten. Ihn interessieren keine Managementweisheiten, denn sein Reichtum ist sein Wesen. Würde er seinem Wesen untreu, dann erst würde sein Weinberg Schaden nehmen. So besteht er darauf, dass er gütig ist. Es geht ihm nicht darum, dass es nach unseren Maßstäben gerecht zugeht. Es geht ihm nur darum, dass seine Güte von allen Menschen erfahren werden kann. Diejenigen, die viel arbeiten und nach menschlichem Ermessen viel verdienen genauso wie diejenigen, die sich in unserer Welt nur mit Mühe durchschlagen können. Weil Gott gütig ist, wird der Tisch im Himmelreich für alle gedeckt sein, gerade für die Armen, die nach unserer Auffassung nichts verdient haben. Weil Gott gütig ist, werden die Armen hochzeitliche Kleider tragen können. Sie werden sie geschenkt bekommen. Weil Gott gütig ist, werden in seinen großen Festsaal nicht nur diejenigen hineinkommen, die es sich leisten können, sondern alle seine Freundinnen und Freunde - seien sie arm oder reich, gesund oder krank, klug oder einfältig, schön oder schlicht. Hauptsache sie lieben diesen wunderbaren und gütigen Gott, selbst wenn sie nicht immer verstehen, was ihn bewegt. Wer sich auf diese Güte nicht freuen kann, wird mit dem Himmel Probleme bekommen. Warum guckst du so böse, fragt der Weinbergbesitzer. Diese Frage erwartet auch diejenigen, die sich nicht damit abfinden werden, dass der Himmel doch anders ist.

Alles wird gut, wenn auch irgendwie anders als erwartet - darauf dürfen wir uns verlassen. Allerdings erzählt Jesus diese irritierende Geschichte auch, damit nicht erst im Himmel alles gut sein wird. Diejenigen, die an Gottes himmlischer Güte herummeckern, dürften nämlich die gleichen sein, die sich hier zum Beispiel für leistungsgerechte Entlohnung und klare unternehmerische Strategien stark machen. Doch der Himmel Gottes ist nicht effizient und wird nicht durch strategische Planung erreicht. Der Himmel Gottes beginnt, wenn am Ende des Tages das tägliche Brot da ist. Der Himmel Gottes beginnt, wenn am Ende des Tages kein Kind hungert und kein Obdachloser erfriert. Der Himmel beginnt, wo die Leistungsträger aufhören ihre Leistung für ihren Verdienst zu halten. Der Himmel beginnt, wo diejenigen, die lange arbeiten, Respekt haben, vor denen, die erst am Abend dazugeholt werden. Doch das ist erst der Anfang. Jesus hat nicht nur vom Himmel erzählt. Jesus Christus ist selbst zum Himmel geworden und erwartet uns. Im Himmelreich wird alles besser sein. Und das Himmelreich wird auch anders sein, als wir es uns ausmalen. Wenn das nicht so wäre, dann bräuchten wir uns gar nicht darauf zu freuen. Am Ende wird wohl alles anders sein, aber alles wird gut! Gott sei Dank.
Amen.



Dr. Katharina Wiefel-Jenner
Berlin
E-Mail: wiefel_jenner@hotmail.com

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