Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Sexagesimae, 15.02.2009

Predigt zu Lukas 8:4-8, verfasst von Christian Stasch

Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus den Städten zu ihm eilten, redete er in einem Gleichnis: Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen's auf. Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten's. Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Als er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Liebe Gemeinde,
stellen Sie sich bitte mal vor:
Ein abendliches 4-Gänge-Menü in einem guten Restaurant.
Der Salat vorweg: Sehr hübsch und nobel angerichtet, aber Ihnen ist es fast, als knirsche da etwas zwischen den Zähnen. Oder kann das gewollt sein?
2.Gang: ein feines Süppchen, die anderen am Tisch sind hin und weg, aber für Ihre Geschmacksnerven ist es reichlich scharf.
3.Gang: Fleisch. Hohe Kochkunst an und für sich, aber so rosa gebraten ist es eigentlich nicht so ganz Ihr Ding.
Liegt es an Ihnen?
Den eigenen Geschmacksnerven?
Warum schmeckt es den anderen besser als Ihnen?
Ein Dilemma:
Man kann das doch nicht deshalb lecker finden, nur weil es teuer ist.
Leichte Ratlosigkeit.
Doch da kommt der 4.Gang: Dessert: dieser letzte Gang ist nun endlich mal, auch für Sie, hervorragend. Sie sind hin und weg. Und so klingt der Abend aus.
Kann sein, dass Sie am Ende leicht enttäuscht nach Hause gehen.
Kann aber auch sein, dass Sie ganz pauschal sagen:
„Das Essen war klasse, traumhaft."
Der vierte Gang so dermaßen gut,
dass die anderen drei Gänge gar nicht mehr so ins Gewicht fallen.
Ich wünsche Ihnen selbstverständlich, liebe Familie K., dass Ihr Essen zur Taufe heute weniger Irritationen hervorruft.
Aber bleiben wir mal bei diesem Essensbild.
Wäre das eine zu optimistische Sicht ?
Drei von vier Gängen munden zwar nicht so, leicht daneben,
doch der letzte Gang reißt alles wieder raus
und führt zu einem positiven Gesamturteil?

Wie viel geht in dem Gleichnis daneben, dass Jesus erzählt?
Die ersten drei „Gänge", wenn man so will, gehen daneben, bringen nichts.
Dreimal wird gesagt: Misserfolg. Null-Wachstum.
Samenkörner auf dem Weg - werden zertreten bzw. dienen lediglich als Vogelfutter
Die auf Felsenboden - verdorren
Die im Dornengestrüpp - ersticken.
Dreiviertel der Aussaat bringen anscheinend nichts.
Vielleicht, könnte man sagen,  war es ja doch nur ein bisschen,
kein Landwirt würde doch 75% des Saatgutes daneben werfen,
und es handelte sich vielleicht doch um den Großteil der Samenkörner, der auf gutem Boden landete?
Im Text steht es aber anders, Lukas benutzt ganz bewusst viermal das selbe Wort: „heteron" - „einiges" fiel auf diesen und auf jenen und auf diesen und auf jenen Boden. Viermal.
Dass etwas dann nicht aufgeht, keine Frucht bringt,
das ist, so sagt dies Gleichnis, anscheinend einfach als gegeben hinzunehmen.
Das wird hier nicht weiter vertieft.
Es wird auch nicht gefragt: Ja, hätte der Sämann nicht erst den Boden besser vorbereiten können: Dornen weg, mehr Bodenschicht über die Felsen?
Und hätte er nicht besser aufpassen können, dass nichts auf den Weg fällt ?
Das Saatgut, dass die KWS hier in Einbeck produziert, wird vom Landwirt mit einer Einzelkornsämaschine ausgebracht,  Verluste sollen absolut minimiert werden, auf den
Vermehrungskoeffizienten ist zu achten.
Bei Weizen kann man heute sagen: der Bauer hat (neben anderen Betriebsmitteln) 100 EUR Saatgutkosten und 1400 EUR Marktwert am Ende. Das muss alles akkurat durchgerechnet sein.

Unser Gleichnis hingegen spricht nicht von Verlustvermeidung.
Der Sämann teilt einfach mit vollen Händen aus,
vielleicht denkt er ja sogar „die Vögel sollen auch nicht umkommen"
er ist jedenfalls spendabel, kein Samenkornzähler oder Erbsenzähler.
Auf das Ende kommt es an, und das ist überwältigend.
Der Schlusssatz, der zeitlich den weitesten Sprung macht und gleich ein paar Monate weiterblickt, auf die Erntezeit:
„Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht."
Insgesamt ist der Boden nicht tipptopp, sondern durchwachsen.
Aber zur Erntezeit kann er feststellen: Es hat sich dennoch mehr als gelohnt.
Die Misserfolge scheinen dagegen nicht ins Gewicht zu fallen,
sie führen den Sämann nicht in die Resignation.

