Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Okuli, 15.03.2009

Predigt zu Lukas 9:57-62, verfasst von Matthias Burger

Liebe Gemeinde,

in der Passionszeit bedenken wir jedes Jahr aufs neue den Weg Jesu ans Kreuz, wir gehen und leiden gedanklich mit. Unsere katholischen Glaubensgeschwister kennen auch die Prozession, in der die letzten 14 Stationen in Jerusalem dramatisch nachgespielt und die Schmerzen Jesu nach-empfunden werden.

Heute ereilt uns aus dem Predigttext der Ruf zur Nachfolge in einem anderen Sinn, aber was Jesus uns da zumutet, ist starker Tobak: Wir sollen uns beschenken lassen.

Drei Menschen begegnen Jesus.

a) Der eine hat von sich aus  den Entschluss gefasst, Jesus nachzufolgen, und bekommt zur Antwort: „Wer meiner Liebe folgt, ist unbehaust".

b) Den zweiten ruft Jesus selbst. Dieser ist auch willig. Aber die wichtige familiäre Aufgabe, bei der Beerdigung des Vaters dabei zu sein, wischt Jesus geradezu weg. „Lass die Toten ihre Toten begraben".

c) Und der dritte möchte auch Jünger sein, mit Jesus mitgehen, und Jesus verwehrt ihm das Abschiednehmen von den Seinen: „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes".

Ich lese Ihnen nun die sechs Verse aus dem Lukas-evangelium.

Predigttext

 57 Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst.

 58 Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.

 59 Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, daß ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe.

 60 Aber Jesus sprach zu ihm: Laß die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!

 61 Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, daß ich Abschied nehme von denen, die in meinem Haus sind.

 62 Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.

 

Starker Tobak für unseren christlichen Alltag. Wer von uns kann schon so konsequent Jesus nachfolgen, wie es hier gefordert wird? Leben in der völligen Unsicherheit, ohne Dach über dem Kopf, alle, selbst die stärksten familiären Verpflichtungen werden für unwichtig erklärt? Wer von uns kann so leben?

Liebe Gemeinde, wir sehen in diesen kurzen Worten Jesus als einen Wanderprediger. Er zog umher, lebte in der Tat in völliger Unsicherheit, und hat gewisse Ansprüche an diejenigen, die mit ihm den Weg nach Jerusalem gehen wollten: unbedingte, ungeteilte Nachfolge, hier formuliert in einer provokativen Weise. Die Worte erinnern an die Bergpredigt, in der es heißt: „Wenn dich einer auf die Backe schlägt, dann halte auch die andere hin."

Diese Provokationen regen zum Nachdenken an, weil sie so unmöglich erscheinen. Da stellt sich die Frage: „Was ist gemeint? Ist das, was ich lebe, richtige (!) Nachfolge? Ist das, was wir als Kirche leben, richtige (!) Nachfolge?"

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Nachfolge heißt nicht, die Lebensweise Jesu zu imitieren. Wir müssen nicht wie Jesus alle als Wanderprediger leben, um der Liebe Gottes gerecht zu werden. Wir müssen nicht unsere Familien im Stich lassen, um seinem Auftrag zu entsprechen. Vielmehr hat der Ruf zur Nachfolge ein passives Zentrum: Es gilt in erster Linie, sich von der Liebe Jesu rufen zu lassen: „Meine Augen sehen stets auf den Herrn". Das ist die Blick- und Hör- Richtung.

Natürlich könnte jede und jeder von uns einen Katalog erstellen von Aufgaben und Regeln, die erfüllt sein sollten,   wollten wir „wirklich" in der Nachfolge leben. Aber das führt alles in Gesetzlichkeit, von der uns gerade die Liebe Gottes, die Liebe Jesu befreit. Nicht einen Katalog von Lebens-regeln müssen wir „abarbeiten", sondern uns rufen lassen von der Liebe Gottes.

Weitere aktive praktische Schritte können dann folgen. Aber die Gefahr in der heutigen Zeit ist nicht, dass wir nicht wüssten, was zu tun sei. Die Evaluationsmanie der Wirtschaft hat seit einiger Zeit auch in der Kirche Einzug gehalten und zu Aktionismus und Optimierungszwang verführt. Jede Gemeinde weiß, was gut läuft, was weniger gut. Die Gefahr ist eher, dass wir uns nicht die Zeit nehmen, uns von der Liebe beschenken zu lassen.

„Brauchen wir einen Beamer in der Kirche?" „Die Technik kann man nicht aufhalten" wurde mir geantwortet. Aber: Wir dürfen getrost in der Kirche auch einen Akzent setzen gegen die Technisierung, für die Schlichtheit, Meditation, Einfachheit. Können wir einen Akzent setzen für das Ereignis des Beschenkt-werdens?

Es muss nicht gleich Askese sein, und ich weiß: die Jungs in meiner Konfirmandengruppe sind sofort bereit, zu einem Thema eine Powerpoint-Präsentation herzustellen und mit (!) Beamer vorzuführen, auch in der Kirche. Diesen Impuls nehme ich gerne auf, ich bin nicht prinzipiell. Darüber bin ich froh und dankbar, auch darin kommt die Liebe Jesu zum Vorschein.

Aber was heißt: in der Nachfolge leben? Einfach und schlicht kann genügen, die Liebe braucht Raum, nicht unbedingt einen Beamer.

Schon damit ist ein Kontrapunkt gesetzt in dieser Welt voller Glamour, Perfektionismus, Leistungszwang, Wachstums-zwang, Wettbewerb. Oft heißt es: „Wenn wir da als Christen, als Kirche nicht mitmachen, werden wir abgehängt". Mit Verlaub: das glaube ich nicht. Das Leben Jesu steht für Einfachheit, es steht kritisch den Maßstäben der Welt gegenüber. Das können wir selbstbewußt vertreten.

Und wer der Liebe folgt, erlebt die Wahrheit von Jesu Worten:

a) Das Haus, die Sicherheit, ist nicht mehr das Lebensziel, unser Auge richtet sich auf die Liebe (Okuli).

b) Die Toten beherrschen nicht mehr unsere Gegenwart, denn der Tod ist überwunden, das Auge dreht sich zum Himmel (Okuli).

c) Und zum Schluss: wer der Liebe Jesu folgt, ist nicht mehr fixiert auf seine Herkunft, sondern ist beseelt und erfüllt, von dem was kommt: das Auge richtet sich nach vorne, in die herrliche Freiheit der Kinder Gottes. Das Auge blickt nach vorne, und sieht den besiegten Tod, das himmlische Freudenmahl.

Ist das nicht schön? Leben in der Liebe Gottes?

So sind wir in die Nachfolge Jesu gerufen, und das ist zuallererst ein Geschenk. Nehmen wir das Geschenk der Liebe an, dann sind wir „richtig" (!) Jesu Jüngerinnen und Jünger. Und dieser Ruf Jesu „trennt den Nachfolgenden von  seiner bisherigen Existenz" (Bonhoeffer) Wir müssen nicht mehr gesetzlich leben, wir müssen nicht mehr zurückblicken am Pflug, das Neue ist da.

Zu Kreuze kriechen können wir dann immer noch in aller Freiheit. Aber wir müssen es nicht, denn gerade Karfreitag hat uns von verpflichtenden Bußleistungen befreit. Karfreitag hat die Liebe ermöglicht. Amen.



Dr. Matthias Burger
Kusterdingen
E-Mail: email@matthiasburger.de

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