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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostermontag, 13.04.2009

Predigt zu Lukas 24:13-35, verfasst von Ekkehard Heise

Liebe Ostergemeinde,
das Leben ist schön! So oft wird dies vergessen. Das Leben hat viele Namen. Einer davon ist: Rubina. Es ist der Name des neunjährigen indischen Mädchens, das Anfang März einen der acht OSCAR für den Film „Slumdog Millionär" in Empfang nahm. Das Foto ging um die Welt: Glücklich, als wollte sie die Trophäe nie mehr hergeben, hält Rubina sie in den Händen. „Als ob es Glück vom Himmel regnet!" sagt überwältigt ein Nachbar aus dem Slum, in dem Rubina mit ihren Eltern lebt. Gegen das Strahlen dieses kleinen Mädchens verblassen die siegesgewohnten Diven. Einmal mehr besiegte David den Riesen Goliath. Vor diesem Hintergrund hören wir die Osterbotschaft.
Jesus Christus ist auferstanden - er ist wahrhaftig auferstanden.

   Das Leben ist schön. Auch Jesu Leben änderte sich total. Ja mehr noch er war schon tot wurde begraben doch seid gestern, seit jenem Ostermorgen, lebt er wieder. Ganz unten in den Kellern der Menschheit in einem Slum ist Leben
ist Glück möglich. An Kritikern des Filmes fehlt es nicht, Stimmen die von Armuts-Voyeurismus sprechen: „wie peinlich, die Menschen in ihren unwürdigen Lebensumständen zu zeigen". Ich selber bin vor vielen Jahren in Indien gewesen und die Bilder dieser Reise gehen mir noch heute nicht aus dem Sinn - auch grausame Bilder, sehr grausame Bilder. Aber eben Bilder des Lebens, Bilder, die zeigen, was wichtig ist: Ostern! Das Leben ist nicht klein zu kriegen ist. Immer wieder ist es stärker als alle Versuch es auszulöschen.

   Ich denke, es ist so, weil Gott an ihm hängt. Er ist das Leben, Gott ist das Leben,  das in diese Welt gekommen ist, und deshalb können Menschen es nicht zerstören. Gott ist das Leben, und wir alle sind es auch, weil Gott es so will. Alle Brutalität eines Lebens im Slum in Indien, Südamerika  oder sonst wo, alle Brutalität, einer zerbrochenen Freundschaft, eines Ehekrieges, einer Krankheit,
eines sinnlosen Unfalls, alle Gewalt, Kriegsverbrechen und Vertreibungen,
schaden dem Leben, hindern, dass es sich entfaltet, töten, aber behalten nicht das letzte Wort. Jesus wird gekreuzigt und begraben. Und Jesus Christus ist auferstanden - er ist wahrhaftig auferstanden. Das Leben steht irgendwie wieder auf und geht weiter - toll!

Von den beiden Jüngern im Emmaus heißt es:
„Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen. Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete? Und sie standen auf zu derselben Stunde, kehrten zurück nach Jerusalem und fanden die Elf versammelt und die bei ihnen waren;die sprachen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simon erschienen."

   Brennt nicht unser Herz, wenn wir Nachrichten wie die über den OSKAR in Händen Rubinas hören. Plötzlich ist die Welt solidarisch. Es werden Augen geöffnet. Vielleicht gibt es im nächsten Jahr einen OSKAR. für den Film, der auf Deutsch "Für eine Welt ohne Armut" heißen wird. Er basiert auf  der Autobiografie "Banker to the Poor" von Muhammad Yunus, der Wirtschaftsprofessor und Friedensnobelpreisträger von 2006. Sein Modell der Mikrokredite wurde in über 50 Länder exportiert.

