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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Sexagesimae, 15.02.2009

Predigt zu Lukas 8:1-4, 11-15, verfasst von Jasper Burmester

Liebe Gemeinde,

neulich fragte mich einer unserer jugendlichen Mitarbeiter im Konfirmandenunterricht: „Sag mal, wie viele von diesen Konfirmandinnen und Konfirmanden können nachher wirklich mit Gott was anfangen, also glauben irgendwie?" Ich musste ihm gestehen, dass ich das nicht weiß. Und ich antwortete: „Weißt du, wir sind, glaube ich, nur die, die die Saat aussäen. Aber ob da etwas draus wächst, das haben wir nicht mehr in der Hand." Und dann erzählte ich ihm das Gleichnis, das heute unser Predigttext ist.

8, 4 Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus den Städten zu ihm eilten, redete er in einem Gleichnis: 5 Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen's auf. 6 Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. 7 Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten's. 8 Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Als er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Liebe Gemeinde,

Haben Sie auch manchmal das Gefühl, oft sei ihre Arbeit sei vergeblich? Die Gebete blieben unerhört? Der Glaube weiterhin auf dem Rückzug aus der öffentlichen Sichtbarkeit in die private Nische?

 Mir geht es jedenfalls so, dass ich manchmal denke: Ja, so ist das. Da rede ich, predige, organisiere, bin Sämann... und nichts  passiert, nichts ändert sich, jedenfalls nichts Wesentliches. Unsere Arbeit wie unsere Gebete um Gerechtigkeit, um Frieden, um Bewahrung der Schöpfung - sie scheinen ungehört im Universum zu verhallen.Vieles von dem, was ich im meinem Lebens- und Wirkungsbereich zu tun versuche, also: an Samen ausstreue, fällt auf den Weg, auf Felsen, zwischen Dornen. Und um das andere, das Wachsende, das Gelingende zu sehen, fehlt mir dann die Zeit oder auch die Geduld.

So wie mir geht es wahrscheinlich auch noch anderen mit ihrer Lebensarbeit, auch auf anderen Äckern: Der Lehrerin etwa, die versucht, ihren Schülern Wichtiges und Nützliches zu vermitteln. Dem Arzt, der seine Patienten über die Folgen ihres Lebenswandels aufklärt. Der Ingenieurin, die kostspielige, aber umweltschonende Verfahren einführen will. Müttern und Vätern, die Ihre Kinder auf einen guten Weg bringen wollen. Was letzten Endes daraus wird, ob es Frucht bringt oder ob  unsere Bemühungen vorzeitig versanden oder erstickt werden von den Umständen oder abprallen auf dem harten Boden - wir haben es nur teilweise in der Hand.

Wir können nur säen, wie der Bauer, der zur richtigen Zeit über sein Feld geht und nach bestem Wissen sein Werk tut. Ob etwas daraus wird, entscheidet nicht allein unser Fleiß, oder unsere Planung oder sonst etwas, das in unserer Hand liegt, sondern die Umstände des Ortes, der Zeit und oft auch das Entgegenkommen derer, die zugleich mit uns unterwegs sind auf den Äckern und Feldern unseres Lebens.

Bis jetzt ist das Gleichnis vom vierfachen Acker - Weg, Fels, Dornen, fruchtbares Land - ja im Grunde auf jeden Lebenszusammenhang passend. Und im Grunde enthält es so eigentlich keine frohe Botschaft, kein Evangelium. Es beschreibt ja nur, wie es eben ist im Leben: Das vieles geht daneben, aber anderes gelingt.

Doch darin liegt auch ein ganz großes Stück Verheißung! Gewiss: Vieles erscheint im Rückblick als fruchtlose Mühe. Aber das, was Frucht bringt, ist dann geradezu überwältigend - Jesu Gleichnis sagt: Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht.

Das könnte doch bedeuten: Du darfst verschwenderisch sein, denn das, was dann tatsächlich auf  fruchtbaren Boden fällt, das wirkt in einer Weise, die alle Verluste, alle Mühe, alle Frustration und Enttäuschung wettmacht.

Denn es  liegt nicht am Sämann, ob er Erfolg hat, und es liegt auch nicht an dem, was er ausstreut. Wenn es  nur auf den richtigen Boden fällt, dann bringt es ja hundertfältig Frucht. Und etwas -einiges, sagt die Bibel- fällt auf diesen richtigen, fruchtbaren Boden, und dieses wird Frucht bringen. Wir brauchen also nicht zu resignieren: Unsere Gebete und Gedanken sind nicht umsonst, die jedenfalls nicht, die auf dem Wort und der Verheißung Gottes gründen. Gottes Wort, einmal ausgestreut, setzt sich durch, wirkt Glauben, hat Früchte. Nicht alles und zu aller Zeit und überall. Aber einiges fiel auf fruchtbares Land und brachte hundertfältig Frucht. Das heißt: Gott wirkt mit seinem Wort durch uns. Und sein Wort wirkt aus sich selbst heraus, es wirkt Hoffnung, Veränderung, Heilung. Darin liegt für alle Zeiten und auch heute eine großartige Verheißung.    

Nun haben wir bis jetzt von der Evangeliums-Lesung nur den ersten Teil betrachtet, nämlich das Gleichnis selbst und haben es auf unsere Lage hin befragt, ob es uns etwas zu sagen hat.

Aber, liebe Gemeinde, diesem Gleichnis ist ja auch schon im Evangelium selber eine Deutung beigegeben, auf die wir jetzt noch einmal schauen.

Bei Lukas heißt es: 11 Das Gleichnis aber bedeutet dies: Der Same ist das Wort Gottes. 12 Die aber auf dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden. 13 Die aber auf dem Fels sind die: wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Doch sie haben keine Wurzel; eine Zeit lang glauben sie und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab. 14 Was aber unter die Dornen fiel, sind die, die es hören und gehen hin und ersticken unter den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden des Lebens und bringen keine Frucht. 15 Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.

