Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Invokavit, 01.03.2009

Predigt zu Matthäus 4:1-11, verfasst von Christian-Erdmann Schott

(1)Da (nach der Taufe) wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. (2) Und da er 40 Tage und 40 Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. (3) Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. (4) Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5. Mose 8,3): „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht." (5) Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels (6) und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben (Psalm 91,11.12): „Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehle geben; und sie werden dich auf den Händen tragen - damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt." (7) Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben (5. Mose 6,16): „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen." (8) Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit (9) und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. (10) Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5. Mose 6,13): „Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen." (11) Da verließ ihn der Teufel und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm.

Liebe Gemeinde, unmittelbar vor dieser Geschichte erzählt Matthäus seinen Lesern von der Taufe, die Jesus Christus durch Johannes im Jordan empfangen hat.  Die Absicht, die der Evangelist mit der engen Verzahnung der beiden Geschichten verbindet, ist gut zu erkennen: Durch die Taufe wird deutlich, dass Jesus sich nicht selbst zum Heiland und Retter der Menschheit ernannt hat, sondern dass er von Gott dazu berufen, beglaubigt und ausgerüstet worden ist. Es heißt ja doch, dass der Geist Gottes wie eine Taube vom Himmel auf ihn herabkam und eine Stimme, die Stimme  Gottes zu hören war: „Das ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe" (Matth. 3, 16-17). Derselbe Geist Gottes ist es nun, der Jesus in die Wüste führt, „auf dass er von dem Teufel versucht würde". Das meint doch, dass sich Jesus hier eine Zeit der Vorbereitung nimmt, in der er sich innerlich einstellt und rüstet für den Kampf, dem er nun entgegengeht.

Denn - und das ist die stillschweigende Voraussetzung der ganzen Geschichte: Nicht nur Gott kämpft um seine Anerkennung in der Welt. Auch der Teufel kämpft um sie. Beide, Gott und der Teufel,  beanspruchen die Menschen, die Welt, die Herrschaft für sich. Darum muss sich Jesus, ehe er überhaupt etwas tut und unternimmt, mit dem Fundamental-Gegner hinter den Gottfeindlichen Erscheinungen dieser Welt, dem Teufel, grundlegend auseinandersetzen. Und genau das geschieht in der Geschichte von der Versuchung in der Wüste.

Es macht auch Sinn, dass diese Geschichte an den Anfang der Passionszeit gestellt wird. Denn bereits hier scheint auf, dass der  Weg Jesu Christi sehr schwer sein wird, kein Triumphzug für Gott, sondern ein Leidensweg; eben weil es der Teufel versteht, Menschen für seine Vorstellungen einzunehmen und auf seine Seite zu ziehen, sodass sie guten Glaubens und in voller Überzeugtheit seine Sache betreiben - und den Sohn und die Sache Gottes verkennen und entschieden ablehnen und bekämpfen.

Beiden, Gott (Christus) und dem Teufel, geht es um die Herrschaft über die Menschheit. Aber was bieten sie uns? Wie soll der Mensch sein nach den Vorstellungen Gottes und wie soll er sein nach den Vorstellungen des Teufels? Das ist die Frage, um die der Streit mit dem Teufel geht. Es ist der Streit über das Menschenbild, der hier in drei Runden zwischen Gott (Christus) und Teufel ausgetragen wird.

Im ersten Gesprächsgang geht es um die Feststellung der Bedürftigkeit des Menschen; das heißt um die Frage: Wo brauchen die Menschen Hilfe? Wo muss ein Helfer der Menschheit ansetzen, damit sie ihn als Wohltäter annimmt und verehrt? Der Teufel ist der Meinung, dass es darauf ankommt, die Grundbedürfnisse der Menschen zu befriedigen - also Arbeit und Brot, Kleidung und Wohnung zu beschaffen und zu garantieren. Die Erfahrung gibt ihm auch ein Stück weit recht. Satte Menschen sind ruhige Menschen. Wohlstand löst Spannungen. Wohlstand ist Glück.

Trotzdem, Jesus stimmt dieser Reduktion der Sicht vom Menschen auf die äußeren Bedürfnisse nicht zu. Er weiß, dass die Menschen auch Fragen an das Leben stellen, die weit darüber hinausgehen: Die Frage vor allem nach dem Sinn des Ganzen; die Frage, wo komme ich her, wo gehe ich hin, wozu ist das alles da, was da geschieht? Die Frage auch nach dem Sinn des Bösen, von Leid und Tod. Und dahinter immer wieder die Grundfrage: Wer bin ich?

Jesus bestreitet nicht, dass der Mensch Brot braucht. Die Speisungswunder in den Evangelien zeigen, dass er dieses Thema sehr ernst nimmt. Aber er weiß auch, dass wir nicht nur vom Brot leben und die Unruhe unserer Seele nicht übergangen  werden darf. Vor diesem Hintergrund muss sich der Teufel die Frage gefallen lassen, was er dazu zu sagen hat. Was hat er in diesem Punkt zu bieten?  Die Ärmlichkeit des Teufels auf der einen und die Stärke der Botschaft Jesu auf der anderen Seite werden hier schnell  erkennbar. Der Teufel zieht sich denn auch zurück. Die erste Runde hat er verloren. 

