Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Invokavit, 01.03.2009

Predigt zu Matthäus 4:1-11, verfasst von Heinz Behrends

Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde.
Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn.
Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden.
Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben: »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.«
Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels
und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: »Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.«
Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.«
Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit
und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.
Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben: »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.«
Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm.


Er hatte alles, was ein Mensch begehren kann. Viel Geld, um sich alle schönen Dinge der Welt zu leisten, die Villa im schönsten Stadtteil der schönen Stadt. Er hatte eine gestaltende Aufgabe mit großen Anforderungen. Er hatte in seiner leitenden Stellung Anerkennung seit fast 18 Jahren. In seinem bevorstehenden Ruhestand sollte er noch einmal verantwortungsvolle, anerkannte Positionen einnehmen. Doch er war schon immer der Versuchung erlegen, noch mehr zu wollen. Und hat deshalb den Staat betrogen. Eine Million Steuern gespart, sich ein eigenes Recht herausgenommen. Was hat er eigentlich gesucht, dass er sich versuchen lassen konnte. Der Chef der Deutschen Post. Inzwischen ist er auf Bewährung verurteilt, hat seinen Wohnsitz in Deutschland vor 3 Wochen abgemeldet, hat das Land als Bürger verlassen und ist auf sein Schloss am Gardasee gezogen. Der Ruf ist ramponiert, aber er ist nicht arm dabei geworden. Wir sitzen vor den Bildschirmen und lesen unsere Zeitungen. Und begreifen, was Versuchung ist, auf hohem Niveau. Blicken in eine fremde Welt, die allerdings über uns beherrscht. Wir sind empört.
Wir sind nicht Zumwinkel, werden es wohl auch nicht werden, dazu fehlt uns das Volumen.
Aber das Suchen nach Leben, das kennen wir auch.
Suchen nach Glück, nach Leichtigkeit, Genuss, Freiräume, Unabhängigkeit.
Wir sind lebendige Menschen, wenn wir suchen. Leben gelingt nicht von selbst. Wer sucht, der muss versuchen, der muss ausprobieren.
Was Versuchung ist, das erscheint wie ein Versprechen für eine glückliche Zukunft. Das bisherige Leben erscheint dir dagegen wie eine Wüstenei, 40 Jahre Wüste. Was Versuchung ist, erscheint dir eine erleuchtende Wahrheit zu sein.
Du musst dein Leben versuchen, du musst dazu auf einer Grenze gehen.
Doch wenn du dein Leben versuchst, kannst du versucht werden. Es kommt der Teufel, der dich durcheinander wirbelt.
Der Diabolos, der Durcheinanderwerfer. Es ist nur ein kleiner Schritt. Bei Jesus tritt der Versucher nicht in einer Lebenskrise auf, auch nicht in Tagen großen Glücks, sondern gerade dann, als er sich zurückzieht, um seinen Weg für die Zukunft zu suchen, seinen Auftrag.  Als er meditiert, betet, fastet, sich konzentriert auf sich, auf seine Zukunft, kommt der Durcheinanderwerfer. Er trifft ihn in seinem Kern.
Mit drei Versuchungen, die uns nicht fremd sind.
Die erste betrifft die Fähigkeit zum Mitgefühl. Wie steht es um deine Fähigkeit zum Mitgefühl?
Den Ort für diese Frage wählt der Teufel sehr gezielt. Die Wüste.
Es ist der Ort der Leere. Sieh hier, sieh die Welt, wie sie hungert, wie leer sie ist. Sie braucht Brot, nicht Worte. Erbarmt sie dich nicht?
Hast du kein Mitgefühl?
Dostojewski lässt in seiner Nacherzählung der Versuchungsgeschichte den Großinquisitor für eine kurze Zeit auf die Welt nach Sevilla kommen und zu Jesus sagen: Du hast alles falsch gemacht. Das Volk will Brot. Du kommst mit leeren Händen, Verwandle Steine in Brot und sie werden dir folgen. Aber was wolltest du? Du wolltest ihnen die Freiheit nicht rauben, sagst du.
Ja, darum geht es, um die Freiheit. Mitgefühl macht Menschen zu Objekten. Sie bemächtigt sich des Menschen. Waren Sie schon einmal Gegenstand von Mitgefühl? Da muss man sich manches gefallen lassen. Ausgeliefert bist du, obwohl es gut gemeint ist. Aber was arbeitet da jemand an dir ab? Die eigene Hilflosigkeit, die Eitelkeit, Macht und Mitgefühl sind Geschwister. Mitgefühl kann das Gefühl der Überlegenheit machen. Gib den Hungernden Brot. Wenn du es ihnen dann entziehst, sagt der Großinquisitor, hast du sie in der Hand.
Jesus hat der Versuchung widerstanden. Er hat das Mitleid gewählt und hat die Tiefen der Menschen mit ausgehalten.