Sie als Eltern von Jan werden im Laufe der Jahre,
in Ihrer Erziehung einige kleine Pflänzchen in den Garten von Jans Leben setzen,
und werden gespannt schauen, was daraus wird.
Manches tun Sie ganz bewusst: „Wir möchten, dass Jan ordentliche Tischmanieren lernt.
Wir möchten, dass Jan seine Konflikte friedlich austrägt.
Wir möchten, dass Jan mal Freude hat an der Musik oder am Sport.
Wir möchten, dass er christlichen Glauben erfährt."
Was davon wie aufgeht, und wie sich Jan entwickeln wird,
und welche Früchte dieses Eingepflanzte tragen wird - Sie wissen es heute nicht.
Über manches werden Sie vielleicht enttäuscht sein, weil es nicht aufgeht („jetzt haben wir vier Jahre Klavierunterricht gezahlt und nun rührt das Kind keine Taste mehr an.") ,
aber über anderes werden Sie positiv überrascht sein und dankbar staunen.
Eltern sind Säende,
hegen und pflegen die Kinder wie zarte Pflanzen,
sorgen so gut sie können für gute Aufwachsbedingungen,
und benötigen den Lebensmut und die Gelassenheit,
dass zwar längst nicht alles Gesäte aufgeht,
sich aber unsere Kindern letztlich doch gut entwickeln.

Mut ist nötig.
So lese ich das Gleichnis, das Jesus erzählt - als Mutmach-Geschichte.
Der Sämann resigniert nicht - zwischendurch . Der Sämann freut sich - am Ende.
Eine Mutmach-Geschichte .
Mut benötigen auch alle, die mit Gottes froher Botschaft, mit Gottes Wort zu tun haben.
Jesus ermutigt solche Menschen: damals, seine ersten Jünger und Jüngerinnen,
die merken: es gibt nicht nur Zustimmung zum Evangelium,
sondern auch Gleichgültigkeit oder Ablehnung. Ja sogar Verfolgung.
Gottes Wort kommt zum Zuge, auch wenn nicht alles gelingt - so ermutigt er seine Jünger.

Ermutigung heute für die Mitarbeitenden in den Kirchengemeinden und in der Kirchenleitung, die Pastoren, die Kirchenvorsteher. Die manchmal mutlos werden:„Wir probieren dies und das, wir setzen Schwerpunkte in der Arbeit mit jungen Familien, wir planen ein tolles „Jahr der Taufe", wir versuchen, mehr Ehrenamtliche zu gewinnen - und dann kommt die Zinsabschlagssteuer und die Austritte steigen sprunghaft an, wie es im Dezember 2008 der Fall war. Und gegen den Geburtenrückgang können wir eh nichts tun."

Ermutigung ist nötig.
Für alle Gemeindeglieder, alle Christen, die sich abmühen mit ihrem Glauben,  die immer wieder über einzelne Glaubensinhalte zweifeln, unsicher sind, ob sie sich den Zweifel überhaupt eingestehen dürfen. Eine Frau sagt: „Es macht mich immer so mürbe, dass ich auf die Frage nach dem Leid in der Welt eigentlich keine Antwort weiß..."

Eine Ermutigung des Gleichnisses liegt darin, dass es uns vor der Selbstüberforderung schützt. Wir Christen müssen uns nicht als etwas Besseres fühlen, auch nicht als durchweg guter Ackerboden für Gottes Wort, sondern wir kennen auch unsere Dornen und Felsbrocken. Wir sind ein gemischter Boden. Jeder einzelne von uns ist ein gemischter, durchwachsener Boden, und eben nicht 100% gut. 

Ich mache euch Mut - so verstehe ich Jesus.
Gottes Wort greift nicht ins Leere,  sondern es wirkt. Und wächst.
Auch in durchwachsenem Boden.
Gottes Wort wirkt. So wie Regen seine Wirkung tut und die Erde durchfeuchtet
(siehe AT-Lesung).
Lasst euch von Misserfolgen nicht runterziehen.

Werden wir als Kirche wieder wachsen, liebe Gemeinde?
Ich weiß es nicht.
Unsere Kirche wird sich jedenfalls - verändern.
Die Formen, wie Gottes Wort Menschen erreichen wird, werden sich verändern.
Vielleicht werden wir weiter kleiner werden und das mit Phantasie gestalten.
Die Übergabe einer Kirche an die jüdische Gemeinde in Hannover ist so ein Beispiel.
Sich mit freuen, wenn jüdisches Leben wächst und sich entfalten kann.
Vielleicht wird eine Kirche, die kleiner wird, dennoch gehört werden und kann Gutes tun und  glaubwürdig sein und kräftig in die Welt strahlen. So dass auch im Schrumpfen ein inneres Wachstum liegen kann.  
Vielleicht wird unsere Kirche aber auch selbst wieder wachsen, gegen den Trend.
Wer etwa hätte das vor Jahren gedacht, dass hier bis heute im Jahr 2009 eine so lebendige  Jugendkirche „marie" hätte wachsen können, und sie wächst ... und wächst - und nimmt  junge Menschen ernst und bietet ihnen eine geistliche Heimat und strahlt aus.    

Jesus macht Mut.
Und das geht auf.
Und trägt hundertfach Frucht.
Amen.



Pastor Christian Stasch

E-Mail: christian.stasch@evlka.de

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