Im zweiten Gesprächsgang geht es um die Gewinnung der Aufmerksamkeit. Was nützt die schönste Botschaft, wenn sie die Menschen nicht erreicht? Wer Gehör finden will, wer beachtet werden will, muss auf sich aufmerksam machen. Jeder Werbefachmann weiß das. Der Teufel meint, dass er in diesem Punkte besser ist als Jesus und tritt scheinheilig als freundlicher Ratgeber auf: „Bring deine Sache als Show unter die Leute, spring vom Tempeldach, mach auf dich aufmerksam, du wirst sehen, sie sind begeistert". Er mag dabei auch an die Praxis der alten Römer angeknüpft haben, nach der die Menschen beides wollen - Brot und Spiele - oder auf neudeutsch: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, er will auch unterhalten sein".

Jesus teilt diese Sicht vom Menschen nur zum Teil. Auch er weiß, dass die Botschaft Aufmerksamkeit finden muss. Er denkt dabei aber nicht an eine flüchtige, schnelle Aufmerksamkeit,  die lediglich eine Abwechslung bietet und für den  Augenblick unterhält, sondern an eine Aufmerksamkeit, die entsteht, wenn  Menschen sich im Namen Gottes angesprochen wissen, wenn ihr Herz berührt und ihr Glaube herausgefordert ist. Gerade diese Aufmerksamkeit findet Jesus Christus bis heute durch das Leid, das er auf sich genommen hat; durch die hoch befremdliche Übernahme des Kreuzes, durch das er Gott unter uns verherrlicht. Das ist eine von vornherein völlig andere Aufmerksamkeit, als die, für die sich der Teufel einsetzt. Sie überspielt das Leid nicht. Darin ist sie dem Teufel überlegen. Sie stellt sich den dunklen Seiten unserer Existenz.  Die  „törichte Predigt" von Kreuz  (I. Kor. 1,21), ist es bis heute, die um Aufmerksamkeit für die Botschaft von der Liebe Gottes unter uns  bittet.

Im dritten Gesprächsgang geht der Teufel aufs Ganze. Es wäre der größte Erfolg für ihn, wenn es ihm gelänge, Jesus auf seine Seite zu ziehen. Sein Angebot an Jesus ist Unterstützung durch die teuflischen Kräfte bei freier Programmgestaltung.

Jesus lehnt dieses Angebot ab. Aber nicht nur das. Es wird auch deutlich, dass der Teufel und Jesus ein völlig gegensätzliches Menschenbild haben. Jesus spricht die Menschen auf  die Verankerung unseres Seins in Gott an. Danach ist jeder Mensch  ein Gedanke, ein Kind, ein Geschöpf Gottes - auch wenn er es nicht weiß oder wahrhaben will. Diese Verankerung in Gott will Jesus den Menschen bewusst machen und uns darin im Glauben befestigen. Das ist dann auch die innere Stärke, die es Christen bis heute möglich macht, Vereinahmungstendenzen in totalitären Staatssystemen oder Moden zu widerstehen. Jesus Christus  weiß, dass die Herauslösung aus dieser Verankerung in Gott die Menschen wehrlos macht gegen wechselnde Zumutungen von welcher Seite auch immer. Sie schützt unser Personsein vor den Manipulationen durch andere. Darum ist die Standhaftigkeit Jesu hier ein Teil des Evangeliums. Sein Hinweis auf das Erste Gebot zeigt, dass zum christlichen Menschenbild diese Bindung an Gott fundamental dazugehört. Der Teufel sieht das ein und zieht sich zurück.

Aber nicht für immer. Der Weg Jesu bleibt durch den Teufel beschattet. Er findet auch im engsten Kreis um Jesus immer wieder Jünger, die seine Einflüsterungen aufnehmen und weitergeben. Wobei auch nicht unerwähnt bleiben darf, dass der Teufel ja mit seinen Einschätzungen durchaus richtig lag. Den schweren Weg, den Jesus gegangen ist, hätte er vermeiden können, wenn er dem Teufel gefolgt wäre. Der Teufel sah, dass der Weg Jesu am Kreuz endet. Aber gegen alle „vernünftigen" Einwendungen des Teufels ist Jesus Christus bei seiner Linie geblieben. Trotz seiner „Unvernünftigkeit" ist dieser Weg von Gott gewollt - uns zum Heil - und durch die Auferstehung Jesu Christi dann auch beglaubigt worden. Amen.



Dr. Christian-Erdmann Schott
Mainz-Gonsenheim
E-Mail: ce.schott@arcor.de

(zurück zum Seitenanfang)