Die zweite Versuchung betrifft die Liebesfähigkeit. Wie steht es um deine Liebensfähigkeit? Dazu führt der Teufel ihn an den Ort der Liebe, der Hingabe, in den Tempel.
Hier sieh dir an. Du hast doch das Versprechen Gottes: Er hat seinen Engeln befohlen. Und nun spring, schmeiß dich ihm in die Arme.
Schmeiß dich ihm an den Hals und du wirst sehen. Ja, wenn Gott das sagen würde. Spring, ich fange dich auf. Aber es sagt der Durcheinanderwerfer. Liebe kann den anderen zum Objekt machen. Wieviel Symbiose gibt es unter Liebenden! Aber Liebe braucht ein gegenüber, sonst wird sie verdinglicht.
Liebe kommt aus freiem Entschluss. Wäre er gesprungen, hätte er sich wie ein Verliebter verhalten. Aber Liebe will ein Gegenüber, sie schützt nicht vor Leid.
Aus dem wunderbaren Wort von den Engeln, die dich behüten auf allen deinen Wegen, macht er eine Anweisung. Das ist eine teuflische Verdrehung. Jesus antwortet mit seinem Liebes-Bekenntnis zu Gott, seinem einzigen Herrn.

Die dritte Versuchung betrifft die Fähigkeit zur Verantwortung. Wie steht es um deine Fähigkeit zur Verantwortung?
Für die Versuchung wählt der Diabolos den hohen Berg.
Hier, sieh dir die Welt an. Du hast alle Mittel, sie in Ordnung zu bringen. Frieden im Irak, in Palästina, Ende mit dem Terror in Afghanistan. Ich gebe dir die Macht, das zu klären. Hast du keine Verantwortung? Ich habe das Konzept zur Weltverbesserung in der Hand. Du musst die Macht nur anbeten. Vor unseren Augen stehen sie alle auf, die Machterhalter von Mugabe bis Chavez und die vielen im Hintergrund.
„Nein, du sollst den Herren, deinen Gott, allein dienen", antwortet Jesus.

Das sind die Versuchungen.
Mit Mitgefühl zu herrschen. Jesus widersteht, in dem er mitleidet.
Mit Liebe Macht ausüben, sich einen Menschen zum Besitz machen. Jesus widersteht, in dem er ein Gegenüber bleibt.
Mit Verantwortung Macht auszuüben. Jesus widersteht, indem er alle Macht bei Gott lässt.
Es geht also um Macht oder Freiheit. Der Versucher lockt zur Macht. Jesus steht für die Ohnmacht, die Freiheit, auch um den Preis seines Lebens.

Seine Kraft zum Widerstand kommt aus dem Wort Gottes. Darum nimm deine Bibel, dein Losungsheft immer wieder in die Hand. Es macht dich nicht überlegen, aber selbstbewusst und weise.
Es gibt nur eine Kraft, die den Menschen vom Menschen befreien kann: Gott. Ich bin der Herr, dein Gott. Den sollst du lieben und deinen Nächsten wie dich selbst. Das ist die Summe unseres Glaubens, Schutz gegen alles Teuflische.
Lass dir deine Kraft zum Mitleid, zur Liebe, zur Verantwortung nicht nehmen. Sieh dich um. Und du siehst Menschen, die dich brauchen.
Gib deine Freiheit nicht auf und bemächtige dich nicht der anderen.

Bevor Jesus auf die Suche und in die Versuchung geschickt wird, sagt Gott zu ihm: „Du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe." In der Versuchung wird der Sohn erwachsen, es wächst sein Selbstbewusstsein, am Ende treten die Engel zu ihm.
Sie werden auch Dir zur Seite treten, wenn der Durcheinanderwerfer dich schütteln will, „denn er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen."



Superintendent Heinz Behrends
Northeim
E-Mail: Heinz.Behrends@evlka.de

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