   Und dennoch sind unsere Gefühle gemischt. So groß die Freude an Filmen ist, die Osterfreude zeigen, sie wären gar nicht möglich gewesen, gäbe es jene himmelschreiende Armut und all die Gewalt in der Welt nicht. Erst der Tod macht die Auferstehung nötig. Die Jünger weisen den fremden Wanderer auf den Grund ihrer Traurigkeit hin;
„Bist du der einzige, der nicht weiß, was in diesen Tagen geschehen ist?
Und er sprach zu ihnen: Was denn?
Sie aber sprachen zu ihm: Das mit Jesus von Nazareth, der ein Prophet war, mächtig in Taten und Worten vor Gott und allem Volk;
wie ihn unsre Hohepriester und Oberen zur Todesstrafe überantwortet und gekreuzigt haben."

Als der Fremde sich den Jüngern dann als der auferstandenen Jesus Christus zu erkennen gibt, heißt es:
„Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn.
Und er verschwand vor ihnen.
Und sie sprachen untereinander:
Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?
Und sie standen auf zu derselben Stunde, kehrten zurück und fanden die Elf versammelt die sprachen:
Der Herr ist wahrhaftig auferstanden."

Zwischen diesen beiden Momenten geschieht Ostern. Zwischen diesen beiden Augenblicken liegt der ganz Unterschied, den die Auferstehung Jesu in die Welt gebracht hat. Und wir können mit Hilfe einer solchen Ostergeschichte, wie der der beiden Jünger auf ihrem Weg nach Emmaus, die Kraft der Auferstehung in unserer Welt entdecken. Zunächst ist da noch Depression: „Es will Abend werden, alles neigt sich seinem Ende zu" - Resignation, Verzweiflung, Todesangst.

„Brannte nicht unser Herz in uns, ..."

   Brennende Herzen können etwas auf dieser Welt verändern, weil sie auf das Leben setzen, das stärker ist als der Tod.
Weil sie ihre Fantasie gebrauchen um Gutes für Menschen herauszuholen.
Weil sie sich durch die Leiden des Christus nicht entmutigen lassen
- brennende Herzen spüren die Kraft, die aus dem Sterben und Auferstehen Gottes hervorbricht, und entdecken sie dort wo sie heute unter uns wirksam ist.
Zum Beispiel: Muhammad Yunus, seine Mikrokredite machen mit gutem Gewissen Gewinne unbeeindruckt von der Wirtschaftskrise
„Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?"

Dieses Brennen ist Leben, ist Feuer, das von Ostern her unser Leben erleuchtet,
vom offenen Grab, von der geöffneten Schrift her unser Leben aufschließt.
Bis wir verstehen, Ostern hilft sehen und wahrnehmen Gott lebt mit uns.
Er geht neben uns und Ostern gibt die Sicherheit: Es ist richtig für das Leben zu kämpfen und es ist falsch sich mit den Todesmächten zu verbünden.

   Solche brennende Herzen können etwas auf dieser Welt verändern, weil sie auf das Leben setzen, das stärker ist als der Tod. Auf eine gemeinsame Zukunft, die stärker ist als Trennungen und Alleingänge. Ostern heißt, in  dem Weggefährten Christus den auferstandenen Sohn Gottes zu erkennen. Wir brauchen Gewissheit und Klarheit im Glauben. Bevor wir in den Auferstehungsjubel einfallen können, werden unsere Blicke, durch die Passion Jesu geschärft. In, unter und mit der Situation von Gewaltopfer, der gemordeten,
gefolterten und ihren Lebenschancen beraubten trifft man auf den leidenden Gott. Das heißt, anzuerkennen, dass das eigene Schicksal in existentieller Weise mit dem Schicksal aller Opfer verbunden ist.
   Im Kreuz Jesu und in den Kreuzen der Menschen, in beidem treffen wir auf Gott. Kein Opfer ist gottlos - das soll diejenigen, die anderen Leiden zufügen in Angst und Schrecken versetzen.
   Wo Menschen für eine gerechtere Welt kämpfen, wo Unrecht nicht verschwiegen und Gewalt nicht verdrängt wird, da kommt das Evangelium vom zum Tode verurteilten Gottessohn zur Sprache. Da versteht man, was es konkret heißt, dass der zur Todesstrafe Überantwortete und Gekreuzigte zu neuem Leben auferweckt wurde. Davon wissen Bürgerbewegungen gegen Rechts,
und davon handeln Gruppen die sich für Opfer von Folter und Krieg einsetzen - innerhalb und außerhalb der Kirche. Wer schon früh an Gräbern gestanden,
Gräbern von Lieben und ihrer Liebe, wer verprügelt, verlassen, auf Gottes Beistand angewiesen, von Schulden zerfressen, seelisch krank, verzweifelt,
deprimiert, lebte, der hat ein Gespür für Gottes Wunder entwickelt.
„Da wurden ihnen die Augen geöffnet und sie erkannten ihn."