Es liegt nicht am Sämann, sagte ich, es liegt auch nicht am Saatgut, das da ausgesät wird, wenn etwas Frucht bringt oder auch nicht. Nun sind wir alle, mich eingeschlossen, ja nicht nur Säende, ausstreuende, das Evangelium weitersagende, wir sind, und das kommt noch davor, zu allererst einmal Hörende, Empfangende. Und uns, den Empfangenen wird hier gesagt: Auf dich, Ackerboden, kommt es an.

Vierfach wird im Gleichnis wie in der Deutung unterschieden.

Da gibt es erstens die Ungläubigen - der Samen fällt auf den zertrampelten Weg und die Vögel picken ihn auf, was bedeuten soll: der Teufel nehme das Worte aus den Herzen der Hörenden. In der Tat gibt es diese Menschen, die für die Worte des Glaubens unerreichbar zu sein scheinen, an denen alles abperlt wie Regen von einer Öljacke. Dafür braucht's noch nicht einmal einen Teufel, sondern nur ein größeres Maß an Selbstgefälligkeit oder Ignoranz oder beidem.

Da gibt es zweitens die Schwachen. Die Saat fällt dorthin, wo nur eine dünne Erdkrume den steinigen Untergrund überdeckt, so dass, was aufgeht, nicht einwurzeln kann, was für die Menschen steht, die sich zwar zunächst vom Wort Gottes begeistern lassen, dann aber nicht dranbleiben, sondern -Lukas sagt: abfallen- ich würde heute sagen: sich davon treiben lassen in der Vielfalt der sinnstiftenden Angebote.

Da gibt es drittens die Erstickten. Diese Samenkörner fallen zwischen dorniges Gestrüpp, ins Unkraut. Dieser Same geht wohl auf, schlägt auch Wurzeln, und wird dann doch am Wachstum gehindert durch die anderen Pflanzen, die schneller wachsen und Luft und Licht und Wasser rauben. Lukas erklärt dieses Bild mit den drei Hauptgefahren, die er für den Glauben sieht: Die Sorgen um das eigene Wohl, den Reichtum und, was dieser Reichtum schließlich ermöglicht, die Vergnügungen des Lebens. Es ist die tiefe Wahrheit des Jesuswortes „Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz". Wer sich auf die materielle Ausstattung seines Lebens verlässt, gar sein Leben darauf begründet, in dessen Herz ist gar kein Platz für Gottes Liebe, den werden die Sorgen um das „Haben" so in Anspruch nehmen, dass er oder sie gar nicht weiß, wie sorglos es sich mit Gottvertrauen leben lässt.

Nach diesen drei Beispielen für Mißerfolge beim Aussäen des Samens, welcher das Wort Gottes ist, zeigt uns das vierte Beispiel die Erfolgreichen. Ihnen, beziehungsweise dem in ihnen gewachsenen Samen wird die Wunderbare Ernte einer hundertfachen Frucht zuteil. Ihre dafür notwendige Haupt-Tugend nennt Lukas die Ausdauer, die Geduld, das Durchhaltevermögen. Der Ort, an dem dieses Wachsen und Reifen dieser großen Ernte geschieht, ist das Herz, Lukas nennt es fein und gut - Glaube ist nicht nur Kopf und Verstand, nicht nur Gefühl, sondern trifft und betrifft uns als ganze Menschen im Zentrum unserer Person, im Herzen.

Wenn Sie, liebe Gemeinde, sich jetzt -erschrocken bei  den erfolglosen, negativen Beispielen oder auch freudig beim positiven Beispiel- fragen: Und ich? Was für ein Acker bin ich? - dann möchte ich ihnen sagen: Heute, am 15. Februar, fühlen Sie sich vielleicht wie dieser oder jener Ackerboden, aber das gilt nicht für alle Zeit und das ganze Leben. Ich glaube nicht, dass dieses Gleichnis und seine Deutung uns verurteilen wollen, sondern zu einer ehrlichen und nüchternen Selbsteinschätzung bringen wollen.Und wenn ich mich heute fühle wie ein plattgetretener Weg, auf dem nichts wachsen kann, dann muss das nicht für den Rest meines Lebens so bleiben. Und wenn ich mich heute so fühle, als würden mich Sorgen und Ängste ersticken und sei es die Sorge um den äußeren Wohlstand, dann muss das nicht so bleiben und es können Zeiten kommen, da auch ich mich wieder offen fühle für das gute Wort. Und wenn ich heute mich so stark fühle, als könnte mein Glaube Berge versetzen, dann kann es eben auch morgen sein, dass ich das Lieben verlernt habe über so viel Rechtgläubigkeit und dann wäre, wie wir bei Paulus lesen, aller Glaube nichts nütze.

Ich glaube nicht daran, dass wir einmal festgelegt, für immer dieselben Typen des Ackerbodens bleiben müssen. Das Leben, es kann uns mit guten oder schlechten Widerfahrnissen so durchrütteln und umpflügen, dass wir ganz andere werden können. So mag doch - Gott vermag viel, mehr als wir uns träumen lassen - auch da, wo es heute ganz traurig und unfruchtbar auszusehen scheint, zu anderen Zeiten etwas Wunderbares wachsen - mit Geduld, mit langem Atem sollen wir es erleben. Amen

konsultierte Literatur: Francois Bovon, EKK III/1 und die Predigtstudien der Jahrgänge 1990/91, 1996/97, 2002/03, 2008/09



Pastor Jasper Burmester
Hamburg-Volksdorf
E-Mail: jasperbu@gmx.de

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