Das offene Grab öffnet Menschen die Augen, Erfahrungen von geschenktem Leben, von Auferstehung lassen uns die Kraft und Gegenwart Gottes erahnen.
Die Bibel öffnet sich, man liest sie mit anderen Augen, „Musste nicht Christus das alles erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen... " damit wir von der Nähe Gottes überzeugt sein können?"

   Die Osterbotschaft ist niemals anders verkündet worden, als vor dem Hintergrund von Leiden und Sterben, eine Verrücktheit für die Welt: angesichts von Panzern und Selbstmordattentätern vom Sieg des Lebens reden zu wollen.
Ostern ist ein heimliches Siegesfest. Weitgehend unscheinbar für jene, die nur die Oberfläche sehen. Zum Verzweifeln für Pessimisten und Schwarzseher.
Für Menschen aber, deren Herzen entzündbar sind, - wo es nur eines Funkens bedarf und sie brennen, mit jenem Feuer, das es hell werden lässt um sie her,
- für solche Menschen ist Ostern ein Funkenregen, der ausreichte die ganze Welt zu befreien. „Da wurden ihnen die Augen geöffnet und sie erkannten ihn."

Wir leben in dieser Spannung, zwischen dem Gefühl, dass es Abend werden will und den unvergesslichen Augenblicken, wenn wir in einem unscheinbar, seltsamen Weggefährten den Abgesandten Gottes durchleuchten sehen. Vielleicht suchen wir Gott immer noch am falschen Ort, wenn es scheinbar nur noch Abende in unserm Leben gibt. Nach biblischem Zeugnis offenbart sich Gott, dort, wo man es am wenigsten erwartet, dort wo die Welt am wenigsten Herrlichkeit, Ruhm und Brillanz zeigt, d. h. in Armut, Unterdrückung, Rechtlosigkeit, dort wo das Leben an den Rand gedrängt wird. Davon handelt die Bibel. Dazu müssen uns die Augen geöffnet werden. Für die unscheinbaren, seltsamen Weg- und Lebensgefährten auf deren Urteil wir sonst nur wenig geben.
Vielleicht wissen ja schwarze Menschen mehr von Gott als Weiße.
Vielleicht wissen Arme mehr von Gottes Fürsorge als Reiche.
Schuldiggewordene wissen mehr von Gottes Liebe als die Gerechten.
Und Kranke spüren die Nähe Gottes intensiver als Gesunde.
Vielleicht wird in Asylantenheimen inbrünstiger Ostern gefeiert als in bürgerlichen Wohnzimmern.

Vielleicht sollten wir Leute zu uns reden lassen,
denen wir sonst nie zuhören...
Vielleicht wäre dieses Umdenken
für uns alle ein Weg nach Emmaus...

Ein Weg auf dem uns Gott begegnet und wir zueinander sagen:
„Brannte nicht unser Herz in uns,
als er mit uns auf dem Weg redete,
und uns dabei die Schrift öffnete?"

Wenn uns Gott begegnet:
in einem Menschen,
in einem Satz,
in einer Geste.
dann spüren wir dieses Brennen,
das nichts verzerrt,
nichts zerstört,
sondern alles gut macht.

Amen.



Pastor Dr. Ekkehard Heise
Stade
E-Mail: Ekkehard.Heise@t-online.de

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